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Die Ehe auf ebener Erde

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Untersuchungen über geltende Rechtsvorschriften oder über Vorschläge zur Abänderung bestehender Gesetze gehören grundsätzlich in entsprechenden Fachzeitschriften veröffentlicht. Ausnahmen von dieser Regel sind jedoch gerade im modernen Verfassungsstaat Zu beachten. Artikel 1 unseres Bundesverfassungsgesetzes bestimmt, daß alles Recht vom Volke ausgeht, sei es — wie anschließend näher ausgeführt wird — im Wege der parlamentarischen Gesetzgebung, sei es im Wege der Volksabstimmung. Das Volk muß daher den Inhalt der Rechtsordnung, in der es lebt, wenigstens in den Grundzügen kennen; es sollte das zumindest. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann der einzelne Staatsbürger in bewußter Weise an der Rechtsgestaltung mitwirken.

Freilich darf dieser Gedanke nicht fibertrieben werden. Es gibt ein breites Feld der Gesetzgebung, in dem es mehr um rechtstechnische Fragen geht, Bereiche der Rechtssetzung, in denen es im Sinne des rechtsstaatlichen Prinzips nur darauf ankommt, die Staatsorgane überhaupt durch bestimmte Vorschriften zu binden. Der Inhalt der Regelung an sich, in welcher Weise zum Beispiel Dienstautos nach außen gekennzeichnet werden sollen, ist eine bloße Frage der Zweckmäßigkeit. Hier findet die Mitwirkung des Volkes eine natürliche Grenze. Aber die Tatsache, daß sehr viele Bereiche der Rechtsgestaltung „jenseits von Gut und Böse“ liegen, darf nicht irreführen. Jede Rechtsordnung hängt an moralischen Überzeugungen und gesellschaftspolitischen Grundhaltungen. Diese mögen in der einzelnen Rechtsordnung nicht ausdrücklich formuliert sein: als Rechtsgedanken sind sie auffindbar und in ihrem Dasein nicht zu leugnen.

• Die Idee von der Mitwirkung des Volkes an der Rechtsgestaltung erleidet also bei der Verwirklichung ge-

wisse Einbußen. Eine ins Auge gefaßte gesetzliche Regelung wird jedoch um so mehr die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes hervorrufen müssen, je mehr bestehende, eingelebte moralische Anschauungen und gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidungen betroffen sind, je mehr der Staat mit der beabsichtigten Gesetzesbestimmung eine vom bisher üblichen abweichende Gestaltung des Gemeinschaftslebens anstrebt. Ist in den tatsächlichen Zuständen eine solche Änderung eingetreten, die eine bestehende Regelung unzweckmäßig erscheinen läßt; entspricht die vorgeschlagene Regelung den hergebrachten Gerechtigkeitsauffassungen; ist eine gesetzgeberische Maßnahme zwar allenfalls erforderlich, könnte ihr Zweck aber mit anderen Mitteln besser erreicht werden; toleriert eine als erforderlich vorgeschlagenen Vorschrift eine Entwicklung, die in Wahrheit eher keiner gesetzlichen Förderung würdig wäre? Bei allen diesen sich aufdrängenden Fragen genügt es nicht, wenn nur ein enger Kreis von Fachleuten überlegt, ob der beabsichtigte neue Rechtszustand zweckmäßig wäre oder nicht; bei Grundsatzfragen muß durch eine möglichst breite Diskussion dem ganzen Volk nahegebracht werden, worum es geht.

Das Bild der Ehe wird verändert

Überlegungen dieser und ähnlicher Art erzeugt unweigerlich die vor wenigen Tagen dem Nationalrat übermittelte Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz über die Neuordnung des gesetzlichen Erbrechtes des Ehegatten und des gesetzlichen ehelichen Güterstandes. Die Regelung verändert die vermögensrechtliche Stellung der Ehegatten zueinander, beeinflußt daher das uns überkommene Bild der Ehe und berührt die moralischen Grundlagen der Rechtsordnung. Eine Auseinandersetzung der in Aussicht genommenen neuen Regelung ist daher geboten.

