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Der Schriftenfund vom Toten Meer

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MEHR KLARHEIT ÜBER DIE SCHRIFTROLLEN. Von Miliar Burrows. C.-H.-Beck-Verlag, München. 375 Seiten. Preis 24 DM.

Wie schon der erste Band „Die Schriftrollen vom Toten Meer”, München 1957, kann auch diese Fortsetzung nicht nur Zustimmung finden (vgl. meine ausführliche Besprechung in „Münchener theologische Zeitschrift”, Band 9/1958, S. 142 bis 148), sondern fordert auch sowohl in bezug auf die Anlage des ganzen Buches als auch hinsichtlich einiger darin dargelegter Einzelphänomene skeptische Zurückhaltung. Mehr noch als für den ersten Band gilt es hierfür, daß es sich um eine wissenschaftliche Reportage handel:. Der Autor sieht seine vordringlichste Aufgabe darin, dem Leser seine neueste Forschung möglichst lückenlos ‘ vorzulegen und dazu seine eigene Meinung zu sagen. Hierin liegt die große Schwäche, aber auch der einmalige Vorteil dieser beiden Bücher. Man erfährt die Meinung des Verfassers nur so nebenbei, während er reportagemäßig die Meinungen der anderen Forscher diskutiert. Dadurch verliert das Buch sehr an Uebersicht- lichkeit in Anlage und Aufbau, gewinnt aber in bezug auf die Menge der dargebotenen Meinungen. Für den Fachmann ist das Buch äußerst wertvoll, weil er hier in komprimierter Form die Auffassung eines der kompetentesten Gelehrten der Qumran- forschung zu sehr vielen zur Diskussion stehenden Einzelfragen findet. Wenn auch der Leser bei manchen Einzelproblemen anderer Meinung ist, so ist das in der Forschung anders auch nicht gut möglich. Der Autor legt hier seine Meinung dar über das Verhältnis des Christentums zu Qumran, die Bedeutung der Qumranfunde für das Alte Testament, über die Frage des Ursprungs der Sekte, ihre Identifikationsmöglichkeiten, ihre Glaubenslehren und ihre Riten.

Zu Einzelfragen kann hier nicht Stellung genommen werden; daß aber manches anfechtbar ist, was der Verfasser sagt, möge an einem Beispiel dargelegt werden. Auf Seite 86 versucht Burrows, für das Feindeshaßgebot bei den Qumranleuten jene alt- testamentlichen Stellen als Vorbild zu zitieren, die vom individuellen Haß der Frommen gegen die Gottlosen sprechen. Während es sich aber an den alt- testamentlichen Stellen eher um Ablehnung als um Faß im strengen Sinn des Wortes handelt, ist in Qumran wirklicher Haß geboten, der mit dem streng dualistischen Weltbild der Qumranleute zusammenhängt, die die Menschen in die einander entgegengesetzten Gruppen der Söhne des Lichtes und der Söhne der Finsternis unterteilten. Erst auf Grund jenes dualistischen, eschatologisch orientierten Welt-bilies wurden die alttestamentlichen Ansätze zu einem Feindeshaß gebot erweitert, das mit der Erwartung eines eschatologischen Rachekrieges der Frommen gegen die Gottlosen eng zusammenhängt. Die von Burrows zitierten alttestamentlichen Stellen haben also gar keine Beweiskraft im Sinne der Argumentation des Verfassers.

QUMRAN UND DER URSPRUNG DES CHRISTENTUMS. Von Jean Daniėlou. Mathias- Grünewald-Verlag, Mainz. 174 Seiten. Preis 8.25 DM.

Das Büchlein von Daničlou, eine Uebersetzung aus dem Französischen, kann mit großer Zustimmung auch einem weiteren Leserkreis empfohlen werden. Es behandelt entscheidende Themen, wie „Johannes der Täufer und Qumran”, „Christus und der Lehrer der Gerechtigkeit” oder „Die ersten Entwicklungen der Kirche und die Gemeinschaft von Qumran”. Wer immer sich darüber kurz und bündig informieren lassen will, greife zu Danielous Buch. Trotzdem scheinen aber manche Einzelheiten der Kürze der Darstellung zuliebe überpointiert oder vereinfacht. Im besonderen darauf einzugehen, würde hier zu weit führen. Man kann aber zum Beispiel nicht so ohne weiteres die „Testamente der zwölf Patriarchen als das Werk eines bekehrten Esseners” erklären oder das rituelle Gemeinschaftsmahl der Qumran-Essener als „messianisches Mahl” bezeichnen, wie es der Autor im Gefolge Allegros tut (vergleiche dazu die Kritik Gaechters zur französischen Ausgabe in „Zeitschrift für katholische Theologie”, 80/1958, S. 338 f.). Auch die Feststellung, „daß Jesus und Seine Jünger dem Kalender von Qumran gefolgt sind”, und der Versuch, die Schwierigkeiten bei der Chronologie der Leidenswoche mit Mile. A. Jaubert durch Zuhilfenahme des Qumran- kalenders zu lösen, muß vorläufig zumindest als fragwürdig erscheinen (vgl. dazu Gaechter, ebenda, 80/1958, S. 555 bis 561).

Leider war der Uebersetzer nicht mit der speziellen religionswissenschaftlichen Terminologie im Deutschen vertraut. So kann man zum Beispiel nicht das französische Original „juifs heterodoxes” mit „irrgläubiges Judentum” (S. 125) übersetzen.

Diese kritischen Bemerkungen sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Rezensent das Buch als Ganzes außerordentlich schätzt.

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