6727185-1965_36_15.jpg
Digital In Arbeit

Die Hand am Puls der Zeit

Werbung
Werbung
Werbung

Die Diözese St. Pölten, die im wesentlichen die beiden Viertel „Ober dem Manhartsberg“ und „Ober dem Wienerwald“ umfaßt, ist ihrer Ausdehnung nach etwas größer als die Erzdiözese Wien, der Seelenzahl nach erreicht sie aber mit ihren rund 630.000 Menschen nur ein Drittel der Seelenzahl der Erzdiözese. Anderseits weist die Diözese ein dichtes Pfarrnetz auf. Zum Vergleich darf ich die Diözese Graz-Seckau heranziehen, wo auf rund eine Million Menschen 380 Seelsorgestellen kommen, während die Diözese Sankt Pölten 418 Pfarreien zählt. Die relativ hohe Anzahl an Pfarreien mit nur 500 bis 800 Seelen stellt für die Besetzung dieser Seelsorgestellen und für den Priesternachwuchs an die Diözese hohe Anforderungen. Auf einen Priester entfallen in unserer Diözese durchschnittlich 900 Seelen. Obwohl Ich den Priesternachwuchs im allgemeinen als zufriedenstellend bezeichnen möchte, muß ich dennoch eingestehen, daß bereits 18 Pfarreien, meist unter 500 Seelen, von einer Nachbarpfarre mitprovidiert werden müssen. Die moderne Seelsorge verlangt viel mehr Priester für Spezialaufgaben als in früheren Zeiten. Die Sorge um einen genügenden Priesternachwuchs hat im heurigen Jahr zur Errichtung eines neuen Knabenseminars in Zwettl geführt, das nun mit den beiden schon bestehenden Seminaren in Melk und Seitenstetten die Garantie bieten dürfte, daß allen, die sich zum Priestertum berufen fühlen, leicht die Möglichkeit gegeben ist, an geographisch günstig gelegenen Orten ihr Studium zu beginnen. Die Frage des Priester-nichwuchses ist ein gemeinsames Anliegen des bischöflichen Seelsorgeamtes und der katholischen Laienorganisationen geworden. Eine Wanderausstellung, die um Verständnis für den Priester- und Ordensberuf wirbt, ist für den kommenden Winter vorgesehen.

Neben dem Bildungs- und Exerzitienhaus St. Hippolyt in St. Pölten, das in den vier Jahren seines Bestehens seine Notwendigkeit und Unentbehrlichkeit wohl deutlich genug unter Beweis gestellt hat, verfügt die Diözese nun auch über ein zweites Exerzitienhaus und Schulungszentrum im Stift Zwettl, für dessen Modernisierung und Ausbau die Diözese der Abtei gar nicht genug danken kann. Die Katholische Jugend, im besonderen die Jungschar, hat für die ihrer Bewegung gemäße Arbeit und Erholung das neu adaptierte Jugendhaus in St. Ägyd/Neuwald zur Verfügung. Für die Familienerholung dient das neu erbaute Franziskusheim in Mariazell. Ein besonderes Augenmerk wird die Caritas in Zusammenarbeit mit der Katholischen Aktion in allernächster Zeit der Ausbildung von Familienhelferinnen zuwenden. Für die Betreuung der Kinder im vorschulpflichtigen Alter hat die Caritas elf Kindergärten errichtet. In der Sorge um die alten Menschen, deren Arbeit und Mühe die heutige Generation nicht unwesentlich ihren Wohlstand verdankt, hat das Caritasinstitut der Diözese durch den Bau eines modernen Pensionistenheimes in St. Pölten-Wagram mutig die Initiative ergriffen, die einem großen Bedürfnis Rechnung trägt. Unter den sozialen Diensten der Diözese verdient auch die Tätigkeit des Familienfonds hervorgehoben zu werden, der seit 1958 mit 340 zinsenlosen Darlehen, meist in der Höhe von 10.000 Schilling, vor allem jungen Familien in Notsituationen beigestanden ist.

