"Die richtige Frau zum zufällig passenden Zeitpunkt ..."

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Die berufliche Laufbahn an den Universitäten ist für viele ein "Traumjob" (siehe auch Dossier Nr. 21/1998).

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Die berufliche Laufbahn an den Universitäten ist für viele ein "Traumjob" (siehe auch Dossier Nr. 21/1998).

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Befragt man berufstätige Erwachsene mittleren Alters und in einigermaßen stabilen Positionen, ob ihre derzeitige Tätigkeit für sie ihr "Traumjob" ist, wird selten mit einem spontanen "Ja" geantwortet - weil im ersten Moment häufig mit früheren kindlichen oder jugendlichen Wunschvorstellungen assoziiert wird.

Erst auf die Frage, unter welchen Bedingungen (materieller Anreiz, Statussymbole, Macht ...) ein Wechsel des derzeitigen Arbeitsplatzes und Einsatzfeldes denkbar wäre, kommt wesentlich häufiger die Reaktion, daß man "eigentlich doch" seinen Traumjob habe. Sicher, das Einkommen, der formelle Rang, die Arbeitszeitsouveränität könnte höher sein, aber für einen Wechsel spricht das nicht - denn ob eine neue Aufgabe so interessant und befriedigend, das Arbeitsklima so gut und das Wahrnehmen von Entwicklungschancen so deutlich und kalkulierbar wäre, scheint zweifelhaft.

Daß Maturanten und Akademiker eher in Spitzenpositionen gelangen als die Absolventen anderer Ausbildungsinstitutionen, hat nicht nur damit zu tun, daß bestimmte formelle Abschlüsse und Grade oft Einstellungserfordernis beziehungsweise Karrierevoraussetzung sind. Sowohl die arbeitsmarktbezogen unspezifische Allgemeinbildende Höhere Schule wie auch die an speziellen Tätigkeitsfeldern orientierte Berufsbildende Höhere Schule eröffnet zunächst einmal die Möglichkeit, sich zumindest vier Jahre länger als Pflichtschulabsolventen auf die Berufs-(oder Studien-)wahlentscheidung vorzubereiten, Informationen und Erfahrungen zu sammeln, persönlich und sozial reifer zu werden.

Nicht, daß diese Chance von allen genützt würde, aber sie besteht - ebenso wie die Tatsache, daß das Entscheidungsspektrum breit ist: Berufseintritt, postsekundäre Ausbildung, Akademie und Fachhochschule, Universität - mit einer Mannigfaltigkeit an Studienrichtungen - und die zunehmende Modulkonzeption beziehungsweise die Erleichterung der zumindest Nebenberuflichkeit im gehobenen Bildungssystem.

Natürlich sind Matura und Studienabschluß nicht mit einer "Jobgarantie" verbunden, die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zu anderen aber trotzdem marginal - aufgrund erhöhter Flexibilität und Verdrängungsmechanismen "nach unten".

Je länger die Speisekarte und je differenzierter der Geschmack, desto größer ist die Chance, etwas Passendes zu finden, das nicht nur satt macht, sondern auch schmeckt. Sicher ist dabei auch Erfahrung gefragt, man muß das eine und andere schon probiert haben - für den Jungakademiker durch (Ferial-)Praktika, Studienschwerpunkte, Auslandssemester und ähnliches unschwer zu erreichen, und (zumindest großbetriebliche) Rotationsmodelle helfen zusätzlich.

Höheres Informationsniveau und breitere Wahlmöglichkeiten steigern die "Trefferquote" in Richtung "Traumjob" ebenso wie die Tatsache, daß ein universitäres Studium in der Regel zweierlei voraussetzt: das Erkennen von und das Einfügen in Hierarchien, aber auch deren "Aufbrechen" über eigene Kreativität und Durchsetzungsvermögen. Das gilt sowohl für jene (wenigen) Studienzweige, die ein relativ klares Berufsbild vorgeben (manche technisch-naturwissenschaftlichen Richtungen oder Lehramtsfächer), wie auch für eher arbeitsplatzunspezifische Studien (der Großteil der Human-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften) und schließlich auch für die "Orchideenfächer", die eigentlich nur in Wissenschaft und Forschung münden können.

Gerade in diesen Fällen - und wahrscheinlich insgesamt dann, wenn eine Universitätslaufbahn in Frage kommt, ergibt sich der "Traumjob" fast automatisch schon durch die notwendige Identifikation mit dem Fach, seinen Inhalten und Zielen, Methoden und Strategien. Dazu kommt, daß die Universität für den Jungakademiker ja kein "Neuland" ist - nach jahrelanger Integration in das System. Weniger als anderswo ist man mit Marktschwankungen und Veränderungen konfrontiert - mehr allerdings mit bürokratischen Hürden, spezifischen Ritualen und persönlichen Abhängigkeiten. Trotzdem, wer "es geschafft hat", deklariert seine Position fast uneingeschränkt als "Traumjob".

Wobei hier aber zwei interessante Ungleichgewichte auftauchen: obwohl die Anzahl weiblicher Studenten und Absolventen mit den männlichen nahezu gleichgezogen hat, dünnt ihr Anteil "nach oben" aus: nur ein Viertel der Assistenten und knapp fünf Prozent der Professoren sind weiblich. Und auch wenn in den letzten Jahrzehnten beziehungsweise Jahren kontinuierlich Universitäten und Fakultäten von immer mehr Frauen "erobert" wurden - an der Zahlenrelation zwischen "oben" und "unten" hat sich nichts geändert. Und zum zweiten: erfragt man männliche Wissenschaftsbiographien, sind offensichtlich Interesse, Kompetenz und Zielstrebigkeit die bestimmenden Faktoren.

Dieselben Faktoren werden von Frauen auch betont - dazu kommt aber in fast allen Fällen die Feststellung, daß (auch oder vor allem) der Zufall eine Rolle gespielt habe - die zufällig offene Stelle, der zufällig passende Schwerpunkt ...

Es ist kaum anzunehmen, daß es sich bei den Universitäts-Männern anders verhalten hat - sie geben es nur nicht zu. Und die (letztlich ihr eigenes Verdienst einschränkende) realistische Bescheidenheit der Universitäts-Frauen findet sich auch in anderen Berufsfeldern und Positionen (etwa im Management) und erklärt wenigstens zum Teil, warum "Traumjobs" eher von Männern als von Frauen eingenommen werden ...

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