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Der Religionslehrer

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Wir stehen schon mitten im Problem. Denn, wie gesagt, überall sind pädagogische Nieten eher erträglich als im „Fach“ Religion. Wo sind Fingerspitzengefühl, Einfühlungsvermögen in die Psyche des Schülers noch so notwendig als im Religionsunterricht? Nun bringt aber die Berufung, sprich: die Liebe und die Eignung zum Priesterberuf, nicht unbedingt die Eignung zum Lehrer mit sich. Schon gar nicht darf man erwarten, die sakramentale Weihe werde alle pädagogischen Lücken mittels der Gnade Gottes schließen.

Die pädagogische Ausbildung der künftigen Katecheten oder Religionsprofessoren ist zur Zeit zumindest an der Wiener Universität zweifellos völlig ungenügend. Auf der einen Seite ist das Lehramt dem

Priester- oder Hirtenamt in der Theologie mindestens gleichgeordnet, auf der anderen Seite sendet man Neupriester nirgendwohin so dilettantisch ausgerüstet wie in die Schule.

Gratia supponit naturam. Die Gnade baut auf natürlichen Voraussetzungen auf. Man müßte nun wenigstens alle jene Religionslehrer, die tatsächlich in der Schule nicht zurechtkommen, weit- gehendst vom Unterricht fernhalten. Dieser Notwendigkeit steht jedoch der große Mangel an qualifizierten Religionslehrem entgegen, so daß es gelegentlich zu der kuriosen Tatsache kommt, daß im Rahmen der bisher konzeptlosen Personalpolitik des Schulamtes jene Lehrer oder Professoren, die aus pädagogischen

Gründen vom Religionsunterricht entfernt wurden, im nächsten Schuljahr wieder auf den Knien gebeten werden, 20 bis 30 Schulstunden zu „übernehmen“.

Man darf hoffen, daß diesem „Abusus“ in mittlerer Zukunft durch verstärkten Einsatz geschulter Laien begegnet werden kann. Das Reservoir der Priester für den Schuldienst ist jedenfalls im Bereich des Schulmolochs Wien erschöpft.

Eine weitere Schwierigkeit, die den Religionsunterricht an den Höheren Schulen trifft, ist der „Berufsstand“ der Religionsprofessoren. Das Problem ist äußerst diffizil. Es gibt Professoren, die mit ihrer Schule mitleben, in der seelsorglichen Betreuung der ihnen anvertrauten Schüler in- und' außerhalb des Unterrichtes aufgehen und „nebenbei“ noch in einer Pfarre stehen, wo sie als Kapläne in einer anderen Art seelsorglicher Arbeit tatkräftig mithelfen. Es gibt aber auch einen anderen Typ, in dem das Staats- kirchentum Josephs II. fröhlich Urständ’ feiert, geistliche Professoren, deren Priestertum im Präsenzdienst des Stundenplanes der Schule besteht; die den Schülern wohl viele Reiseberichte aus den Ferien anbieten mit Dias vom Nordkap bis Mallorca, aber…

Außerschulische Seelsorge

Was vom Religionslehrer erwartet wird, ist im Rahmen des Unterrichtes nicht zu bewältigen. Deshalb wird der neue Religionsprofessor in der ersten Inspektionskonferenz „feierlich darauf verwiesen, daß es auch eine außerschulische Seelsorge gäbe“, wobei die Existenz von MK, MKV und KSJ wohlwollend erwähnt wird. Nun darf er arbeiten, wie und was er will, wo er will, auch nichts, wenn er nicht will oder wenig, wenn er nicht kann. „Nach oben“ werden potemkinsche Dörfer, Städte, Großstädte gebaut, wie man es eben „beim Staat macht“. Im Durchschnitt „macht man“ eine monatliche Schulmesse, zu der die Schüler „eingeladen“ werden. Die „Gestaltung“ liegt zwischen „Wohin soll ich mich wenden“ und „Lobt froh den Herrn“. Bei Skikursen oder Konferenzen kann sie gelegentlich entfallen. Der Besuch entspricht der neuen Zeit, die „gar nicht mehr fromm“ ist. Die Schüler, die den Unterricht durch Fragen „stören“, gehören sicher zu einer Verbindung oder gar zur Katholischen Jugend. „Das sind nämlich die Frechsten, die oft ganz selbständige Meinungen haben.“

