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Die Direktoren

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Der Manager steht in den USA gegenwärtig im Fadenkreuz des. Blickfeldes jeder sozialanalytischen Betrachtung. Seit dem Deutungsversuch Burnhams (1941) und der hiedurch ausgelösten Diskussion hat sich im anglo-amerikanischen Schrifttum eine richtige Managerliteratur herausgebildet, um deren Auswertung für deutsche Verhältnisse Herbert Groß in seinem Manager von morgen (1949) bemüht ist. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß man in Amerika der Person des in der Wirtschaft leitend Tätigen eine hochwichtige Aufgabe bei der Milderung der Gegensätze zwischen Kapital und Mensch, der Erweckung des gegenseitigen Verstehens und der „in geduldiger Fußgängerarbeit“ allmählich zu gewinnenden fruchtbringenden Zusammenarbeit (Cooperation) zumißt.

In Österreich strebte man nach dem Frühjahr 1945 in betonter Abkehr von dem „Führergrundsatz“ eine betriebspolitische Anonymisierung der Unternehmensleitung an. Dieser Grundeinstellung folgend, hatte der Direktor die Grenzen der Machtbereiche von Betriebsrat und Gewerkschaft zu beachten und im übrigen die für den Ausbau und die Erhaltung der sozialen Betriebseinrichtungen, deren Planung nicht ihm, sondern der Betriebsvertretung und der Gewerkschaft oblag, erforderlichen Mittel von seiten des Unternehmens beizustellen.

Diese Verschiedenheit zwischen der gegenwärtigen amerikanischen und österreichischen Einstellung findet in der geschichtlichen Entwicklung ihre Erklärung.

Hiebei sind drei Zeitabschnitte: die kapitalistische, die autoritäre und die Zeit der Direktoren zu unterscheiden.

1. In der kapitalistischen Zeit setzt sich die Trennung von Eigentum und Verwaltung erst schrittweise durch und führt so allmählich zur Ausbildung einer neuen Gesellschaftsklasse, die seit Burnham einheitlich als manager bezeichnet wird. Die kapitalistische Periode reicht in Österreich bis zum Zerfall der Donaumonarchie und in den Ausläufen bis 1934.

2. Die autoritäre Periode endigt mit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes 1945 und wird

3. von der Periode der Manager und Direktoren abgelöst, in der wir uns gegenwärtig befinden.

In der kapitalistischen Periode war der Direktor zunächst Stellvertreter des konkreten Prinzipals, in dessen Rolle er soeben getreten war. Noch geben in der Wirtschaft schon durch das Gewicht und den Klang ihres Namens jene Persönlichkeiten den Ausschlag, deren Altvordern in Generationenfolge ein angesehenes Unternehmen aufgebaut hatten, dem sie als Eigentümer oder Präsident und Majoritätsbesitzer vorstehen. Der Direktorenvertrag aus dieser Zeit reproduziert die Elemente der. Prinzipalstellung. So wie dieser Abhebungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts vornahm, wurde dem Direktor ein Gehalt ausgesetzt, das jedoch in seiner materiellen Bedeutung weit hinter der Gewinnbeteiligung zurückbleibt. Daneben werden zur Sicherung einer entsprechenden Repräsentation zumeist eine standesgemäße Dienstwohnung und ein Wagen beigestellt.

Staatenzerfall, Geldentwertung und Wirtschaftskrise beschleunigen das Tempo des Prozesses der Vergesellschaftung während der Zwischenkriegszeit in unheimlicher Weise. Durch die Umwandlung eingefrorener Kredite in verantwortliches Kapital erweitern sich die für die österreichische Wirtschaft seit jeher charakteristischen Konzernbildungen der Banken, innerhalb derer der Eigentümer noch weiter von der betrieblichen Front zurückweicht und bald vom Staate abgelöst wird. Im Konzernverhältnis bildet sich die erste Hierarchie der Manager.

Inzwischen waren die „manageriellen Funktionen differenzierter, komplexer, spezieller und für den gesamten Produktionsprozeß bedeutsamer geworden“ (Burnham). Der Fachmann dominierte und wo der Eigentümer noch in der Führung geblieben war, zog er sich auf eine repräsentative Rolle zurück.