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liehe Stellung der Ehegatten erwägenswert. Etwas anderes ist es mit den güterrechtlichen Bestimmungen, welche die Regierungsvorlage enthält. Hier bedarf es vor einer Zustimmung oder Ablehnung eingehender Überlegungen. Auszugehen ist von einem Umstand, den die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage nicht erwähnen. Zur Zeit, als das eheliche Güterrecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch niedergelegt wurde, war fast jede Ehe dem Bande nach unauflöslich. Der Gesetzgeber konnte daher von der Ehe als einer grundsätzlich lebenslangen

Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau ausgehen. Eine eingehende Regelung über das rechtliche Schicksal der vom Mann und von der Frau eingebrachten Vermögenswerte, das sogenannte eheliche Güterrecht, war daher entbehrlich. Im Zweifel vermutete das Gesetz — der seinerzeit allgemein verbreiteten Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau entsprechend —, daß die Frau dem Mann die — jederzeit widerrufliche — Verwaltung des von ihr in die Ehe eingebrachten Vermögens überlassen und daß im Zweifel ein während der Ehe erfolgter Erwerb vom Manne herrühre. Dem Mann wurde weiters die Rechnungslegung über die Zinsen des verwalteten Kapitals der Gattin mangels anderer Regelung vom Gesetz erlassen, einerseits wohl, weil diese Mittel als Beitrag zu Eheführung angesehen wurden, anderseits, um Streitigkeiten zwischen Ehegatten zu vermeiden. Die Frau kann jedoch nach der gegenwärtigen Regelung entweder von vornherein durch Ehepakte die vermögensrechtlichen Beziehungen zu ihrem Gatten regeln, sie kann ihrem Gatten auch jederzeit die Befugnis zu Verwaltung ihres Vermögens entziehen.

Einem Mißbrauch durch den Mann bei der Verwaltung des Frauenvermögens sind also schon nach der gegebenen Rechtslage enge Grenzen gesetzt. Der Entwurf vermeint aber, hier neue Wege vorschlagen zu müssen. Die vom Gesetz im Zweifel vermutete Vertretungsbefugnis des Mannes und die Vermutung, daß im Zweifel ein während der Ehe getätigter Erwerb vom Manne stamme, sollen beseitigt werden. Die Eingehung einer Ehe soll daher vermögensrechtlich grundsätzlich unbeachtlich sein. Jeder Eheteil würde dann sein Vermögen weiterhin wie vor der Ehe selbst verwalten. Anschaffungen würden dem Eheteil zufallen, der sie unter Verwendung seines Vermögens im eigenen Namen getätigt hat.

Nun ist jede echte Ehe — man mag die eben wiedergegebenen Vorschläge an sich als zweckmäßig ansehen oJer nicht '—eine so innige Lebcn^emein-schaft, daß es unweigerlich während der Ehe zu einer gewissen Vermengung von Vermögenswerten der beiden Ehegatten kommen wird. Auch ist es nicht auszuschließen, daß eine unentgeltliche Mitwirkung des einen Ehegatten an der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten, wie zum Beispiel die Führung des Haushaltes, die Pflege und Erziehung der Kinder oder ein sonstiger Beistand, bloß das bereits bei Eingehung der Ehe vorhandenes Vermögen eines der Ehegatten vermehrt. Wenn es dann zur heute zivilrechtlich zulässigen Scheidung im Sinne

einer Trennung der Ehe dem Bande nach kommt, fällt auf den einen Ehegatten der gesamte „Zugewinn“,, der andere Ehegatte geht leer aus, wenn nicht der Nachweis gelingt, daß der betreffende Erwerb nicht vom Manne oder zumindest nicht von diesem allein herrührt. War der Mann der unternehmerische Teil, die Gattin nur die mithelfende Kraft, aber auch wenn beide Eheteile unselbständig tätig sind, so kann sich die bestehende Regelung zweifellos sehr zum Nachteil der Frau auswirken. Man denke an den Erwerb eines Autos oder eines Sommerhauses, wenn diese Anschaffungen nur dank der finanziellen Mithilfe der Frau aber erst möglich waren.

