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Die Hochschulen der Zukunft

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Von der Tagespresse ausführlich gewürdigt, setzte der Bundesminister für Unterricht, Dr. Theodor Piffl-Perievii, zu persönlicher Beratung in allen Fragen des Hochschulwesens einen Rat für Hochschulfragen ein. Es handelt sich hierbei um einen Kreis von fachlich hervorragend geeigneten Persönlichkeiten aus dem Kreis der Professoren-, Dozenten-, Beamten- und Studentenschaft. Die ausgewählten Teilnehmer, insgesamt 27 Personen, wurden zu einer ersten Tagung in der Zeit vom 15, bis 18. Februar in das Bundesschullandheim nach Raach am Semmering eingeladen.

Im Jubiläumsjahr zweier bedeutender österreichischer Hochschulen — die Universität Wien feiert das 600. Jahr ihres Bestehens, die Wiener Technische Hochschule wird 150 Jahre alt — hat der Unterrichtsminister damit eine Maßnahme gesetzt, die für die gesamte Weiterentwicklung des Hochschulwesens in Österreich bestimmend werden kann. Der Minister hat also unabhängige — weil niemanden vertretende — Fachleute eingeladen, Ratschläge in allen Hbchschulfragen zu erteilen. Es wurde dadurch eine Entwicklung eingeleitet, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland durch den Wissenschaftsrat, der allerdings in Ermangelung einer Bundeshochschulkompetenz, geschaffen wurde und in der Schweiz, wo erst vor kurzem der Bericht der „Eidgenössischen Expertenkommission für Fragen der Hochschulförderung“ veröffentlicht wurde, schon besteht. Im Gegensatz zu den beiden vorerwähnten Ländern gibt es aber in Österreich eine Kompetenz des Bundesministeriums für Unterricht in Hochschulangelegenheiten.

Die bisherigen Beratungskörper zeichneten sich nicht immer durch Wahrung der Sachlichkeit bei der Lösung von Hochschulproblemen aus. Die Beamtenschaft, noch am ehesten an sachgerechten Lösungen interessiert, hat aber gegenüber den einander konkurrierenden Interessen der verschiedenen akademischen Funktionäre eine keineswegs starke Position! Interventionen bei der Ressortleitung sollen in der Vergangenheit nicht selten die Entscheidungen des Ministeriums beeinflußt haben.

Die lange Durststrecke, durch die die österreichischen Hochschulen in den letzten Jahren gehen mußten, blieb nicht ohne Auswirkung auf die Mentalität der im Ringen um die Verbesserung der Hochschulsituation hochverdienten akademischen Funktionäre. Ist es einem Institutsvorstand zu verdenken, nachdem er zusehen mußte, wie die Sdhwesterinstitute im Ausland eine nie erlebte Blüte erreichen, wenn er auf die Frage nach seinem Bedarf, Anforderungen stellt, die den realen Finanzjuristen nur ein mitleidiges Lächeln entlocken können? Der zuerst erstellte Ausbauplan für die österreichischen Hochschulen, zunächst Fünfjahrplan, dann Siebenjahrplan genannt — jetzt spricht man nicht mehr davon —, litt unter offensichtlichem Mangel an Objektivität und Realität. Die Schaffung von 17 Professuren für die Zoologie für eine Universität ist beispielsweise eine Forderung, die den gesamten Ausbauplan belastet. Von einer echten Bedarfsfeststellung kann unter solchen Umständen auch kaum gesprochen werden. Wie hat man diesen Plan erstellt? Die akademischen Dienststellen, die Rektorate und Dekanate wurden nach dem Bedarf gefragt, die Institute meldeten je nach Interesse, Mentalität und Einsicht ihre Wünsche an. Die Professoren-kollegien beschlossen die von den Institutsvorständen vorgelegten Anforderungen ohne Veränderung. Die Beamtenschaft soll diese von den Fachgremien vorgelegten und als unumgänglich notwendig bezeichneten Anforderung abändern? Schließlich müssen die Fakultäten doch am basten wissen, was sie wirklich benötigen. Man reicht also die Zusammenfassung der Vorschläge an das Finanzministerium mit dem Ersuchen um Bedeckung weiter. Der Finanzjurist ist von der Notwendigkeit der Schaffung von 17 Professuren für Zoologie sicher nicht zu überzeugen, solange für andere Hochschulen mit viel mehr Hörern unvergleichlich weniger Professoren vorhanden sind, und wird zumindest unterschwellig derartige Ausbaupläne der Unterrichtsverwaltung nicht allzu ernst nehmen.

