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Die Schatztruhe ist nicht ausreichend gefüllt

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War die Frankfurter Buchmesse ein Pyrrhussieg für den heimischen Literaturbetrieb? Die Großanstrengung des Österreich-Schwerpunktes und die Beschickung vieler anderer Kulturveranstaltungen deutscher Städte mit alpenrepublikanischen Literaturprodukten und -produzenten könnte sich angesichts der Allparteien-Parole: Sparen, was sonst? als kontraproduktiv erweisen. Die kulturelle Image-Politur bei unseren Nachbarn, die so manchen deutschen Verleger plötzlich entdecken ließ, daß er etliche österreichische Autoren im Programm hat, könnte als Argument herhalten, daß jetzt kein Geld mehr vorhanden ist. Das Platzen der Koalition hat den aus Erfahrung geprägten Existenzängsten der schreibenden Zunft zusätzlich Nahrung gegeben. Denn wie Ministerialrat Wolfgang Unger, der pragmatisierte Schutzengel der Literatur, im Gespräch mit der FURCHE befürchtet: Die Gefahr, daß auch fertig verschnürte Pakete des Budgets wieder aufgemacht werden, ist riesengroß. Und was dann letztlich unterm Christbaum liegen wird, hängt von der Bescherung am 17. Dezember ab.

Stand der Dinge ist, laut Gerhard Ruiss von der IG-Autoren, daß das Kulturbudget auf dem Stand von 1994 eingefroren wurde, also keine Inflations-Anpassung vorgenommen wurde. Außerdem gab es heuer bereits Verzögerungen bei der Auszahlung zugesagter Subventionen. Das hat zu kleineren Einschränkungen geplanter Leistungen, etwa bei der Literatur-Datenbank oder beim Autoren-Lexikon geführt. Ruiss jedenfalls will nicht tatenlos die kommende Eiszeit erwarten, sondern sie mit einer Imagekorrektur der von einzelnen Politikern verunglimpften Literatur zum Scheitern bringen.

Klimaverschlechterung

Weniger kämpferisch gibt sich Christian Ide Hintze von der Schule für Dichtung. Der schon von Frühjahrsstürmen gebeutelte Schreib-Lehrer ist froh, sich mit der Städel-Schule in Frankfurt, wo zur Zeit der Messe eine erfolgreiche Akademie abgehalten wurde, ein zweites Standbein geschaffen zu haben, wohin er sich, im Fall des Falles zurückziehen kann. Jetzt schon mußte der Lehrkörper von zwölf auf neun reduziert werden und ein literarischer Gigant wie Gabriel Garcia Marquez, der sein Interesse zu kommen bekundet hat, kann unter den derzeitigen Bedingungen freilich nicht verpflichtet werden.

Das hört sich vorerst nicht so dramatisch an, doch die Klimaverschlechterung ist unverkennbar. Vorreiter ist dabei die Stadt des Schnürlregens an der Salzach. Die erfahrenen Stadtbeamten, so der Verleger Arno Kleibel vom Otto Müller Verlag, können „auf dem kurzen Weg” nur über 20.000 Schilling verfügen, was darüber ist, kommt in den Kulturausschuß, und dort ist die Mehrheitsbildung in letzter Zeit immer schwieriger geworden.

Nun wird das feuchtkalte Klima in der Festspielstadt auch noch durch den eisigen Wind aus dem Osten verstärkt. Vor allem um die Dotierung der seit 1992 bestehenden Verlagsförderung ist das größte Zittern ausgebrochen.

Marianne Gruber, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, sieht jetzt bereits deutliche Auswirkungen der Budget-Misere. Für Symposien, Wissenschaftsstipendien oder wissenschaftliche Vorträge ist kein Geld mehr da. Beim Programm-Budget hält sie Kürzungen von fünf Prozent für nicht ausgeschlossen. Die Auswirkungen lassen sich denken. Darüber hinaus dürfte zur Zeit eigentlich nichts .geplant werden, weil keiner sich traut, irgendwelche Zusagen zu machen. Absagen von Veranstaltungen im nächsten Jahr können deshalb nicht ausgeschlossen werden.

Die Furcht ist also groß, daß unabhängig von der Person des nächsten Ministers, die „Schatztruhe der österreichischen Kultur”, wie Ide Hintze die Literatur nannte, wie in Frankfurt als Imageträger für Österreich ausgestellt, aber kaum ausreichend gefüllt werden wird.

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