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Die „klassischen“ Fälle

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Teilzeitarbeit hat es in ihrer „klassischen“ Form (zum Beispiel Aushilfsarbeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe, Beschäftigung von Hilfspersonal im Vergnügungsgewerbe, wie Kassier, Billeteur, Garderobenfrau und ähnliches) immer gegeben, und sie ist hier auch kollektiwertraglich entsprechend geregelt. Außerdem kann Teilzeitarbeit zum Beispiel nach dem Kollektivvertrag für Angestellte in der Privatwirtschaft, Sektion Handel, auch „vertraglich vereinbart“ werden. Die ihrem Wesen nach für Teilzeitarbeit prädestinierten Beschäftigungsmöglichkeiten sind aber zahlenmäßig gering und wirtschaftlich unbedeutend, so daß sie nicht den Kern des Problems treffen. Das Anliegen der Gegenwart ist viel größer und wirtschaftlich einschneidender. Die während des Krieges auf diesem Gebiet gemachten negativen Erfahrungen können nicht als Beweis für ein in dieser Richtung zweifelhaft erscheinendes Unterfangen herangezogen werden, da damals ganz andere Voraussetzungen vorlagen. Die Zeiten haben sich auf Seiten der Dienstnehmer und der Wirtschaft wesentlich geändert.

Der Hinweis auf die Tatsache, daß die am meisten angestrebte Halbtagsarbeit in den für eine Beschäftigung auf breiter Ebene in Frage kommenden Kollektivverträgen nicht ausdrücklich geregelt ist, könnte, zur Abwendung der von manchen Dienst-nehmerkreisen befürchteten Gefahr einer „Schmutzkonkurrenz“ für die auf eine Vollbeschäftigung anstehenden Arbeitskräfte zur Wah rurig auch der berechtigten Ansprüche anderer schutzwürdiger Berufsträger, nur Ansporn für eine eheste Regelung sein.

Im übrigen muß in einem demokratischen Rechtsstaat mit freier Wirtschaft bei tatsächlichem Arbeitskräftemangel der Grundsatz der Vertragsfreiheit gelten, wonach die an einer Teilzeitarbeit interessierten Partner selbst die Art des Beschäftigungsverhältnisses bestimmen können, vorausgesetzt, daß die in ihrer Gesamtheit festgelegten Arbeits- und Lohnbedingungen im Verhältnis zur Arbeitsdauer eingehalten werden. Man darf hierbei nicht übersehen, daß die für eine Vollbeschäftigung interessierten Arbeitskräfte im allgemeinen bei der Einstellung bevorzugt werden, sie ferner bei Konjunkturrückschlägen vor allem zum geschützten Stammpersonal gehören und, infolge ihres ganztägigen Arbeitseinsatzes, mit jenen Aufgaben betraut werden, welche mehr Verantwortung und eine Kontinuität der Beschäftigung verlangen und damit auch den beruflichen Aufstieg erleichtern, während die zum Teil beschäftigten Kräfte außer diesen verminderten Chancen noch den gleichen Aufwand an Arbeitskleidung, Fahrtkosten sowie an gleicRer Hin- und Rückfahrtszeit neben dem halben Verdienst als Nachteile hinnehmen müssen.

Wenn dessenungeachtet die Halbtagsbeschäftigung für viele Interessenten als die ideale Beschäftigungsform erscheint, stehen den angeführten Nachteilen außer immateriellen Werten auch beachtliche finanzielle Vorteile gegenüber. Diese sind: sozial-rechtlicher Schutz für den Fall der Krankheit, der Mutterschaft, der Arbeitslosigkeit und des Alters auf Grund eines eigenen Dienstverhältnisses. Denn nach den Bestimmungen des ASVG und des Arbeitslosenversicherungsgesetzes genügt für ein versicherungspflichtiges Dienstverhältnis ein Mindestverdienst von 270 Schilling.

Die Möglichkeiten sind zahlreich

Für den Dienstgeber ist eine Teilzeitbeschäftigung vor allem bei Arbeitskräftemangel, bei Nichtauslastung einer vollbeschäftigten Arbeitskraft und bei Bewältigung von fallweise auftretenden Arbeitsspitzen von unbestreitbarem Vorteil und könnte bei entsprechendem sozialem Verständnis in vielen Wirtschaftszweigen und Berufen, auch in der öffentlichen Verwaltung, eingeführt werden. Auch qualifizierte Berufe, wie Krankenpflege, Fürsorge, Lehrberufe, Pharmazie, Handel, Versicherungen, Post- und Verkehrsbetriebe, würden viele Möglichkeiten eröffnen, wenn man es nur ernstlich wollte. Das Beispiel von anderen Ländern, besonders in der Bundesrepublik Deutschland, in Großbritannien, in den USA, beweist die Realisierbarkeit der in Österreich bisher noch äußerst konservativ behandelten Frage der Teilzeitbeschäftigung auf relativ breiter Ebene.

Nach den vom Arbeitsministerium in den USA veröffentlichten Daten ist in der Zeit von 1950 bis 1958 der Anteil der teilweise beschäftigten Frauen von 10 auf 31 Prozent gestiegen (hier allerdings auch die Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen eingeschlossen). Am stärksten war der Zuwachs in der Altersgruppe der Vierzehn- bis Siebzehnjährigen; der größte Anteil entfiel auf die jungen Mütter im Alter von 20 bis 34 Jahren. Dem Stande nach waren etwa ein Viertel ledig, drei Fünftel verheiratet und der Rest verwitwet, geschieden oder getrennt. Der beruflichen Tätigkeit nach waren mehr als ein Drittel der teilweise beschäftigten Frauen im Dienstleistungssektor (Banken, Versicherungen, Unterricht, Sozialdienst und ähnliches), mehr als ein Viertel in Büros und

Kaufläden, mehr als ein Fünftel in der Landwirtschaft, in freien und technischen Berufen tätig. In der öffentlichen Verwaltung der lokalen Behörden beläuft sich der Anteil auf 30 Prozent. Diese Tatsachen sind, in Anbetracht der nur 35stündigen normalen Wochenarbeitszeit, sehr aufschlußreich, und lassen den vielfach gehörten Einwand, die verheirateten Frauen seien in Österreich vor allem nur an einer Kürzung der noch immer durchschnittlich 45 Wochenstunden betragenden Arbeitszeit interessiert, zweifelhaft erscheinen.

Und wie steht es mit dieser Entwicklung in Österreich? Zugunsten der an einer Teilzeitarbeit interessierten Kreise darf angenommen werden, daß der im November im Parlament eingebrachte und anfangs Dezember angenommene Antrag auf Einführung der Halbtagsarbeit im Bundesdienst nur als erster Schritt zu werten ist und daß der derzeitige Arbeitskräftemangel nur der äußere Anlaß sein dürfte, um die Teilzeitbeschäftigung auch in Österreich populärer zu machen.

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