Der Mensch als Selbstzweck

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Vom Profil einer christlich fundierten Pädagogischen Hochschule.

Bei der Gesetzgebung über die Umwandlung der pädagogischen Akademien in Pädagogische Hochschulen ist auch die "kirchliche pädagogische Hochschule Wien" beschlossen worden. Das wirft mit Nachdruck die Frage auf, was denn deren besondere Berechtigung sei, welche besondere Aufgabe sie für sich reklamieren könnte. Wenn die Einrichtung mehr sein soll als die Erfüllung eines bloßen Vertrages, um den Ansprüchen der Kirche aus politischen Gründen entgegenzukommen, wenn das mehr sein soll, als das Festhalten an einer einmal gewonnenen Position - und beides wird man nicht unterstellen wollen -, dann stellt sich die Frage nach einem besonderen Profil dieser Hochschule.

Hochschulen sind bekanntlich Einrichtungen der wissenschaftlichen Forschung und Lehre. Wenn demnach die Umstellung auf Hochschulen nicht als Etikettenschwindel verstanden werden soll, dann ist auch für sie der strenge Anspruch von Wissenschaftlichkeit verpflichtend. Wissenschaft definiert sich durch den Anspruch, ihre Aussagen mit nachvollziehbaren Gründen belegen zu können, für sie Geltung zu beanspruchen, die jedermann müsste prüfen können.

Keine religiösen Kurzschlüsse

Wissenschaft lebt von der Freiheit der Gedanken, von der Spontaneität des Geistes, von lebendiger und angstfreier Diskussion der Standpunkte und Meinungen. Das kann bei einer auf Anwendung bezogenen Hochschule zu Spannungen führen, denn natürlich sollen Forschung und Lehre auch als Theorie der Praxis Orientierung bieten. Dabei darf gerade die Pädagogik die Frage nach dem Sinn pädagogischen Handelns nicht ausblenden, wenn Schule und Lehrer nicht als Instrumente für beliebige Zwecke gebraucht und vielfach missbraucht werden. Lehrer müssen sich zu selbständigen Personen bilden, um ihrerseits wieder jungen Menschen zu ihrer verantworteten Selbstbestimmung zu verhelfen.

Für eine kirchliche Hochschule birgt die Beantwortung dieser Frage Chance und Gefahr. Die Gefahr besteht darin, diese Unsicherheit durch die Sicherheit aus dem Glauben kurzschlüssig zu beantworten, d. h. Erkenntnis durch Bekenntnis zu ersetzen. Das wäre eine Missachtung der Vernunft, deren Entfaltung und verantwortlicher Gebrauch gerade in der Schule über allen Einzelaufgaben zu lernen wäre. Gerade ein christliches Verständnis vom Menschen muss dessen Vernunft auf Grund des Schöpfungsberichtes besonders hochschätzen. In diesem Wissen um die besondere Stellung des Menschen im Kosmos auf Grund seiner Vernunft, die christlichem Denken als Gewissheit aus dem Schöpfungsbericht der Bibel bewusst ist, kann sich das besondere Profil, und auch die gesellschaftliche Legitimation einer kirchlichen wissenschaftlichen pädagogischen Hochschule bestimmen. Sie muss aus dieser Gewissheit allen Versuchen entgegentreten, die den Menschen seines Personseins berauben wollen, indem sie ihn instrumentalisieren. Instrumentalisierung des Menschen findet immer da statt, wo er als Mittel für Zwecke, die er sich selbst nicht gegeben hat, eingesetzt wird.

Diese Gefahr ist heute nicht gering: sie ergibt sich aus dem Bedarf von Wirtschaft und Produktion, aus politischem Wollen, aus der fatalen Neigung in Staat und Gesellschaft den Menschen für ihre Zwecke zu gebrauchen. Eine christlich orientierte Pädagogik wäre der unerschütterliche Mahner, den Menschen nicht zu einem Mittel zu degradieren, ihn als Subjekt immer auch als Zweck seiner selbst zu achten.

Wider die Ökonomisierung

Dabei sind zwei Aspekte nicht zu übersehen: Die aus dem Glauben gewonnene Gewissheit, dass der Mensch ein von Gott nach seinem Bilde geschaffenes Geschöpf ist, kann nicht zu wissenschaftlicher Überlegenheit führen: aus dem vermeintlichen Besitz der Wahrheit im Glauben zwar Toleranz zu üben, die andere Meinung jedoch nicht ganz ernst zu nehmen.

Auch darf zweitens in der Parteinahme für die Selbstbestimmung des Menschen nicht übersehen werden, dass der Mensch viel lernen und können muss, um für sich und andere die Not des Lebens zu bewältigen. Das ist nicht wenig, und der Schule sind dabei eine Fülle von Aufgaben zugewiesen, die um der menschenwürdigen Erhaltung des Lebens ihre Berechtigung haben. Sie stehen im gegenwärtigen bildungspolitischen Denken im Vordergrund, das Ökonomische beherrscht die Diskussion. Umso mehr wird diese Hochschule ihr Profil darin finden, die dem Evangelium entsprechenden Maßstäbe zu setzen, und damit der pädagogischen Diskussion ein unverzichtbarer Partner zu sein.

Das führt zur Frage des pädagogischen Ethos, zur Frage nach Haltung und Gesinnung, die letztlich im Glauben verankert sind. Aber wiederum muss man davor warnen, wissenschaftliche Anstrengung durch Ethos zu ersetzen, gute Gesinnung als Ersatz für die Anstrengung des Denkens auszugeben. Das Ethos des Pädagogischen ist vielmehr Grund und Bedingung wissenschaftlicher Arbeit, ohne anzunehmen, dass das eine aus dem anderen hervorgeht.

Die Zumutung des Denkens

Der hier vorgestellte Gedankengang sieht die Kirchliche Hochschule nicht als den verlängerten Arm der Kirche. Auch sie kann den Pluralismus der Auffassungen nicht leugnen, sie sollte in ihm eine Chance sehen. Das gilt auch für die Lehrenden. Die Hochschule hat ein Fundament, das Wissenschaft nicht überflüssig macht, das im Gegenteil deren besondere Bedeutung immer wieder betont. In ihrer Anthropologie wird sie immer wieder geltend machen, dass der Mensch in seiner Ebenbildlichkeit mit dem Schöpfer auch mit einer Vernunft ausgestattet ist, die ihm das Denken zutraut und auch zumutet.

Nicolaus Cusanus, der philosophisch hochgelehrte Kardinal, hat eines seiner Werke "Über das gelehrte Nichtwissen" genannt. Das Stückwerkhafte muss auch der Schreiber dieses Beitrages für sich bekennen. Die Gedanken sind nicht mehr als Anregungen, die allerdings eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart ansprechen wollen: Denn von einer guten Lehrerbildung wird das Gelingen von Gegenwart und Zukunft, des individuellen und gesellschaftlichen, des geistigen, kulturellen und des spirituellen Lebens abhängen.

Der Autor ist emeritierter Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Wien.

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