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Die Richtung konnte stimmen

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ökumenische Jugend in Graz zum „rendezvous 67“

„Das Kreuz als Zeichen des Heils kann nur gemeinsam aufgerichtet werden. Das Zeichen, das diese Tagung setzen wird, wird das Kreuz noch nicht sein — wenigstens nicht im der Fülle —, die Richtung aber könnte stimmen.“ Hat diese Deutung des Tagungsabzeichens, das ihm sein Entwerfer, ein junger Kunststudent aus Graz, gegeben haltte, in der Tagung selbst ihre Bestätigung gefunden? Fast ein halbes Tausend junger Menschen war aus ganz Österreich zu Pfingsten in Graz zusammengekommen, der ökumenische Jugendrat Österreichs hatte zum „rendezvous 67“ eingeladen.

Und damit waren schon die beiden ersten Auffälligkeiten dieser an Unkonventionellem reichen Tagung gegeben: Als der Vorsitzende des ökumenischen Jugendrates, Helmut Nausner, St. Pölten, Pastor der Methodistenkirche, am Pfingstsams-tag abends mit der bei Veranstaltungen dieser Art (wie es scheint) obligaten kleinen Verspätung die Tagung eröffnete, konnte er das namens einer Arbeitsgemeinsachft tun, in der so gut wie aile in Österreich anzutreffenden konfessionellen Gruppen vertreten sind: knapp vor dem Pfingsttreffen hatte die Katholische Jugend Österreichs, einer Einladung des ökumenischen Jugendrates folgend, mit Billigung der österreichischen Bischofskonferenz ihren offiziellen Beitritt zum ökumenischen Jugendrat als Vollmitglied erklärt, nachdem drei Jahre Beobachter an den Beratungen teilgenommen hatten.

Damit wird deutlich, daß dieses ökumenische Jugendtreffen nicht künstlich organisiert, nicht einer gängigen Mode folgend zustande gekommen, sondern daß es aus einer gemeinsamen Geschichte junger Christen in diesem Lande herausgewachsen ist. Vor genau vier Jahren hatte erstmals eine 35köpfige römisch-katholische Delegation als Beobachter am ökumenischen Jugendtreffen in Klagenfurt teilgenommen. Die Begegnung dort und die nun bald ein Jahrzehnt alten Erfahrungen aus der Zusammenarbeit in jugendpolitischen Fragen haben zu immer engeren Kontakten und der Einsicht geführt, daß junge Christen in allen Kirchen — oder „Denominationen“, wenn man den ökumenischen Terminus tech-nicus verwenden will — vor derselben Frage stehen: wie ist heute Christsein in der Gesellschaft möglich?

Und damit kommt der zweite der eingangs als auffällig bezeichneten Umstände ins Blickfeld: der Slogan des Treffens: „rendezvous 67“. Warum kein kirchlicher, christlicher Titel für dieses Treffen? Steckt da mehr als mittelgute Werbepsychologie dahinter? Nun, nach der Tagung wird man diese Vermutung bestätigen müssen. Es ist in Graz in der Tat versucht worden, sich den Anfragen zu stellen, die Sich aus der Situation für den Christen, den jungen vor allem, ergeben. Und man war — schon in der Vorbereitung — bemüht, sachgerechte Antworten zu ermöglichen. Daß diese Antworten nicht eine gebrauchsbereite Patentlösung ergeben, sondern außerordentlich vielfältig, oft einander widersprechend sein würden, war schon vorher klar, und zwar nicht — das sei hier ausdrücklich betont — wegen der zweifellos zu beobachtenden Verschiedenheit der Teilnehmer, sondern wegen der Komplexität gesellschaftlicher Prozesse überhaupt, auf die eben nicht mehr glatt und linear geantwortet werden kann.

„rendezvous 67“ wollte also zweifellos schon im Titel zum Ausdruck bringen, daß es sich um ein Treffen handelt, das Gelegenheiten bieten soll, miteinander über das gemeinsam Interessierende zu sprechen. War das möglich, ist das geschehen?

