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Der Tag X rückt näher

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Nur um 9,2 Prozent sind die Preise in Österreich von 1966 bis 1968 gestiegen. Damit liegt unser Land hinter der deutschen Bundesrepublik mit 6,6 Prozent und Italien mit 7,2 Prozent, aber vor Frankreich mit 10,4, den USA mit 10,7, der Schweiz mit 11,2, England mit 12, Schweden mit 12,8 und Dänemark mit sogar 23,4 Prozent. 375.000 neue PKW wurden in derselben Zeit zugelassen, die privaten Konsumausgaben kletterten von 155,16 Milliarden Schil-lind auf 175,20 Milliarden Schilling (1968) und werden voraussichtlich auf 189,70 Milliarden Schilling im Jahre 1969 steigen. Das Massennettoeinkommen erhöhte sich um 48,9 Prozent, die Preise stiegen, wie schon erwähnt, nur um 9,2 Prozenit. Das bedeutet, daß der Österreicher bei seinem Realeinkommen immer-hin eine Steigerung von 19,7 Prozent erfuhr.

Die Katastrophe, die die SPÖ, das Bürgerkriegsgespenst an die Wand malend, 1966, nach Beginn der ÖVP-Alleinherrschaft, der Bevölkerung verkaufen wollte, ist also nie eingetreten. Inzwischen hat man auch in der SPÖ eingesehen, daß der Knall als Folge des Ausscheidens der Sozialisten aus der Regierung ausblieb. Denn daß man nur populäre Maßnahmen und Wahlgeschenke zu erwarten hatte, hatte die ÖVP nie behauptet. Eher versuchte man von Anfang an, der Bevölkerung klarzumachen, daß wirtschaftliche Rezession und steigende Anforderung im ausländischen Konkurrenzkampf gewisse Verzichte und ein Mehr an Arbeit erfordern könnten. Trotz der relativ guten Zwischenbilanzergebnisse muß die ÖVP langsam einsehen, daß die Bevölkerung von solchen positiven Ergebnissen unberührt, nicht nur der Opposition die Stimmen gibt, sondern in letzter Zeit auch entschlossen ist, den Freiheitlichen und sogar der Olah-Partei Wahlhilfe zu leisten. Selbst der FPÖ-Bundesparteiobmann Peter gab gesprächsweise zu, daß die ÖVP-Politik auf Bundesebene nicht so schlecht wie die Wahlergebnisse sei.

Das Generalsekretariat in der Kämt-nerstraße muß von Wahl zu Wahl einen Stimmenrückgang hinnehmen, und selbst in Wien, wo die Sozialismen keineswegs bessere Politik als auf Bundesebene gemacht haben, zeigte es sich, daß der Bundiestrend der ÖVP treu blieb und eine Niederlage wie nie zuvor nunmehr auch die Lacndesparteileitung Wien der ÖVP in eine Art Kaitastrophenstim-mung versetzte. Angesichts einer solchen Serie, die seit den Salzburger Gemeinderatswahlen bis nach Wien ohne Unterbrechung anhielt, fragt man sich begreiflicherweise, was an einer so beharrlichen Abneigung der Bevölkerung wohl schuld sein mag.

Nicht nur die ÖVP-Kreise, sondern auch Politiker anderer Couleur meinen, die Regierungspartei habe es nicht verstanden, die notwendigen unpopulären Maßnahmen, aber auch die positiven Leistungen deutlich zu machen.

So dürfte es in der nur mehr kurzen Zeiit bis zu den Wahlen für die Regierungspartei notwendig sein, ihr Image mit dem geleisteten Positiven aufzupolieren. Dabei scheinen sich allieudingS: verschiedene, früher bewährte Maßnahmen nicht mehr zu bewähren. So haben die ministeriellen Pressereferenten, die nach dem großen Erfolg Kurt Bergmanns unter den Finanzministern Schmitz und Koren wie Pilze aus dem Boden schössen, unter dem Trommelfeuer der Opposition ihre Tätigkeit stark einschränken müssen und sind heute nicht mehr die mit Elan arbeitenden Public-Relations-Manager, sondern eher beamtete „Verhinderungsreferenten“ der Ministerien geworden.

Die Freude der meisten Minister an stärkerer Öffentlichkeitsarbeit hat ferner abgenommen, seitdem diverse Einzelgänge in der Bundesparteileitung mehr Kritik als Lob eingebracht haben und gelegentlich sogar Informationssperre ausgegeben wurde.

So hat schließlich die ÖVP in ihrer ganzen Presse-Arbeit nicht jene Kräfte und Konsequenz aufgebracht, die gerade für eine Regierungspartei notwendig gewesen wäre.

Wie sonst ist es erklärlich, daß gerade während der Zeit der Alleinregierung bei vielen ÖVP-Zeitun-gen die Krise in finanzieller und redaktioneller Hinsicht größer ist als in der Zeit der Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition. Die Krise im „Volksblatt“ dauert an. Von der Kärntner „Volkszeitung“, dem ÖVP-Blatt im südlichsten Bundesland, weiß man, daß sie genau an der Grenze zwischen Rentabilität und Defizit geführt wird und aus diesem Grund auch eine Liierung mit dem Salzburger Blatt gleichen Namens als Tageszeitung seinerzeit abgelehnt hat.

Die „Tiroler Nachrichten“, seit jeher im Schatten der ebenfalls ÖVP-nahestehenden „Tiroler Tageszeitung“, vegetieren mit einer Auflage, die in allen übrigen Ländern Europas ebenfalls bereits zur Einstellung geführt hätte, dahin. Dem „Vorarlberger Volksblatt“ geht es genauso wie dieser Tiroler Nachrichtenzei-tung. Es steht im Schatten des großen Konkurrenten, den „Vorarlberger Nachrichten“. Nur die „Südost-Tagespost“ kann sich trotz Konkurrenz der „Kleinen Zeitung“ als einziges gewinnbringendes Blatt des österreichischen Verlages halten. Daneben erscheint eine Vielzahl von parteipolitisch nahestehenden Tages-, Wochen-, Wirtschafts- und Fachzeitungen, die den Groschen aius der ÖVP-Propagandalade verbrauchen, ohne irgendwelche echte Werte und Informationsaufgaben größeren Stils erfüllen zu können. Dazu kommt aber noch, daß es der Regierungspartei nicht gelungen ist, ihre eigenen Reihen nach dem Wahlsieg im Jahre 1966 zu einer einheitlichen Linie der Mitarbeit zu mobilisieren; vielmehr glaubten kleine Funktionäre, mit der absoluten Mehrheit würden ihre Interessen zuvorderst berücksichtigt, und wurden zu Nörglern, als ihnen die eine oder andere legislative Maßnahme gegen den Strich ging. So steht die Regierungspartei ein dreiviertel Jahr vor dem Wahltermin vor der schwierigen Aufgabe, nicht nur besondere Leistungen setzen zu müssen, sondern, was noch schwieriger ist, diese endlich auch dem Wahlvolk schmackhaft zu machen. Ob dies allerdings gelingt, darüber sind nicht nur die Propagandisten und Werbefachleute in der ÖVP nach dem in den letzten Jahren auf diesem Sektor Gezeigten im Zweifel.

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