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Der „Vierzehnte“

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Die Zahl vierzehn scheint kl Oesterreich — was dem Dreizehner nicht gelungen war — eine für die Innenpolitik fatale Bedeutung zu gewinnen. Die Forderung der Staatsbeamten nach einem vierzehnten Monatsgehalt scheint einer der ersten Wahlschlager für 1959 werden zu wollen. Weniger scheint es sich dagegen um die Frage einer echten Besserstellung der Staatsdiener zu handeln.

Nun bestehen die Konflikte diesmal nicht allein zwischen den Regierungsparteien, sondern zwischen ' Gewerkschaftsmitgliedern selbst. Konnte doch vor einiger Zeit ein Führer der Gewerkschaft der öffentlich Angestellten privat feststellen, daß es seine Gewerkschaft jetzt mit zweierlei Austritten zu tun habe, mit Austritten solcher, denen mit zu wenig Nachdruck der „Viprzehnte“ geforderte werde, und anderseits mit solchen, die austreten, weil man eine Erhöhung der Gehälter verlangt habe.

Die Forderung der Beamten ist vor allem für die vielen kleinen Lohn- und Gehaltsbezieher und ganz besonders für die Familienväter berechtigt. Leider werden von den Vertretern der Staatsbeamten — wie schon so oft — nur die Interessen der Gehaltsbezieher schlechtweg vertreten. Um die Familienväter kümmert man sich schon weniger. Auch diesmal wurde nicht beachtet, daß gerade ein Familienvater, der seinen Kindern eine Weihnachtsfreude bereiten will, besonders um die Weihnachtszeit in arger Not ist, sind doch die Kinderbeihilfen im Dezember gleich hoch wie sonst.

Niemand in diesem Land wird den Staatsbeamten die Zahlung einer Weihnachtsremuneration neiden. Wenn die Forderung diesmal, auch auf Arbeitnehmerseite kaum jemanden so recht freut, so deswegen, weil man das Gefühl hat, es gehe nicht um das Wohl der Beamten, sondern einfach um Politik. Um einen Wahlschlager. Viele Gewerkschaftsführer tun daher zwar mit, aber nicht aus Ueberzeugung.

Wer nur ein wenig Kenntnis um die Ziffern des Budgets 1959 hat, weiß, daß die erwarteten Einnahmen ohnedies zu hoch und die Ausgaben zu niedrig angesetzt wurden. Die Sozialisten werfen dem Finanzminister die seinerzeitige Einkommensteuersenkung vor. Ebenso wird wegen der wachsenden Verschuldung des Bundes der Finanzminister einer Art fahrlässigen Krida geziehen. Anderseits aber findet man auf sozialistischer Seite nichts daran, wenn nun über eine Milliarde zusätzlich an Ausgaben festgelegt werden soll.

Kommt es zur Gewährung des Vierzehnten schon im Jahre 1959, dann kann der Staat auf dreierlei Weise den Mehraufwand decken: Erstens kann er zusätzlich Schulden machen. Tut er dies, ist er kein „ehrbarer“ Kaufmann. Zweitens kann der Staat den Mehraufwand einsparen. Da i aber nur beim Sachaufwand möglich. Man kann dabei als sicher voraussagen, daß die gleichen, welche den Staat zwingen, den Sachaufwand zu kürzen, dieselben sein werden, die dann, kommt es zur Kürzung, dem Staat deswegen wieder Vorwürfe . machen. Die dritte Möglichkeit .besteht darin, die Einnahmen zu erhöhen. Da wir nicht mehr die „Reichen“ haben, bei denen man konfiszieren kann, können die Einnahmen nur durch eine Tarif- beziehungsweise Preiserhöhung gesteigert werden. Wer soll diese Preiserhöhung tragen? Einerseits der kleine Mann und anderseits die „Wirtschaft“, die einfach ihrerseits den Anstieg etwa der Bahntarife auf die Preise und die Konsumenten weitergeben wird.

Wenn die Staatsbeamten mehr Geld bekommen sollen, dann kann das nur so gemeint sein, daß sie auch mehr Güter bekommen sollen. Geschieht das nicht, werden also die Beamten lediglich mit schillingverdünnenden, kaufkraftvermindernden Geldscheinen abgefertigt, so stellt das ganze eine grobe Täuschune dar — und eine Belastung der Demokratie, weil schließlich da Vertrauen in die Glaubwürdigkeit des Staates vermindert wird. .

Die Sozialisten unseres Landes haben bisher ein in diesem Blatt stets gewürdigtes Maß an Verantwortungsbewußtsein gezeigt. Wir können daher darüber nur erstaunt sein, daß sie nicht gewahr sind, wie sehr sie durch ihr Verhalten die Staatsfinanzen, den Schillingwert gefährden und jene Fonds angreifen wollen, aus denen die .Staatsbeamten gezahlt werden müssen. Keine Berufsgruppe ist so sehr mit der Prosperität der Staatswirtschaft und mit einem geordneten Staatshaushalt verbunden wie die Beamten des Staates.

Anderseits fragen wir, warum man nicht — wie schon einmal — auf den Ausweg der Schaffung eines Eventualbudgets verfallen ist. In amerikanischen und auch in, finnischen Tarifverträgen gibt es die E s c a 1 a-torklausel, eine Klausel, die vorweg künftige Lohnerhöhungen festlegt. Auf diese Weise haben die Unternehmer die Möglichkeit, vorzeitig zu disponieren und sich allmählich auf die Mehrkosten einzustellen.

Man könnte auch diesmal festlegen: Lassen es die Staatseinnahmen zu, werden die Gehälter aliquot in einer Art „Mehreinnahmenbeteiligung“ erhöht. In diesem Fall würden die Beamten echte, in Güterform materialisierte Erhöhungen ihrer Bezüge erhalten. Im andern Fall kann es durch eine allzu rasche Steigerung der Bezüge lediglich zur Geldlohnillusion kommen, aber auch zu einem unvertretbaren Betrug an den Beamten — und nicht nur an diesen —, zur Ausbeutung gerade der kleinen Leute, deren Interessen bisher die Gewerkschaften so tapfer vertreten haben.

Es scheint jedenfalls so zu sein, daß wir einen oberen „kritischen Punkt“ in der Beanspruchung der Staatsfinanzen erreicht haben. Jede Ueber-schreitung der Anspruchsgrenzen führt zur Reduktion des Geldwertes und damit zur raffiniertesten Form des Betruges an den Einkommensbeziehern.

Der Kanzler hat gewarnt; er hat sich zwar eindeutig für die grundsätzliche Berechtigung der Forderung der Beamten ausgesprochen, will aber ihre Erfüllung an eine echte Bedeckung gebunden wissen. Wer dagegen die Staatsfinanzen gedankenlos oder böswillig über Gebühr strapazieren will, macht sich schuldig an der Verringerung der Kaufkraft und damit auch der innersten politischen Stabilität. Und wer wollte das auf sich nehmen?

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