Rückblickend wird man beide Fragen bejahen können, die erste, weil durch eine ungewöhnlich ausführliche Vorbereitung ziemlich Her Teilnehmer reichlich Material zur Bewältigung der Sachfragen angeboten worden ist. In drei insgesamt etwa 75 Seiten starken Vorbereitungsheften, die ab Herbst 1966 allen interessierten Gruppen und Personen zugegangen waren, wurde auf die vier Themen, die in Graz in ebenso vielen Arbeitskreisen behandelt worden sind, vorbereitend eingegangen, wobei Experten allerersten Ranges zu Worte kamen, wie etwa Kardinal Bea und Professor Hoekendijk zur Frage der „Kirche in der Welt“, Prof. Lange, Berlin, zur Frage der Beziehungen der Geschlechter und Prof. Harvey Cox zum Thema „Beruf — Arbeit — Job“. Aus der Gesamtkonzeption der Tagung ist klar, daß das vierte, noch nicht genannte Thema ein politisches sein muß, und das war es dann auch. Die Reihung und die „Verpackung“ dieser Themen sind so interessant, daß sie dem Leser nicht vorenthalten sein soll:

I: „Anders als bei den Schmetterlingen“ (Beziehungen der Geschlechter).

II: „Beruf — Arbeit — Job,“ III: „Politisch Lied — ein garstig Lied?“ und IV: „Beziehungen der Kirchen.“ Wurde schon aus den Formulierungen deutlich, daß man bereit war, diese Fragen durchaus unkonventionell anzupacken, so haben die Diskussionen selbst bestätigt, daß junge Menschen dann, wenn sie spüren, daß Fragen, sachlich, und das heißt offen und eben nicht von schon vorfixierten kirchlichen Rezepten her, angegangen werden, durchaus bereit sind, auch — alber eben auch — Beiträge von Christen und auch von Kirchen zu diskutieren und in ihre Überlegungen als wesentlich und manchmal vieleicht entscheidend einzubeziehen.

Wenn in der Berichterstattung über das Grazer Treffen bisher in dieser Breite auf einen Teil des Programms, nämlich die Gesprächskreise, eingegangen worden ist, die am Pftngstsonntag vormittag stattgefunden haben, dann lag die Berechtigung dazu in der Tagung selbst. Gespräche wurden von den Teilnehmern selbst als das wesentlichste Erlebnis des Treffens bezeichnet, die Gespräche in den vier Arbeitskreisen ebenso wie die Gespräche in den Quartieren oder in zufällig zusammengesetzten Gruppen oder auch Kaffeehausgespräche über die „großen“ Ereignisse der Tagung oder den einzelnen bewegende Fragen. Es gab viel freie Zeit in Graz, Zeit, die zu sehr vielen Gesprächen genutzt worden ist, die diskutierenden Gruppen und Grüpp-chen haben zwei Tage lang das Bild der Innenstadt geprägt. Neben vielen anderen gab es auch ein besonderes Kaffeehaus: das ökumenische Kaffeehaus im Forum Stadtpark, wo man — von der gestrengen Tagungsleitung dorthin befohlen — die Schar der Referenten teils mit einzelnen, teils mit einer ganzen Gruppe diskutieren sah und hörte, mehr sah allerdings, denn der Stimmaufwand war beträchtlich ...

Als die Teilnehmer am ■ Pfingstmontagvormittag nach Puntigam hinauspilgerten, wo im Brauhaus ein ökumenischer Wortgottesdienst mit anschMeßendem festlichen Mittagessen stattfand, erreichte das Treffen mit einem weiteren Höhepunkt zugleich seinen Abschluß. Am Vortag hatten es viele Teilnehmer betrüfalch und schmerzend empfunden, daß am Tag des Herren, an dem zugleich das Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes — Pfingsten — gefeiert wurde, keine Möglichkeit zu einem gemeinsamen Gottesdienst vorbereitet und angeboten worden war. Im Tefflnehmerheft begründete die Tagungsleitung das damit, daß nicht billig überspielt werden sollte, was nicht weggeleugnet werden kann: „Die Notwendigkeit, am j Pfingstfest den Gottesdienst getrennt zu feiern, kann uns das Ärgernis der Spaltung schmerzlich erleben lassen. An den verschiedenen Orten wird uns aber das Anliegen gemeinsam sein: daß der Geist Gottes die Einigung in unseren Kirchen wirke!“ Am Pfingstmontagmorgen aber, als gegen Schluß der Tagung die Frage immer deutlicher wurde, wie das in Graz Gehörte, Erlebte, Erarbeitete daheim in die Praxis des Alltags umgestzt werden könnte, war ein ökumenischer Wortgottesdienst angesetzt, „so (mit den Worten der Tagungsleitung) wollen wir uns... auf die Einheit aller Christen in ihrem einen Herrn, Christus, besinnen und sie Wirklichkeit werden lassen in unserem gemeinsamen Beten und Singen und im gemeinsamen Hören auf das Wort des Herrn.“ ,

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