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Die lebenslange Ehe: Kein überholtes Relikt

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Ja, soll man überhaupt heiraten, wenn Scheidungen so schwerwiegende Folgen haben? Diese naheliegende Frage bewegt gerade auch die Jugend, die das viele Scheitern - zum Teil am eigenen Leib -erlebt. Was kann man da antworten?

Dieses Leid könnte eine ähnliche Funktion haben wie Schmerzen und Fieber bei körperlicher Erkankung: Es ist Signal für eine bedrohliche Störung des sozialen Organismus. Worin sie besteht? Daß die dem Menschen angemessene Lebensweise, die Familie (und damit die Ehe), gesellschaftlich ins Abseits gerät und damit leicht scheitert.

Typisches Beispiel für die Ausrichtung, die heute forciert wird: Der Leitantrag Nr. 8 am Bundesparteitag der SPÖ 1993. Dort heißt es: „Familie ist jede Form des dauernden Zusammenlebens in partnerschaftlicher Form ... Der Bundesparteitag fordert daher die Gleichstellung aller Lebensformen und den schrittweisen Abbau aller ... Diskriminierungen...”

Man beachte: „jede Form”, „aller Lebensformen” (also auch Mann-Mann). Unter dem Motto: Nur keine „Diskriminierung” verliert man das Leitbild aus den Augen. Daher hat sich im Alltag auch das Wort Partnerschaft durchgesetzt. Man spricht vom Partner, ohne zu klären, ob es sich um den Ehegatten handelt oder einen sonstigen Lebensgefährten. Das ist nicht bedeutungslos. Man

lese nach, wie das Lexikon Partnerschaft definiert. In meinem fand ich: „... soziales Prinzip für (vertrauensvolle) Zusammenarbeit zwischen Individuen (z.B. Mann und Frau)..., die ihre Ziele nur gemeinsam unter gegenseitiger Kompromißbereitschaft., erreichen können...”

Folgendes wird da klar: Ehe und Partnerschaft sind nicht ident. Denn: Zusammenarbeit ist etwas Gutes, aber eine Ehe ist viel mehr. Auch sind Beziehungen, in denen jeder seine Ziele verfolgt, legitim. Aber in der Ehe geht es um vor allem auch um die Anliegen des anderen.

Kompromisse

Schließlich ist es verdienstvoll, wenn jemand im Umgang mit anderen zu Kompromissen bereit ist und keine Ehe funktioniert ohne diese Haltung. Aber in der Ehe geht es um mehr, um die Entstehung eines Lebensraumes, in dem der Mensch unbedingt angenommen ist, um seiner selbst willen. Interessengemeinschaften werden aufgelöst, wenn gemeinsame Interessen zu schwach und Kompromisse zu schwierig werden, Erwartungen sich nicht erfüllen, Ziele schwerer

unter einen Hut zu bringen sind ... Ich bin überzeugt: Jede Beziehung von Menschen, daher auch jede Ehe, gerät - immer wieder - in solche schwierige Phasen, wo sich die Frage der Übereinstimmung eigener In-

teressen mit jenen der anderen stellt: Ist das Weitermachen noch sinnvoll?

Hier stehen wir genau an der Grenze. Eine Partnerschaft, in der das eigene Interesse letztes Entscheidungskriterium ist, wird dann der Logik entsprechend wohl gelöst werden. Eine Ehe aber sollte eine tiefere Verankerung als die eigenen Interessen haben. Sie braucht einen Halt, von dem her sie die sicher auftretenden Krisen durchzustehen imstande ist.

Verantwortung

Bisher war dies vor allem auch die massive gesellschaftliche Abstützung: Bis 1939 konnten Katholiken aus einer Ehe einfach nicht aussteigen. Es gab für sie keine Scheidung. Diese Art von Stütze (sie garantiert keineswegs das Gelingen einer Ehe) ist heute weitgehend weggefallen. Das gilt es nüchtern zu registrieren.

Das ist aber auch eine Chance, denn damit ist die Frage nach der Verankerung der Ehe neu aufgeworfen. Wo die Absicherung von außen wegfällt, gilt es, die innere Verankerung zu stärken. Nicht nur das viele mit dem Scheitern verbundene Leid sollte dazu

Anlaß geben, auch der Umstand, daß ein „harmonisches Familienleben” weiterhin als wichtigstes Lebensziel (1994 immerhin für 72 Prozent der Österreicher) angesehen wird. Das setzt Dauer der Beziehungen voraus. 93 Prozent sind sich darüber auch durchaus im klaren, sagen sie doch, „sexuelle Treue sei eine wichtige Basis für die Ehe”.

Woher aber die Kraft zu dieser Treue nehmen? Jeder weiß doch von der Schwäche, dem Egoismus des Menschen. Auch die Apostel meinten, es sei nicht gut zu heiraten, wenn man nicht mehr das Becht habe, seine Frau zu entlassen. Jesu Forderung nach Unauflöslichkeit der Ehe erschien sogar seinen Jüngern unmenschlich. Die Debatten über diese Fragen haben seither nicht aufgehört. Jesu Klarstellung verliert ihre „Unmenschlichkeit” eigentlich erst auf dem Hintergrund seiner Feststellung, daß der Mensch nicht trennen dürfe, was Gott verbunden hat. Denn Gott ist Garant der lebenslangen Ehe. Darauf wird unsere Gesellschaft, die die Ehe zur reinen Privatsache gemacht hat, immer offensichtlicher gestoßen werden.

Damit die lebenslange Ehe nicht zum Minderheitenprogramm besonders Begabter wird, gilt es für Christen zu bezeugen, daß diese Lebensform kein Belikt der Agrargesell-schaft, sondern eine erfüllende und lebbare Form des Zusammenlebens für heute ist - wenn man sich dabei auf das Wirken Gottes einläßt.

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