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Die kleinen Komplizen der Konsumwelt
Die Werbewelle rollt immer stärker in die Kinderzimmer -zu den besten Verbündeten der Markenhersteller.
Die Werbewelle rollt immer stärker in die Kinderzimmer -zu den besten Verbündeten der Markenhersteller.
Ist das neu? Nein, mit F ... - Sie wissen, was jetzt folgt? Der Satz „Nein, mit Fewa Wolle gewaschen” hat sich längst als ebenso geflügelte wie scherzhafte Floskel in unsere Alltagssprache eingeschlichen. Besonders Kinder und Jugendliche sind anfällig für derlei spielerische Imitation von Werbeslogans. Immer? Nicht immer, aber immer öfter ... Und bei einer immer breiteren Produktpalette, die sogar - wie im obigen Beispiel - für Kids an sich uninteressante Waren umfaßt.
Das ist kein Zufall. Viele Slogans sind von Lautfolge und Satzbau so einfach aufgebaut, daß sie selbst von Kleinkindern fröhlich nachgeplappert werden. „Coca-Cola is it” und ähnlich babyleichte Sprüche bekommen staunende Eltern öfter zu hören, als vielen lieb ist.
Die Knirpse sind für Werbung im allgemeinen und TV-Spots im besonderen viel aufgeschlossener als Erwachsene:” Schon ab drei Jahren nehmen sie Logos, Schriftzüge, Färb- und Formgebung bewußt wahr, statistisch gesehen merken sich Kids Marken doppelt so gut wie die Großen. So verlangen viele etwa nicht mehr einfach nach Plastikbauklötzen, sondern nach Lego. Einer Umfrage zufolge erinnern sich die 6- bis 17jährigen - ungestützt - an beachtliche 50 Automarken.
Das verwundert nur auf den ersten Blick. Denn Kinderstellen nicht nur als (teilweise indirekte) Nachfrager nach Süßigkeiten, Kleidung und Spielwaren einen Kaufmotor dar. Melissa Müller unterscheidet in ihrem aktuellen Campus-Buch zum Thema („Die kleinen Könige der Warenwelt. Kinder im Visier der Werbung”. Frankfurt/Main 1997, 240 Seiten, öS 291,-) noch zwei weitere Funktionen, die die Kleinen für die Werber erfüllen: als Berater bei elterlichen Kaufentscheidungen und als künftige Verbraucher, die' bereits früh an eine Marke gebunden'werden sollen. Dabei können die Unternehmen auf ein geändertes Konsumverhalten der Kids aufbauen. So etwa benutzen in Deutschland bereits 22 Prozent der 6- bis 17jährigen mehrmals wöchentlich ein Duftwässerchen. Bei Guerlain hat man darauf reagiert und ein Eau de toilette namens „Petit Guerlain” lanciert.
Insgesamt hat die Autorin eine gar nicht kleine Kaufkraft dieser Zielgruppe recherchiert. Indirekt und direkt via Taschengeld sowie Belohnungen für Schulnoten verfügen die deutschen Kids über satte 50 Milliarden Mark. Auf Osterreich umgelegt entspricht das etwa 35 Milliarden Schilling.
Kein Wunder, daß die Werbewelle immer weitere Kreise zieht. Die verführerischen Konsumaufrufe, die zu über zwei Drittel ohne das Tabu-Wort „kaufen” auskommen, gelangen auf immer neuen Kanälen m die Kinderzimmer. So gelten interaktive Computerspiele, Online-Dienste und CD-Rom als Hoffnungsgebiete der Marktkommunikation. Dazu kommt - mittlerweile auch in Österreich -Sponsoring in der Schule. In Schweden geht die Abhängigkeit von Schulsponsoring schon über Kooperationen mit Hard- und Software-Riesen hinaus. So besteht die Gratis-Schulbuch-aktion in Zeiten von „weniger Staat” nur noch dank entsprechender Inserate, die in Einzelfällen die Hälfte der Schulbuchseiten füllen!
Megacoole Pager
In den USA kommt die Werbebotschaft sogar buchstäblich aus der Luft. So verteilte ein Getränkeriese Piepserl - pardon, der megacoole Funkempfänger heißt auf Neudeutsch ja Pager -, um deren Träger fortan mit einer Message pro Woche zu umgarnen. Daß Merchandising zu den erfolgreichsten, auch nicht mehr ganz neuen Werbeformen zählt, belegt Müller mit einer Disney-Nestle-Ko-operation. Zum Film „König der Löwen” hieß ein Vanille-Pudding plötzlich „Löwenportion”, zu Joghurts gab's „löwenstarke” Sammelaufkleber. Der Umsatz machte einen 300-Prozent-Satz nach oben.
Trotz einiger anschaulicher Beispiele bleibt das Campus-Buch oft unkonkret und banal. Natürlich setzt Werbung auf die emotionale Komponente. Und weiter?
Wer etwa als Mutter oder Vater Rat und Hilfe im Kampf gegen die Verführung zum Konsum erwartet, wird ebenso enttäuscht. Müller ermahnt die Eltern zwar, die Zwerge von der Warenwelt abzulenken. Mit der Aufforderung „Spielen Sie öfter mit Ihren Kindern” oder der Empfehlung von Sportklubs nach der Formel „Vereinswelt statt Warenwelt” werden aber viele wenig anfangen können. Die Anleitung zum gemeinsamen Werbungskonsum samt kritischem Gespräch darüber mag schon mehr lebenspraktische Hilfe bieten. Dennoch bleibt der Nachgeschmack, daß die Eltern von der Autorin mehr in die Pflicht genommen werden als Mar-kenartikler, Werber und Medienverantwortliche.
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