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Die Phasen eines Baues

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Das Baugeschehen läßt sich von dem Moment an, wo daran gedacht .ist, ein Bauwerk zu errichten, bis zur sogenannten „schlüsselfertigen Übergabe“ in folgende Phrasen unterteilen: in die Planung, die Ausschreibung, die Bauvergabe, die Baudurchführung mit der Bauaufsicht und in die Abrechnung.

Die Planung eines Bauwerkes erfolgt bei Bauten der öffentlichen Hand in der Regel nicht vom Bauherrn direkt, also durch den Staat, das Land oder die Gemeinde, sondern über Ideenwettbewerbe.

Dieser Wettbewerb spielt bei Hochbauten eine größere Rolle als bei Tief bauten, weil bei Hochbauten die künstlerische Intuition eine stärkere Rolle spielt. Bei Tiefbauten, insbesondere beim Straßenbau bewegt sich der Ideenwettbewerb mehr auf dem Gebiet der gutachtlichen Äußerung über Trassenführung im Hinblick auf die regionale Wirtschaftlichkeit und die gesamtwirtschaftlichen Probleme. Im Hochbau sind bei solchen Wettbewerben in der Jury die Vertreter des Bauherrn, die Vertreter der Nutznießer und freischaffenden Architekten. Bei Bauten der öffentlichen Hand sind natürlich Bauherr und Benutzer Stellen der öffentlichen Hand. Das erweckt den Eindruck eines Übergewichtes der behördlichen Stellen und fordert oft die Kritik der extrem Freischaffenden heraus. Diese Einwände sind aber nicht gerechtfertigt. Bei einem Schulbau werden die Interessen der Vertreter des Schulwesens meist andere sein, als die der Vertreter des Bauherrn, die den Bau durchzuführen haben. Im allgemeinen besteht für den Wettbewerbsteilnehmer freie, unbeeinflußte Entfaltungsmöglichkeit, wenngleich die allzu starren Funktionsprogramme, die die Benutzer bei der Ausschreibung von Wettbewerben aufstellen, eine beträchtliche Einschränkung der künstlerischen Entfaltungsmöglichkeit darstellen. Wenn, um beim Beispiel des .Schulbaues zu bleiben, die Größe der Räume, die Lage der Räume, ob nach Süden oder Norden gerichtet, die Lage der Pausenhallen, die Größe der Gänge, ja sogar die undemokratische Abgeschlossenheit der Direktions- und Professorenräume bis ins Detail vorgeschrieben wird und damit auch die Lage der einzelnen Schultrakte zueinander genormt ist, bleibt für den entwerfenden Architekten nur wenig Gestaltungsfreiheit. Er muß sich darauf beschränken, die mit mehr oder weniger Glas ausgestatteten Baukuben zueinander zu ordnen. Das hat zur Folge, daß die Bauten der öffentlichen Hand unserer Zeitepoche eintönig wirken und den Einheitsstempel unserer Zeit tragen, etwa wie einst die „Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläums-Schulen“, die auch in einer kurzen Zeitperiode gebaut wurden, alle gleich aussehen und' wahrhaft keine architektonische Zierde vieler lieblicher Ortsgemeinden sind.

Lobend kann aber festgestellt werden, daß die baureife Planung unbeeinflußt von politischen Tendenzen und in sachlicher, objektiver Sphäre erfolgt.

Weniger erfreulich ist die Art, wie die Unterlagen für die Ausschreibung eines Bauwerkes erarbeitet werden. Wir alle wissen, daß die unbedingt notwendigen Bauten der öffentlichen Hand, ganz gleich ob Straßen-, Hoch- oder Wässerbau, Milliarden Schilling Steuergelder erfordern. Wir wissen auch, daß diese Milliarden nur schrittweise, das heißt, Jahr für Jahr aufgebracht werden können. Daß in jedem Jahr Geld für Bauten zur Verfügung steht, ist sicher. Die Höhe ist auch äb-sdhätzbar. Aber auch der Umfang der erforderlichen Arbeiten ist längst bekannt und trotzdem besteht bis heute in keiner Sparte des Bauwesens ein langfristiger Zeitplan und schon gar nicht eine Koordinierung. Trotz der Erkenntnis, daß die erforderlichen Arbeiten erst innerhalb von Jahrzehnten geleistet werden können, wird nicht koordiniert, sondern nur improvisiert. Je nach Opportunität tritt einmal das eine oder andere Gremium der staatlichen Politik da oder dort zusammen und beschließt die vordringliche Notwendigkeit eines Bauvorhabens. Meistens werden diese Beschlüsse ohne Vorlagen von ernst zu nehmenden Projektsunterlagen gefaßt. Bevor solche Beschlüsse in die Öffentlichkeit getragen werden, wäre es doch notwendig, vorerst regionale, wirklichkeitstreue Unterlagen, untermauert mit echten Kosten zu erstellen. Man sollte meinen, daß es auch nicht schwer wäre, diese regional erfaßten Unterlagen vom gesamtösterreichischen Standpunkt aus gesehen, zu koordinieren und so einen Zeitplan für die Ausführung unter Berücksichtigung der Ein-planung in die zuständigen Budgets zu erstellen. Wo aber bestehen in Österreich solche Planungsstellen? Mangelt es an der Zeit, mangelt es an den Menschen, die fähig sind, solche Pläne auszuarbeiten oder mangelt es an dem Willen zur Koordinierung?