Neben dem Neubau von Kirchen und Pfarrhöfen oder deren dringender Sanierung oder Modernisierung hat die Diözese, den neuen Schulgesetzen Rechnung tragend, den Bau einer Lehrerakademie in Krems in Angriff genommen. Dieses Bauwerk zählt zu den größten der Diözese seit deren Bestand. Die Seelsorge muß zukunftsorientiert sein. Niemand wird bezweifeln können, daß katholische Lehrer wesentlich Anteil haben an der religiösen Bildung der Jugend, ja des ganzen Volkes. Wenn unlängst ein Parteifunktionär meinte, er fürchte sich vor den Lehrern, die aus dieser Akademie hervorgehen werden, dann möchte ich die Frage stellen: Vor welchen Lehrern.unserer Jugend müssen wir uns mehr fürchten, vor solchen, die sich in ihrer Erziehungs- und Lehrtätigkeit Gott gegenüber verantwortlich wissen und in ehrfürchtiger Haltung vor der persönlichen Würde des Kindes ihren Beruf ausüben, oder vor jenen, die vielleicht religionslos sind oder religiösen Dingen gleichgültig gegenüberstehen? Ich möchte niemandem nahetreten, aber doch sagen dürfen, daß wir glücklich und dankbar sein wollen, wenn unsere Kinder noch von einer gläubigen, religiös fundierten und von einem hohen Ethos getragenen Lehrerschaft unterrichtet und betreut werden. Ich hätte wahrlich Angst vor einer Zukunft, in der das nicht mehr der Fall sein könnte.

Im Dienst des Laienapostolats

Wie in allen Diözesen Österreichs, versucht auch in unserer Diözese die Katholische Aktion in ihren Gliederungen, den Einsatz der Laien zu aktivieren und sie für ihre Verantwortung im Gottesreich, vor allem für ihr lebendiges Zeugnis in Familie, Beruf und öffentlichem Leben fähig zu machen, und so die Präsenz der Kirche in allen öffentlichen und privaten Räumen wirksam werden zu lassen. Neben der Katholischen Aktion sind auch andere katholische Bewegungen und Organisationen im Sinne des Laienapostolats tätig. Vielleicht findet diese Arbeit noch immer nicht die gebührende Anerkennung und das rechte Verständnis. Wir dürfen aber aufrichtig dankbar sein für den mutigen Einsatz so vieler apostolisch gesinnter Männer und Frauen, Burschen und Mädchen in unserer Diözese. Die Wirksamkeit der Katholischen Aktion und der verschiedenen Apostolatsgemeinschaften ist einfach nicht mehr aus dem kirchlichen Leben der Diözese wegzudenken, ja es muß sich jeder Christ immer mehr klar darüber werden, daß die religiöse Entwicklung in unserem Land auch maßgeblich vom Einsatz der Laien abhängt.

Die beiden Delegiertentage der Katholischen Männerbewegung in Krems und der Katholischen Frauenbewegung in St. Pölten sowie der diözesane Jugendtag in Krems in diesem Jahr haben auch nach außenhin gezeigt, daß mit großem Ernst, echter Opferbereitschaft und mutigem Einsatz an der Verlebendigung und Verinnerlichung des christlichen Lebens, an der Gewinnung Fernstehender und Irregewordener, an der Verwirklichung des Gottesreiches in unserer Zeit gearbeitet wird. Im Sinne des Konzils dürfen von der brüderlichen Zusammenarbeit der Seelsorgepriester und der aktiven Laien nach einer klugen Planung, die die gegebenen Verhältnisse realistisch beurteilt und auf das Lebensgefühl unserer Zeit Rücksicht nimmt, neue Impulse und eine Intensivierung der Seelsorge für die Zukunft erwartet werden.

Im Zentrum die Pfarrgemeinde

Einige Schwerpunkte seien noch aufgezeigt, wie sie der Katholischen Aktion unserer Diözese für ihre Tätigkeit in der nächsten Zukunft aufgetragen wurden. Während die Gliederungen der Katholischen Aktion in der Mehrzahl der Pfarren bereits aufgebaut und wirksam tätig sind, besteht noch eine Schwierigkeit darin, das Dekanat zu einem echten apostolischen Kernpunkt auszubauen. Daher wird in den kommenden Jahren besonders der Ausbau der Dekanats- und Gebietsführungsebene auf Laienseite sowie der richtige Einsatz der Dekanats- und Gebietsseelsorger ein Anliegen der Gliederungen sein müssen.

