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Die andere Meinung prüfen

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Die Richtlinien ergeben sich aus der Natur der Dinge selbst und sehr oft aus dem Naturrecht. So kommt es häufig vor, daß die Katholiken in vielfacher Form mit Christen, die vom Apostolischen Stuhl getrennt sind, oder mit Nichtchristen Zusammenarbeiten, in denen jedoch vernünftiges Denken waltet und die Menschen von natürlicher Wohlanständigkeit sind. Ist dies der Fall, so sollen die Katholiken darauf achten, sich selber immer treu zu bleiben und nicht zu jenen halben Verhaltensregeln herabzusteigen, durch welche die Reinheit der Religion und der Sitten Schaden leidet. Ebenso gilt aber auch: sie sollen die Meinung der anderen Seite mit echtem Wohlwollen, sachlich und selbstlos prüfen und bereit sein, mit vereinten Kräften zu schaffen, was seiner Natur nach gut ist oder zum Guten gewendet werden kann.

Man möge ferner immer unterscheiden zwischen dem Irrtum und den Irrenden, auch wenn es sich um solche handelt, die im Irrtum oder in ungenügender Kenntnis über Dinge der religiös-sittlichen Werte befangen sind. Denn der dem Irrtum Verfallene hört nicht auf, Mensch zu sein, und verliert nie seine persönliche Würde, die immer geachtet werden muß. In der Natur des Menschen geht auch nie die Fähigkeit verloren, sich vom Irrtum frei zu machen und die Wahrheit zu suchen. Wenn Gläubige in profanen Bereichen mit solchen in Verbindung stehen, die überhaupt nicht oder — weil im Irrtum — nicht richtig glauben, so können sie ihnen Anlaß oder Antrieb sein, für die Wahrheit gewonnen zu werden.

Von daher gesehen ist es ungerecht, bestimmte Bewegungen, die sich mit wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, mit der geistigen Ausbildung oder der zweckmäßigen Ordnung der Staaten befassen, einfach zu identifizieren mit bestimmten philosophischen Lehrmeinungen über das Wesen, den Ursprung, über Ziel und Zweck der Welt und des Menschen, auch wenn jene Bewegungen von solchen Auffassungen her entstanden und geleitet sind. Während der wissenschaftliche Begriff, wenn er einmal festgelegt ist, nicht mehr geändert werden kann, unterliegen doch diese Bewegungen notwendig den Veränderungen der jeweiligen Situation. Wer könnte übrigens leugnen, daß sich in solchen Bewegungen, soweit sie sich den Gesetzen einer geordneten Vernunft anpassen und die gerechten Forderungen der menschlichen Person berücksichtigen, etwas Gutes und Anerkennenswertes findet?

Daher kann der Fall eintreten, daß Konferenzen über den Gebrauch bestimmter Dinge, die bisher unter keiner Rücksicht sinnvoll waren oder erschienen, jetzt wirklich fruchtbringend sind oder es morgen sein können. Das Urteil jedoch, ob man jetzt schon so weit gekommen sei oder nicht, die Entscheidung, mit welchen Mitteln man wahren Nutzen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich, in dem der Lehrmeinungen oder auch der öffentlichen Verwaltung erreichen könne, dieses Urteil steht allein der Klugheit zu, der Leiterin aller menschlichen Eigenschaften, von denen das Leben des einzelnen und der Gemeinschaft bestimmt wird. Soweit es sich um Angelegenheiten der Katholiken handelt, wird die Entscheidung über Dinge dieser Art vornehmlich bei den Männern liegen, die in der politischen Gemeinschaft und in diesem Problembereich die erste Rolle spielen. Allerdings müssen sie immer auf die Grundsätze des Naturrechtes achten, sich nach der Soziallehre der Kirche richten und in Übereinstimmung mit den Richtlinien des kirchlichen Lehramtes stehen.

Papst Johannes XXIII. in der Enzyklika „Pacem in terris”.

Demokratie bedeutet Brüderlichkeit

Demokratie kann in den verschiedenen Regierungsformen, nur nicht in einem totalitären Regime verwirklicht werden. Die Kirche bevorzugt keine bestimmte Regierungsform und lehnt auch keine ab, wenn sie nur gerecht und fähig ist, das Wohlergehen der Bürger zu sichern. Die Demokratie ist weniger an ein politisches Regime gebunden als an die Strukturen, von denen die Beziehungen zwischen Volk und Regierung im Streben nach allgemeinem Wohl abhängen. Das Gemeinwohl setzt jedoch eine Gemeinschaft freier Persönlichkeiten voraus, die sich der gleichen Würde und der gleichen Rechte erfreuen und sich ihrer Persönlichkeit, ihrer Rechte und Pflichten in der Achtung der Freiheit des Nächsten bewußt sind.

Wenn Demokratie Brüderlichkeit bedeutet, fordert uns auch die Offenbarung auf, alle Menschen zu lieben, und sie verpflichtet uns, den Bedürftigen die Mittel zu verschaffen, die sie brauchen, um ein menschlicheres Leben führen zu können. Die wahre Demokratie verlangt außerdem, daß die BÜDger auf angebrachte Weise informiert werden, daß sie sich anderseits auch selbst bemühen, die Information, die ihnen gegeben wird, zu beurteilen und zu unterscheiden.

Deshalb ist also eine freie und loyale Presse nötig, die sich um Objektivität bemüht. Es sind Kommunikationsmittel notwendig, die nicht ausschließlich im Dienste einer bestimmten Politik stehen, sondern auch im Dienst der Bürger, die fähig sind, sich von ihrer Zeitung unabhängig zu halten und nicht passiv und ohne Partei zu ergreifen das hören, was Rundfunk und Fernsehen senden.

In der Demokratie darf man dem Dialog nicht ausweichen. Ebenso notwendig ist der Dialog in den Beziehungen der Zwischenverbände mit dem Staat.

Papst Paul VI. in einem Schreiben an die „Soziale Woche Frankreichs” am 10. Juli 1963.

Diese Äußerungen der Päpste stellen den zweiten Teil unserer Dokumentation über die Stellungnahme von Kirche und Katholiken zu politischen Entscheidungen dar.

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