Die Zeitfrage kann keine Rolle spielen, weil ohnehin nicht mehr gebaut werden kann, als Geld vorhanden ist. Der Mangel an hierfür fähigen Menschen scheint teilweise zu bestehen, es fehlt aber auch der ernste Wille für die Errichtung solcher so notwendigen Planungsstellen, es fehlt am Willen für eine echte Verwaltungsreform. Es wird niemand verstehen, daß zum gleichen Zeitpunkt, zu dem mit dem Wohnbau-förderungsgesetz 1968 eine totale Dezentralisierung des Förderungswesens auf dem Gebiet des Wohnbaues durchgeführt wurde, im heutigen Bautenministerium eine eigene Sektion für das Wohnbauwesen geschaffen wurde. Es wird niemand verstehen, daß in dieser Sektion, die über kurz oder lang ihre Tätigkeit bis auf wenige Agenden einstellen muß, bis heute nur eine Abteilung aufgelöst wurde, dafür aber eine Abteilung, .die ,mit...der Abwickjung, immer weniger werdender Förderungsprojekte befaßt ist, eine Personalvermehrung erhalten hat. Das erweckt den Eindruck, daß der Selbsterhaltungstrieb immer noch weitaus stärker ist als der Wille zur Verwaltungsreform. Politische Wünsche jedes Bundeslandes könnten in einen Zeit- und Koordinierungsplan durch einen Beirat abgestimmt werden, dem die maßgebenden Vertreter der Bundesländer angehören müßten. Aber an . einem einmal erstellten Zeit- und Koordinierungsplan sollte nur dann gerüttelt werden, wenn tatsächlich durch ein besonderes Ereignis . irgendwo in Österreich eine Änderung gerechtfertigt erscheint, und darüber Einigkeit aller Bundesländer besteht. Zweifellos ist die Fixierung eines solchen Koordinierungsplanes bei den verschiedenen regionalen Wünschen der Politiker und bei der Beschränkung der vorhandenen Mittel nicht leicht. Aber sehr viel Steuergelder könnten erspart werden, wenn an die Ausschreibung eines Bauvorhabens erst dann geschritten würde, wenn die Projekts- , unterlagen dafür gewissenhaft erarbeitet und der Zeitplan endgültig fixiert wäre.

Bei der Erstellung eines gesamtösterreichischen Zeitplanes müßte aber auch mehr Rücksicht auf wirtschaftliche Konzentration gelegt werden. Das geflügelte Wort vom „Fleckerlteppich“ ist in Österreich nicht nur auf den Straßenbau, sondern auf die gesamte österreichische Bautätigkeit anzuwenden. Wer mit offenen Augen durch Österreich fährt — und Ausländer haben auch . offene Augen — der wird feststel- ' len, daß allenthalben neue Bauvorhaben zwar begonnen werden, daß aber im allgemeinen auf den Baustellen Menschenleere und Zeitlupentempo herrscht. Es wirkt auch nicht gut, daß in Österreich immer häufiger halbfertige Bauten feierlich eröffnet werden. Weniger Baustellen . mit; mehr Konzentration; würden, dem Steuerzahler billiger kommen, einen besseren Eindruck mächen und im Effekt mehr nützen. Der Steuerzahler fragt sich, warum die verantwortlichen Politiker der Gesetzgebung und des Vollzuges, die für diese Zustände verantwortlich sind, sich nicht einmal die Zeit nehmen, eine Baustelle unangemeldet zu besuchen, um nach dem Rechten zu sehen.

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