Das autoritäre Regime des Nationalsozialismus bemächtigte sich sofort der Direktoren, die numehr als Betriebsführer weitgehend der Zielsetzung von Staat und Partei dienstbar gemacht wurden. Zwar an der äußeren Form der Verträge änderte sich wenig: Gehalt und Gewinnbeteiligung bleiben tragende Elemente. Aber unter diesem Klischee vollzog sich eine tiefgehende Umwandlung des Aufgabenbereiches. Leistungssteigerung um jeden Preis und nach Eintritt in den Kriegszustand Befriedigung des Rüstungsbedarfs wurde als entscheidend angesehen. Als Mittel zur Erreichung dieses Zweckes diente jene Werkspolitik, die hier durch die Anführung der Worte: Betriebsgemeinschaft, „Schönheit der Arbeit“, Arbeiterehrung, Freizeitgestaltung, „Kraft durch Freude“ usw. gekennzeichnet werden soll.

Der Leitungswechsel nach dem Zusammenbruch führte im Zusammenwirken mit der natürlichen Reaktion dazu, bewußt an die Entwicklung des Jahres 1934 anzuknüpfen. Die logische Folge war die Rückverlegung des sozial-reformerischen Schwerpunktes aus dem Betriebe heraus in die Gewerkschaft, die in der Schaffung des zentralen, das ganze Bundesgebiet umfassenden Gewerkschaftsbundes ihren sinnfälligen Ausdrude fand.

Trotz dieser Restauration ist jedoch' der Direktorenvertrag unserer Zeit keineswegs eine Fortsetzung des kapitalistischen Typs, sondern etwas grund sätzlich Neues, was sich vornehmlich auf drei Gebieten zeigt: a) in einer wesentlichen Verflachung des Gehalts, einer Folge der durch den vorangegangenen Krieg verbrauchten Wirtschaft, des Steuersystems, das mit noch nie dagewesenen Progressionen arbeitet und jede Überwälzung verbietet, nicht zuletzt jedoch auch in einer Folge der Mentalität jener öffentlichen Funktionäre, die über die weitverbreiteten öffentlichen Verwaltungen und innerhalb des Sektors der verstaatlichten Unternehmungen bestimmenden Einfluß gewinnen; b) in einem übergehen von der Gewinntantieme auf eine von dem ausgewiesenen Ertrag losgelöste Remuneration, die gewöhnlich mit einem Mindestbetrage gewährleistet und auch nach oben hin begrenzt wird. Die Gewinntantieme war das letzte rein unternehnier-mäßige Element, das die Vorstellung der Partnerschaft des „Fürsicharbeitens“ aufrecht erhielt. Die Remuneration bricht mit dieser Vorstellung und führt zu einer Abhängigkeit vom Aufsichtsrat und anderen übergeordneten Stellen; c) in der Ausgestaltung der Vorsorge für die Risiken des Alters und Ablebens durch Zusicherung von Ruhe- und Versorgungsgenüssen. In der kapitalistischen Periode konnte man dem Direktor die Vorsorge für seinen Lebensabend selbst überlassen; ja, er hätte wahrscheinlich eine Pensionsversorgung als unstandesgemäß empfunden. Heute verhindert die Steuergesetzgebung die Ansammlung der hlefür erforderlichen Kapitalien und so stellt sich die Aufteilung der Bezahlung in einen sofort fälligen Gehalt und eine aufgeschobene Pension als eine dem Steuerdruck folgende Ausweichaktion dar.

Daneben macht sich der zunehmende staatliche und gewerkschaftliche Einfluß auf die Wirtschaft, die Durchsetzung der fachmännischen Führungsstäbe mit politischen Vertrauenspersonen bemerkbar, die mit ihrer nivellierenden Tendenz die Unabdingbarkeit der Persönlichkeitswerte, auf deren Grundlage letzten Endes die individualistische Wirtschaftsauffassung beruht, erschüttern, wobei ihr die vorangegangenen, aus rassischen oder politischen Motiven erfolgten Diskriminierungen Vorarbeit geleistet haben.

Durch die Verstaatlichung des maßgeblichen Teils der österreichischen Wirtschaft hat die Hierarchie der Direktoren eine weitere Ausbildung erfahren. In diesem Konzern befehlen über den Direktore der einzelnen Unternehmungen die Direktoren der Holdinggesellschaften, über welche als dritte Instanz die Beamten des zuständigen Ministeriums zur Leitung berufen sind. Dort, wo das Großunternehmen selbst wieder ein Konzern ist, baut sich über der betrieblichen Front eine vierstöckige Kommandobrücke auf. So weit haben wir uns von dem Prinzipaltyp der kapitalistischen Periode bereits entfernt. Die Brücke nach oben, die den'Direktor, wenn auch nur über das formale Gerüst eines Aufsichts-rates mit einem Patronanzkapital verband, ist abgebrochen und er sieht sich der sich bedrohlich verengenden Schere von Gewerkschaft und Staatskapitalismus entgegengetrieben, die unausweichlich zur .Überleitung“ in einen pragmatisierten Beamtenstatus führt.

