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Digital In Arbeit

Diagnose über die Presse

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Wo liegen die Ursachen für die vielzitierte Zeitungskrise in Österreich? Diese Frage zu klären, hatte sich die neugebildete Arbeitsgemein- chaft der Gewerkschaften der Graphiker und Journalisten aufgemacht und hierzu Pressepraktiker, Verleger und Gewerkschaftsfunktionäre zu einer Enquėte in die Wiener Universität eingeladen. Experten aus der Schweiz und aus Deutschland berichteten, wie es bei ihnen auf diesem Sektor aussieht, dann schilderte Univ.-Prof Dr. Kurt Paupiė die Lage in Österreich, wie sie aus einer umfassenden Untersuchung der Studenten des Zeitungswissenschaftlichen Institutes erkennbar ist.

Schwei und Deutschland

Dr. Manuel Isler von der Basler National-Zeitung erläuterte, in wieviel hunderte Blätter und Blättchen die Schweizer Presse zersplittert ist

— Folge des kantonalen und kommunalen Eigenlebens, aber auch dort bereits bedroht durch die unvermeidlichen Konzentrationen, zu denen diie technischen Entwicklungen zwingen. Isler eröffnete auch den Blick in die Zukunft: In Basel arbeitet man bereits mit Setzcom- putem; der Zeitpunkt, da man mit Photosetzgeräten anfangen wird, scheint schon voraussehbar.

Direktor Erich Wagner und Friedrich D. Oppenberg berichteten vom Verlegerstandpunkt aus, wie man sich in der Bundesrepublik Deutschland bemüht, den gleichen Krisenerscheinungen wie in Österreich entgegenzutreten. Auch dort Anstrengungen, durch Zusammenlegung von Druckereien und Redaktionen eine überflüssige Zersplitterung zu vermeiden, ohne aber die für die Demokratie unerläßliche Vielfalt der Meinungen zu beschneiden, daneben aber auch Bemühungen des Staates, durch Steuererleichterungen und Kreditaktionen den Zeitungen zu helfen. In der Schweiz wie in Deutschland blicken die Verantwortlichen gebannt auf jene Verleger, die es verstanden haben, beträchtliche Teile des Zeitungsmarktes in ihrem Betrieb zu vereinen, Axel Springer dort, der Verlag Ringli hier — ein Phänomen, das für Österreich (noch) nicht existiert.

Und in Österreich?

Prof. Paupiė gab eindeutige Zahlen: Hier bestehen zur Zeit noch

36 Tageszeitungen, von denen zehn Kopfblätter sind. 1955 waren von

37 Zeitungen nur fünf Nebenausgaben. Mehr als zwei Drittel aller österreichischen Zeitungen erreichen nicht die notwendigen kostendek- kenden Auflagen. Das führt wieder dazu, daß die journalistischen Ausdrucksformen ungenügend bleiben, daß dem Leser der Anreiz genommen wird, mehr als eine Zeitung zu kaufen. (Oder liegen nicht die Erscheinungen in umgekehrter Reihenfolge? Hängen nicht die ungenügenden Auflagen von der mangelnden Attraktivität der Zeitungen ab?)

Paupiė fuhr fort: Das geringe Ansehen der Zeitungen in der Bevölkerung drückt das Ansehen des journalistischen Berufs. Von 83 Studenten der Zeitungswissenschaften äußerten nur fünf die Absicht, in der Presse zu arbeiten, die ändern wollten sich dem Rundfunk oder der Werbung zuwenden. In den Zeitungsredaktionen sind zuwenig Aspiranten, um auf lange Sicht den

• Keine Subventionen — aber aktive Förderung der demokratischen Presse durch den demokratischen Staat (etwa in Form von Steuererleichterungen, Tarifregulierungen, Investitionshilfen).

• Keine Erhaltung der Vielfalt um jeden Preis, gewisse Konzentrierungen scheinen unbedenklich — aber kein Meinungsmonopol.

• Die eigenen Leistungen der Zeitungen seien durch bessere Qualität, Modernisierung, Rationalisierung zu steigern; Druck, Vertrieb und Anzeigen ließen manche Kooperation zu; die Verleger müßten aktiver werden und mit den Journalisten besser Zusammenarbeiten, um die Struktur- schwierigikeiten zu überwinden.

• Der Gleichheitsgrundsatz müsse beachtet werden, wobei sachliche Differenzierung nicht ausgeschlossen sein sollen.

An die eigene Brust schlagen

Hätte man nicht noch deutlicher fragen sollen, was die Journalisten selbst zur Bekämpfung der Misere beitragen könnten? Sollten nicht zuerst sie selbst überlegen, warum es in Österreich kein Blatt gibt, das sich mit einer Basler National-Zeitung oder einem Münchner Merkur vergleichen kann, von den großen Weltblättem ganz zu schweigen? Warum können die österreichischen Zeitungen das Informationsbedürfnis nicht stillen? Wo liegen die weißen Flecken auf den Landkarten der Information? Warum bieten die Zeitungen auch graphisch meist ein wenig attraktives Bild?

Die große Verantwortung der Verleger für die Überwindung der Krise soll nicht bestritten werden. Auch im staatlichen Bereich wäre manches zu erreichen, ohne die Freiheit der Presse zu gefährden. Aber alle Bemühungen müssen ins Leere gehen, wenn nicht die Gestalter der Zeitung selbst Mittel und Wege finden, besseres anzubieten.

Dazu wird es aber vor allem auch einer besseren, einer systematischen Ausbildung bedürfen — das bildete schließlich den Schlußpunkt der Diskussion. Prof. Paupiė zeigte schon einen Weg: Schon vom Herbst an könnten am Zeitungswissenschaftlichen Institut Kurse für Hörer aller Fakultäten starten, die Journalisten werden wollen, gleichzeitig Fortbildungskurse für Praktiker, die ihr Können dem letzten Stand der Technik und der Wissenschaft anpassen wollen. Der Weg wäre gewiesen. Es liegt jetzt an allen Verantwortlichen, ihn auch gemeinsam zu beschreiten

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