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Die Familienkrise

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Ehe, Familie und Heim — das waren die ersten Werte, die ein destruktiver Geist zerstörte —, ist es da ein Wunder, wenn eine Generation die andere an sittlicher Entartung und Schuld übertraf? Die Familie ist der Mutterschoß, in dem die neue Generation heranwächst. Da kann es keine Ueber-raschung mehr sein, wenn in der Jugend schwererziehbare Psychopathen und psychopathische Kriminelle dominieren.

Wenn wir gegenwärtig von einer Familienkrise sprechen können, so haben wir für eine solche als Wurzeln festzustellen:

1. Den Autoritätsverlust des Familienvaters.

2. Das Ueberhandnehmen der außerhäuslichen Frauenerwerbsarbeit.

3. Die zunehmenden Erziehungsschwierigkeiten der Kinder, die auf gesteigerten Lebensansprüchen der Kinder beruhen, Ansprüchen, die sich bis zum Lebenshunger, geradezu zur Lebensgier steigern, besonders bei verwöhnten einzigen Kindern. Die Eltern sind dieser Belastung nicht mehr gewachsen, die heute schon ein Kind mit sich bringt.

Auch der Priestermangel unserer Zeit, über den der Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe klagt, ist eine Folge der Abnahme kinderreicher Familien. Selbst katholische Eltern entschließen sich nur schwer, den einzigen Sohn Priester werden zu lassen; ganz abgesehen davon, daß in der veränderten Atmosphäre der Familie von heute Priesterberufungen nur schwer gedeihen.

Nicht die letzte Ursache der Familienkrise ist die zunehmende erotische Schwängerung der gesamten Lebensatmosphäre.

So ertönt denn schon allenthalben der Ruf „Rettet die Familie!“ Was hat praktisch zu geschehen, welche Maßnahmen des „Familienschutzes“ sind die dringendsten für eine „Familienpolitik“, die mehr sein will als bloße „Bevölkerungspolitik“? Aus einer Fülle von. bequemen und billigen Vorschlägen sogenannter „kleiner Begünstigungen“ (wie Schulgeld-, Fahrt- und Steuerermäßigungen usw.) bleiben als ernstzunehmende Maßnahmen nur jene übrig, die bereits die Enzykliken „R e r u m n o v a-r u m“ und „Q u a d r a g e s i m o anno“ gefordert haben: Familienlohn und -lastenausgleich.

Der Begriff des Familienlohnes wird leider noch immer falsch definiert.: Als wenn der Lohn sich automatisch mit der Geburt jedes Kindes erhöhen müßte. Eine Erfüllung dieser Forderung müßte sich für die Familie nur schädlich auswirken, denn wenn der Arbeitgeber dem kinderreichen Arbeitnehmer bei gleicher Leistung mehr Lohn zu zahlen hätte,' so würde der Familienerhalter als zu teure Arbeitskraft als erster seine Arbeit verlieren. — Der richtige Begriff des „Familienlohnes“ besagt, daß jeder erwachsene und vollbeschäftigte Arbeiter nicht nur einen Lohn zu beanspruchen hat, der nur für ihn ein Existenzminimum gewährt; vielmehr muß der Lohn, um ein gerechter Lohn zu sein, ausreichend sein, um eine Familie zu begründen und eine Familie von Durchschnittsgröße zu erhalten. Diesen Lohn fordert die bloße Lohn- und Verkehrsgerechtigkeit (iustitia commutativa). Mit diesem Familienlohn würde nun aber der Ledige und Kinderlose mehr erhalten als seiner sozialen Leistung entspricht. Daher ist er auf Grund der sozialen Gerechtigkeit für eine Familienlastenausgleich s-kasse beitragspflichtig, und jeder, der mehr Familienmitglieder zu erhalten hat, alsderDurch-schnittsgröße entspricht, ist dann anspruchsberechtigt. Da bei der gegenwärtigen Lage die Zahl der Beitragspflichtigen die der Anspruchsberechtigten um ein Mehrfaches übertrifft, ist es klar, daß bei relativ geringen Beiträgen relativ hohe Kinderzulagen gewährt werden können. Wesentlich ist hierbei, daß diese Kinderzulagen nicht wie bisher vom Staat, der Gemeinde oder von privaten Arbeitgebern gezahlt werden, sondern daß der Lastenausgleich nur innerhalb der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung erfolgt. .

Der Ruf „Rettet die Familie“ hat in zahlreichen Ländern, wie in Frankreich, Belgien, der Schweiz, schon zu praktischen Maßnahmen der bezeichneten Art geführt, die sich trefflich bewähren. Selbst die ursprünglichen Gegner dieser Maßnahmen sind zu ihren Anhängern geworden und haben sich überzeugt, mit wie wenig kostspieligen Maßnahmen sich Großes leisten läßt.

Selbstverständlich muß man sich der Grenzen bewußt bleiben, innerhalb deren rein materielle Hilfsmaßnahmen für die Familie wirksam sein können. Sie können nur der materiellen Not steuern. Sie können verhindern, daß die Familie nur durch ihre Kinderzahl der Proletarisierung .als unvermeidbarem Schicksal preisgegeben ist, und sie können auch bewirken, daß die Familie sich wieder auf ihren sozialen Wert besinnt und nicht mehr „dem Spott und der Verachtung preisgegeben“ ist (Pius XI.). Freilich ist mit der Abhilfe der materiellen Not noch lange nicht alles getan: „Quadragesimo anno“ erweist zugleich mit der Zuständereform auch die Sittenbesserung als notwendige Voraussetzung einer dauernden Sanierung der Notstände.

Man hat gegen den Ruf „Rettet die Familie“ eingewendet, die Familie als solche könne ja nicht untergehen, weil sie allzu tief in der menschlichen Natur selbst begründet liegt. Gewiß: die natürliche Familie ist nicht umzubringen. Aber die christliche, die religiöse Familie ist gefährdet wie nie zuvor. Sie bedarf der Rettung und der inneren Erneuerung. Mit ihr ist die gesamte Kulturwelt des Abendlandes gefährdet; diese steht und fällt mit der christlichen Familie.

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