Eine Lanze muß für viele gutwillige, junge, zum Teil auch ältere Religionsprofessoren gebrochen werden, die infolge des „Besetzungssystems“ der kirchlichen Obrigkeit „bilocieren“ müssen. Der Kaplan von Meidling unterrichtet in Floridsdorf, der von Simmering in Fünf haus und der von Döbling auf der Landstraße. Wollte dieser außerschulisch arbeiten, könnte er wahrlich sonst keinen Dienst an seiner Pfarre verrichten. Wäre er aber in der Pfarre seiner Schule wohnhaft, ginge jede seelsorgliche Arbeit viel leichter vor sich, abgesehen von den Verlusten an

Freizeit, Lebenszeit und Nerven, die heute ein langer Schulweg verursacht.

Was soll und kann außerhalb der Schule geschehen? Vor allem soll es ein Gespräch in Freiheit und Partnerschaft geben, das glaubhafter ist als je ein Unterricht; ferner eine Arbeit mit einer kleinen Gruppe aus den verschiedenen Klassen der Oberstufe, die selbst um eine Elitestellung ringt und als „Beirat“ des Professors Vorschläge hervorbringt, ausarbeitet und durchführt, die zur Unterstützung des Religionsunterrichtes dienen, sei es für die Feier des Gottesdienstes, sei es die Vorbereitung einer Diskussionsveranstaltung für die Schule, die Bestellung eines Referenten für einen Schülerabend im Rahmen der Schulgemeinde, sei es die Betreuung einer Gruppe der Unterstufe in der Arbeitsweise der Katholischen Jungschar. Je selbständiger und initiativreicher dieser „Beirat“ ist, desto besser. »»» »nl« . t»« .« ’ . •

Ferner geht es um die Mitarbeit, zunächst sogar um die Vorarbeit in jenen Gruppen der Oberstufen, die den Laienbewegungen angehören, und zwar von der Schule aus. Das Hauptproblem liegt aber zweifellos in der richtigen Bewältigung des Partnerschaftsverhältnisses zwischen Religionsprofessor und seinen Schülern.

Ein Konzept für die Zukunft?

Um dem drückenden Mangel an Priestern sowohl in der Seelsorge als auch an den Schulen von der Wurzel her abzuhelfen, sollte an jeder Höheren Schule in weiterer Zukunft nur ein geistlicher Religionsprofessor tätig sein, mit dem nach Anzahl der zu besetzenden Schulstunden in Religion weiter Laienprofessoren arbeiten. Dieser Priester ist aber ganz für die Seelsorge dieser Schule frei, in- und außerhalb des Unterrichtes; er könnte zugleich für den Schulbezirk „Studentenpfarrer“ sein, vielleicht Hausgeistlicher in den entstehenden Studentenzentren werden, er könnte dort Mittelpunkt der Altar- und Lebensgemeinschaft sein; er muß dort wohnen, Hausbesuche in den Familien der Studenten machen, er würde die Bildungsarbeit, vielleicht konkret das Bildungswerk leiten beziehungsweise ihm assistieren. Die Schwierigkeiten bei der Überleitung von Mittelschülern zu Hochschülern innerhalb der Katholischen Aktion wären wesentlich eingeschränkt, denn das Leben eines Studentenzentrums wäre von unten her gesichert und nach oben immer ausbaufähig und hätte als Seele, als Motor, den jeweiligen Seelsorger, der vormittags in der Höheren Schule steht und seine eigenen Leute nachmittag im „anderen“ Leben hat. Die geistigen Führer für Diskussionen und Gruppenarbeit wären in ehemaligen Schülern, Studenten oder Akademikern ständig am Ort präsent.

Der priesterliche Seelsorger stünde nicht im ständigen Kampf zwischen Pfarrseelsorge und schulischen Anliegen, wäre für das ihm eigene Gebiet ganz verantwortlich und betreute doch einen sehr wichtigen Sektor unserer pastoralen Arbeit viel rationeller als bisher, den intellektuellen Sektor, der zugunsten der vordergründig leichteren Arbeiterseelsorge ohnehin bisher sträflich hintangesetzt wird.

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