Die eben dargelegten Umstände sind dem Gesetzgeber bei seinem Vorhaben einer neuen Regelung des ehelichen Güterrechts wohl bewußt. Es ist geradezu die ausgesprochene Absicht des Entwurfs, nunmehr eine Lage zu schaffen, die bei einer Trennung des Ehebandes unter Lebenden eine dadurch bedingte vermögensrechtliche Benachteiligung eines der Ehegatten ausschließt.

Die Regierungsvorlage geht von der

Annahme aus, daß ein Ehegatte im allgemeinen zum Vermögenszuwachs des anderen in irgendeiner Weise beiträgt. Bei Auflösung der Ehe sollen nun die Zuwächse der beiden getrennt verwalteten Vermögen der Ehegatten miteinander verglichen werden. Übersteigt der Zuwachs des einen Vermögens den Zuwachs des anderen Vermögens, soll dieser Unterschied ausgeglichen werden: der Unterschied im Zuwachs der beiden Vermögen ist zu halbieren und der so gefundene Wert vom begünstigten Eheteil dem anderen zu ersetzen. Der Hausrat, die Ehewohnung (auch Genossenschafts- und Eigentumswohnungen), die persönlichen Kleidungsstücke bleiben hiebe! außer Betracht. Die Frage, aus wessen Verschulden die Ehe aufgelöst wird, soll Beweislastverschiebungen zugusten des schuldlosen Teils bewirken.

Die Güter und das Gut.

Ein näheres Eingehen auf Einzelheiten der geplanten neuen Regelung des ehelichen Güterrechtes würde nicht mehr dem Zweck der hier angestellten Überlegungen dienen, nämlich der Antwort auf die Frage, ob die ins Auge gefaßte Gesetzesänderung ein unserer Rechtsordnung zugrunde liegendes moralisches Anliegen zwar berührt aber nicht beeinflußt, fördert oder behindert. Sprechen wir zunächst bloß von der gerechten Verteilung des Zugewinns bei Auflösung der Ehe unter Lebenden, so ist den Überlegungen der Regierungsvorlage sicherlich eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen. Fast ist man verleitet, auf eine gewisse Abschreckung allzu scheidungsfreudiger f Männer zu hoffen, wenn ? diese; nunmehr. eine unter Umständen erhebliche Geldleistung aus ihrem Vermögen an ihre Gattin als Ausgleich des Zugewinns erbringen müßten. Aber dieser Schluß dürfte doch täuschen. Hat ein Mann es zu Vermögen gebracht, dann muß er schon nach der jetzigen Rechtslage einen entsprechend hohen Unterhalt zahlen, der sich in Zukunft im Hinblick auf eine erfolgte Ausgleichszahlung sogar verringern könnte. Überdies schützt auch die geplante Regelung die Ehegattin nicht von langwierigen Rechtsstreiten, wenn der Gatte nicht freiwillig den „Zugewinn“ herausgibt,

mag das Verfahren auch formell „außerstreitig“ sein.

Alle diese Überlegungen entbehren noch der letzten Vertiefung zum Wesen der Ehe. Der Gesetzesentwurf spricht immer nur von den Gütern i n der Ehe. Er spart aber das Gut der Ehe aus, den Charakter der Ehe als einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau zur Wartung des Kindersegens und um einander gegenseitig Beistand zu leisten. Der Sinn für dieses Gut der Ehe ist uns verlorengegangen.

Der Entwurf mag in einzelnen Punkten gut und begrüßenswert sein. In seiner Gesamtheit ist er ein verfehltes Beginnen^ Zuerst,- muß .nämliejjf der •Gesetzgeber -wiedei den vollkommenen Begriff, fjbjfa BP%#T; I^J^efleji. wie das bereits irr der „Furche“ (Nr. 1, 1963) unter .dem Titel „Mitsprächerecht der Kirche“ ausgeführt worden ist. Das ist der Regierungsvorlage als dringend einer Regelung bedürftig dargestellte. Problem des ehelichen Güterrechts ist nur eine Folge der leichten Scheidbarkeit jeder Ehe. Eine Regelung im Sinne der Regierungsvorlage verstellt daher die Aussicht auf die erforderliche. Bereinigung der Eherechtsfrage, Das Gut der Ehe steht höher als die Güter in der Ehe. Darauf sei die Volksvertretung bei Beratungen der Regierungsvorlage eindringlich hingewiesen.

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