In der Ablehnung weitgehender Reformen des Hochschulbetriebes weiß sich die Beamtenschaft mit älteren akademischen Funktionären einig. Während man in Österreich noch um die Sicherung der notwendigsten Kredite für die Erhaltung der Hochschulen kämpfte, hat man im Ausland bereits erkannt, daß mit der Bereitstellung der finanziellen Mittel allein keineswegs eine Lösung der akuten Hochschulprobleme erreicht werden kann. Es sind vielmehr weitgehende studienmäßige und organisatorische Verbesserungen' anzubringen, um die Hochschulen den Anforderungen der Zeit anzupassen. Die Einstellung zu Reformen hängt nicht immer mit dem Lebensalter zusammen. Trotzdem kann wohl behauptet werden, daß die jüngeren Hochschulprofessoren Reformgedanken gegenüber aufgeschlossener sind. In der Beamtenschaft befürchtet man, daß der ausgearbeitete Entwurf eines Hochschulstudiengesetzes, von dem die Kritiker behaupten, er sei nur eine Kodifikation bestehender oder alter Rechtsvorschriften, durch die „Reformer“ abgelehnt wird und damit jahrelange Bemühungen erfolglos geblieben sind. Die Hochschülerschaft, die als Bannerträger der Hochschulreform angesprochen werden kann, fürchtet wieder, daß im Fall einer Verabschiedung des vorgesehenen Hochschulstudiengesetzes jeder Reformversuch für die nächsten 50 Jahre unmöglich wird.

Sicher ist eine Reform nur um der Reform willen abzulehnen, und man wird sehr vorsichtig zu Werk gehen müssen, um nicht bewährte Einrichtungen zu zerstören. Wie wenig die akademischen Spitzenfunktionäre der einzelnen Fakultäten und die hohe Beamtenschaft geneigt sind, Reformgedanken einfließen zu lassen, beweisen die laufend abgehaltenen Beratungen zwischen den Vertretern der Fakultäten und der Beamtenschaft zur Festlegung der einzelnen in Aussicht genommenen Studienordnungen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß bei diesen Beratungen die Meinung vorherrscht, es sei eigentlich alles ganz in Ordnung, Reformen könnten vielleicht für andere, aber keinesfalls für Österreich angebracht sein.

Die Zusammensetzung des Rates für Hochschulfragen stellt schon ein Programm dar. Der Minister hatte den Mut, vornehmlich jüngere Hochschulprofessoren zu berufen, die zum Teil im Ausland gearbeitet haben und auch andere Hochschulsysteme kennenlernen konnten. Es sind dies Professoren, denen die Reform ein besonderes Anliegen sein muß, weil sie — wenn sie keine Berufungen in das Ausland annehmen — noch viele Jahre an den österreichischen Hochschulen wirken werden. Wie die Hochschulen in den nächsten Jahrzehnten aussehen werden, wird aber nicht zuletzt von jetzt zu treffenden Entscheidungen abhängen! Der Rat für Hochschulfragen soll den Unterrichtsminister in allen Fragen des Hochschulwesens beraten. Vordringlich wird aber eine Entscheidung über die Fortsetzung der Arbeiten zur Verabschiedung eines neuen Hochschulstudiengesetzes sein. Wird der Rat für Hochschulfragen dem Minister den Rat geben, ein neues Gesetz entwerfen zu lassen, oder wird man den vorliegenden Entwurf des Ministeriums gutheißen, wird man allenfalls Abänderungsvorschläge unterbreiten? Jedenfalls wird man klare Entscheidungen treffen müssen, denn ein Rat kann nicht die Summe von Einzelmeinungen sein, sondern wird, soweit nicht Einstimmigkeit erzielt werden kann, die Meinung der Mehrheit zu der seinen machen müssen, selbst dann, wenn sehr berühmte Persönlichkeiten hierbei in der Minderheit bleiben, was sie vielleicht nicht gewöhnt sind. Daneben werden aber auch Themen, wie Einführung von Diätendozenten, die Bildung von Schwerpunkten, der Ausbau der bestehenden Hochschulen, die Errichtung neuer Hochschulen, Ab- ^ Schaffung des Kolleggeldes, ein neues Hochschullehrerdienstrechts-gesetz, und viele andere Materien behandelt werden.

Der Unterrichtsiminister hat durch die Schaffung eines Rates für Hochschulfragen den deutlichen Beweis geliefert, daß ihm die sachliche Lösung der Hochschulprobleme vordringliches Anliegen ist. Welcher Erfolg dem Rat für Hochschulfragen beschieden sein wird, wird vornehmlich von der Mitarbeit und dem Mut der einzelnen Teilnehmer abhängen. Es wird notwendig sein, daß die Teilnehmer tatsächlich jene Objektivität waren, die von ihnen bei ihrer Berufung erwartet wurde. Daß sie sich nicht zu Sprechern lokaler oder fachlicher Interessenorganisationen degradieren lassen, sondern ausschließlich nach bestem Wissen und Gewissen und mit größtem Eifer im Dienste der österreichischen Hochschulen tätig werden. Man wird wohl einen Vorsitzenden bestellen müssen; die Sekretariatsgeschäfte werden sorgfältig zu führen sein; man wird die Ergebnisse im Ministerium sehr sorgfältig prüfen müssen und den Mitgliedern des Rats für Hochschulfragen die Sicherheit geben, sich mit ihren Anregungen wenigstens auseinanderzusetzen, damit der Aufwand an Zeit und Mühe nicht vergebens erscheint. Aber auch der Öffentlichkeit wird man, mehr als bisher, Pläne und Vorhaben vorlegen müssen.

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