Dabei gäbe die soziologische Entwicklung dem Direktor gerade jetzt die Chance einer schärferen gesellschaftlichen Profilierung. Die schrittweise Amalgierung der Arbeiter und Angestellten in einen einheitlichen Stand der Beschäftigten, die in der fortschreitenden Technisierung und der hiedurch bedingten Annäherung der Funktionen geistiger und manueller Arbeiter begründet ist, löst die Direktoren, die bisher nur eine Spitzengruppe der Angestellten bildeten, aus der Masse der Werktätigen heraus. Man wird künftig nicht mehr zwischen Angestellten und Arbeitern, sondern zwischen Direktoren und Beschäftigten unterscheiden, und es ist zweifellos, daß auch das Arbeitsrecht' dieser Entwicklung im Abstände folgen wird.

Die Bedeutung dieser neuen Abhebung kann nicht in einem von oben erteilten Auftrag, sondern nur in der Organisierung des Kapitals zur Schaffung von Arbeit und Brot im weitesten Sinne gesucht werden. Diese Funktion allein gibt dem Direktor die so wichtige Bestätigung von unten her und der Rahmen, in dem sich diese neue Gesellschaft autbaut und befestigt, kann nur der Betrieb sein. Wenn wir heute eine Krise der Persönlichkeit haben, so haben wir diese zum Teil selbst verschuldet, indem wir kostbare Zeit mit fruchtlosen Appellationen an die Vergangenheit versäumten.

Das Rad der Geschichte ist seit 1938 nicht stillgestanden und läßt sich nicht zurückdrehen, über den Ozean dringt zu uns die Botschaft einer neuen optimistischen Arbeitsauffassung, die bei Aufrechterhaltung der freien Marktwirtschaft fit dem Manager eine lebende Brücke der Verständigung zwischen Kapital und Mensch, ein Mittel zur Aussöhnung der Gegensätze und zur Absorbierung der angesammelten Giftstoffe erblickt. Das Betriebsinteresse soll in dem Arbeitsmann durch leichtfaßliche Geschäftsberichte erweckt und das Gefühl der Zusammengehörigkeit durch Werkszeitschriften gepflegt werden. Dem gleichen Zweck dienen Ehrungen von Arbeits-jubilaren, während durch die Gewährung von Leistungsbonussen vorhandene Arbeitsreserven erschlossen werden sollen. Es sind dies Einrichtungen, die zum Teil auch bei uns bestehen oder bestanden; der Unterschied liegt jedoch darin, daß sie heute in den USA bewußt in den Dienst einer von den Managern getragenen Werkspolitik gestellt werden.

Freilich sind die Gegebenheiten in beiden Ländern grundverschiedene. Dort eine Wirtschaft mit unerreichter Produktivität mit für unsere Verhältnisse noch immer erstaunlich geringen sozialpolitischen Bindungen, mit einem Gewerkschaftswesen, das, auf dem Boden der freien Marktwirtschaft stehend, für ein starkes Unternehmertum eintritt. Bei uns ein Land, das vor der Hinüberführung seiner Wirtschaft in eine selbständige und vor der Notwendigkeit weitgehender Rationalisierungen und den dadurch ausgelösten schwerwiegenden Personalproblemen steht; Aufgaben, deren jede für sich betrachtet, eine innerpolitische Probe darstellt, die eine Mobilmachung sämtlicher in der Gesellschaft ruhender neutralisierender Kräfte erfordert.

Es soll hier den Gewerkschaften weder der ehrliche Wille zur sozialen Integration noch die auf diesem Gebiet bereits erworbenen Verdienste abgesprochen werden; die vor uns liegenden Aufgaben dürften jedoch eine Vervielfachung der vermittelnden Kräfte erfordern.

Ob also nach dem amerikanischen Vorbild außer den Gewerkschaften die Direktoren neben ihrer fachlichen Tätigkeit in stärkerem Maße als bisher zur Befestigung der künftigen Gesellschaftsordnung berufen werden sollen, möge hier nur mit einem Gleichnis beantwortet werden, das selbst wieder in eine unserer Ansicht nach allerdings nur rhetorische Frage mündet: daß in unserem Lande auf dem Wege der öffentlichen Wohnbautätigkeit schon Großes geleistet wurde, ist bekannt; trotzdem bleibt das Gesamtergebnis unbefriedigend und die Frage offen, ob man bei Anwendung der Mittel der modernen Technik und Organisation nicht ein Vielfaches von dem lobenswert Geschaffenen durch die Mobilisierung der Privatinitiative erreicht hätte.

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