Dem Jahresthema „Brüderliche Gemeinde“ entsprechend, wird die Gemeindeebene in der Arbeit der Gliederungen sowie der gesamten Katholischen Aktion Beachtung finden. Daß die Pfarrgemeinde dabei zentraler Schwerpunkt sein wird, ergibt sich von selbst. Sie wird nfcht so sehr territorial als dynamisch gesehen werden müssen, denn rauch in Zukunft“ wird im Sinne einer Konzilsaussage die Pfarre auf dem Land und in der Stadt die aussichtsreichste Trägerin der Seelsorge bleiben. Daher wird es notwendig sein, das Pfarrprinzip zu erneuern, zu kräftigen und nach den verschiedenen Aspekten hin zu ergänzen.

Besonderes Augenmerk wird auch dem Auf- und Ausbau des Wohnviertelapostolats geschenkt werden müssen. In die Wohnviertel, beziehungsweise in die kleineren Wohnorte auf dem Land flutet ja die Aktivität und

Bewegung des Lebens an jedem Abend und jedem Wochenende zurück. Hier wachsen die lokalen Kontakte der Kinder, der Hausfrauen, der Alten sowie der Männer und der Jugendlichen, die tagsüber irgendwo in Arbeit stehen, Kontakte, die für die religiöse Integration in den kirchlichen Verband wichtig sind. Diese lokalen Kontakte sind die sozialen Bindungen, die der Pfarre den nötigen Halt geben und den notwendigen sozialen Unterbau des religiösen Lebens bilden. Im besonderen soll die Verwirklichung dieser Aufgabe in jenen Pfarren in Angriff genommen werden, in denen die bischöfliche Generalvisitation und Firmung stattfinden.

Neben der Wohnpfarre bilden die Betriebe immer mehr „Antipodenschwerpunkte“. Darum nehmen die Gliederungen der Arbeitnehmer das Betriebsapostolat zum gemeinsamen Kernpunkt ihrer Bemühungen. Im bereits fruchtbar begonnenen Zusammenwirken mit der „Vereinigung christlicher Unternehmer“ unserer Diözese soll die mittlere Führungsschicht der Betriebe als neuer Bereich der Apostolatsbewegung gesehen werden.

Da in unserer Diözese die Pendlerfrage gerade auf dem Lande immer akuter wird, beabsichtigt die Katholische Landjugend, sich in einer eigenen Studientagung mit diesem umfassenden Problem zu beschäftigen. Die beiden Delegiertentage der Katholischen Männer- und Frauenbewegung haben als einen ihrer Schwerpunkte die grundsatzpolitische Bildungsarbeit erkannt. So sollen in Verbindung mit dem Jahresthema „Brüderliche Gemeinde — Auftrag der Christen“ die Funktionäre auf Gemeindeebene, der Kammern, der Beamten des öffentlichen Dienstes, Kaufleute und Berufsschullehrer besonders angesprochen werden. Damit in Zusammenhang stehen die Fragen der Bildung einer öffentlichen Meinung als besonderer Auftrag an die Katholische Männerbewegung. Auch die Katholische Frauenbewegung erkannte die Notwendigkeit, daß das Wirken der Frau im öffentlichen Leben aufmerksamer und intensiver gesehen werden muß.

Für die Fernstehenden

In Zusammenarbeit mit dem Seelsorgeamt werden von der Katholischen Aktion mit gutem Erfolg monatlich etwa 3000 Briefe der

Katholischen Glaubensinformation kostenlos versandt. Damit können etwa 20 bis 30 Prozent religiös Fernstehender unter den Beziehern am katholischen Glaubensleben interessiert werden.

Jede Pfarre ist Kirche im Kleinen. Sie darf aber als Teilkirche die Gesamtkirche nicht übersehen. Das trifft zum Beispiel nicht nur für die Feier einer einheitlichen, lebendigen Liturgie zu, sondern auch auf das gemeinsame weltweite Denken und Sich-mitverantwort-lich-Fühlen. Die Katholische Aktion, die es natürlich auch als ihre Aufgabe sieht, die Missions- und Entwicklungshilfe zu unterstützen und zu fördern, ist mit der organisatorischen Durchführung der für alle Pfarren der Diözese verfügten Fastenaktion betraut. Das Ergebnis dieser jährlichen Aktion liegt durchschnittlich bei drei Millionen Schilling.

Diese kurze Darstellung, die natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, wollte nur bescheiden aufzuzeigen versuchen, daß auch die Diözese St. Pölten bemüht ist, die Hand am Puls der Zeit zu halten und ihre Zeichen richtig zu deuten. Freilich, Stückwerk ist unser Erkennen und Stückwerk ist unser Tun; doch die Gnade kann vollenden, worum die Schwachheit sich müht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung