Die Engelsgeduld der Dora Deutsch

Werbung
Werbung
Werbung

Endlich Sommer! Für Claudia S. kein Grund zur Freude. Denn während sich das Gros der Bevölkerung über die frühsommerlichen Temperaturen freut und sich im Schwimmbad suhlt, büffelt die 18-Jährige fleißig für ihre Matura. Ihr (nahezu) einziger Ansprechpartner in dieser harten Zeit ist - ihr Computer. Denn wenn sich Claudia im Daten-dschungel von Sinus und Cosinus, Syntax & Co. zu verirren droht, steigt sie aufs virtuelle Surfboard und taucht ein in die Tiefen des World Wide Web - in den Hausaufgabenchat der Nachhilfe-Site www.learnetix.at von Österreichs größtem privaten Schulbuchverlag Veritas.

"Hat jemand ne Ahnung, wie man die Fläche zwischen einer Funktion und der x-Achse berechnet?", "Hilfe, was heißt thirst-punching?" oder "Was bitte schön ist ein Hendiadyoin?" - so klingt hier der ganz normale Wahnsinn. Im Hausaufgabenchat (von Montag bis Freitag von 15 bis 17 Uhr) bieten jeweils ein Tutor für Deutsch, Englisch und Mathematik ratlosen Schülern ihre Hilfe an. Kostenlos und anonym, der Schüler kann also auch zehn Mal dieselbe Frage stellen - ohne sich schämen zu müssen. Wem das nicht genügt, der kann zusätzlich "Privatunterricht" nehmen: Für knapp 200 Schilling pro Monat kann man sich dabei von Dr. Mathe, Dora Deutsch und Super James e-Mail-Anfragen innerhalb von 24 Stunden (bei Anfragen bis 17 Uhr kommt die Antwort sogar noch am selben Abend) beantworten oder Hausaufgaben überprüfen lassen. Darüber hinaus gibt es einen persönlichen Lernraum mit interaktiven Arbeitsblättern, Wissensarchiven und Nachschlagewerken sowie einen umfangreichen "Fun-Bereich" - und für Maturanten einen eigenen "Abitrainer". Einziger Wermutstropfen: Hinter Dr. Mathe, Dora Deutsch und Super James steckt ein Lehrerteam aus Deutschland. Sämtliche Aufgaben und Arbeitsblätter sind jedoch auf die heimischen Lehrpläne abgestimmt.

Spitzenreiter Mathe Mittlerweile nehmen - so Gertrude Öllinger von Veritas - mehr als 100.000 registrierte User (aus Deutschland und Österreich) mehr oder weniger regelmäßig die virtuelle Nachhilfe in Anspruch. Unangefochtener Spitzenreiter bei allen Anfragen ist - wie auch bei den traditionellen Nachhilfeinstituten - der "Furchtgegenstand" Mathematik.

"Die Schule reagiert manchmal zu langsam", erklärte Veritas-Marketingchef Manfred Meraner schon beim Österreich-Start im Juni des Vorjahres, "wir holen die Kids ab, wo sie stehen".

Auf den Zug ins World Wide Web längst aufgesprungen ist nicht nur die so genannte Internet-Generation - auch immer mehr Erwachsene setzen verstärkt auf "Bildung mittels Bits and Bytes". Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich nach jedem Urlaub felsenfest vorgenommen hatte, nun aber endlich die Landessprache zu lernen - und später sämtliche guten Vorsätze wegen Zeitmangels wieder ad acta legte. Denn: Mussten früher oft lange Anfahrtswege in die nächste Volkshochschule in Kauf genommen werden, so muss man im Zeitalter der CD-ROMs nicht einmal die eigenen vier Wände verlassen, um einer Fremdsprache binnen kürzester Zeit Herr zu werden. Ein Knopfdruck genügt und schon raunt einem die Computerstimme ein freundliches "Willkommen, bienvenue, welcome" zu.

"In den letzten Jahren bemerken wir einen deutlichen Aufwärtstrend bei sämtlichen Sprachkursen, vor allem bei Spanisch", berichtet ein Mitarbeiter der Amadeus-Filiale in der Wiener Mariahilferstraße, "besonders gefragt sind Kurse auf CD-ROM mit begleitendem Anschauungsmaterial". Zunehmend wichtiger würden auch die so genannten "Fachsprachen" wie Wirtschaftsenglisch oder -spanisch. "Man merkt einfach, dass im Zeitalter der Globalisierung Sprachen immer wichtiger werden." Einziger Nachteil in der schönen neuen Sprachenwelt: Kaum jemand kann im Dickicht an (Sprach-)Lernsoftware noch die Spreu vom Weizen trennen. (Einen hilfreichen Überblick - und über 1.000 Kursangebote - finden Interessierte jedoch auf www.academy4me.com.)

Unersetzbare Lehrer Sind die Neuen Medien also ein Paradies für hilfesuchende Schüler, egal welcher Altersgruppe? Die Vorteile liegen auf der Hand: Der (Nachhilfe-)Lehrer kommt kostenlos ins Haus, hat einen endlosen Geduldsfaden, deckt ein breites Themenspektrum ab - und all das über ein Medium, dessen Attraktivität vor allem junge Leute, die sonst keine unbändige Lust zu lernen haben, in seinen Bann zieht.

Dennoch wollen die Unkenrufe bezüglich E-Learning nicht verstimmen. Häufigstes Argument: Der Computer kann keinen Menschen ersetzen. Stimmt. Soll er auch nicht. "Kein Computer kann einen Lehrer oder Nachhilfelehrer ersetzen", bekräftigt Dagmar Heindler, Österreich-Koordinatorin des heurigen Europäischen Jahrs der Sprachen. "Das bedeutet aber nicht, dass die Neuen Medien nicht sinnvoll eingesetzt werden könnten. Ebenso wie bei einem ,echten' Lehrer erkennt man auch ein gutes Lernprogramm an der Rückmeldung, die der Schüler bekommt."

Wichtigster Faktor beim Umgang mit den Neuen Medien sei die Eigenmotivation und das selbstgesteuerte Lernen des Schülers. "Der Schüler muss in sich hineinhören und überlegen, ob er mit diesem Programm seine Ziele erreichen kann, wie es also sein Lernen unterstützt", so Heindler.

Ein Nachteil liegt aber mit Sicherheit in der Vielfalt des Netzes: Schließlich ist es beim Surfen in den unendlichen Weiten des World Wide Web nur ein kurzer Klick von sinnvollen Lernseiten hin zu Chats, Spielen und allerlei Sites zweifelhaften Ursprungs.

Links www.learnetix.at www.durchstarten.at www.academy4me.com www.easylearning.at www.nachhilfe-online.com www.nachhilfe.co.at www.schule.at www.klett-training.de

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung