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Die Schule von morgen

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Im Rahmen der Wiener Katholischen Akademie hat ein Arbeitskreis „Sektion Pädagogik“, dem Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, Wiener Universitätsprofessoren, Persönlichkeiten des Bandesministeriums, Lehrerbildner, Volks- und Hauptschullehrer und Kindergärtnerinnen angehörten, in mehreren Beratungen Leitsätze für die Gestaltung der Pflichtschulen und der Volksschullehrerausbildung bearbeitet. Wir bringen im folgenden diese Richtlinien im Auszug.

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Im Rahmen der Wiener Katholischen Akademie hat ein Arbeitskreis „Sektion Pädagogik“, dem Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, Wiener Universitätsprofessoren, Persönlichkeiten des Bandesministeriums, Lehrerbildner, Volks- und Hauptschullehrer und Kindergärtnerinnen angehörten, in mehreren Beratungen Leitsätze für die Gestaltung der Pflichtschulen und der Volksschullehrerausbildung bearbeitet. Wir bringen im folgenden diese Richtlinien im Auszug.

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In der Diskussion über die künftige Gestaltung des gesamten österreichischen Schulwesens durch umfassende Schulgesetze werden zwei Problemkreise immer wieder verbunden, die zwar vom Standpunkt der Erziehung enge zusammengehören, aber für die Gesetzgebung zweckmäßiger getrennt behandelt würden: das Verhältnis der Kirche (im weiteren Sinne der weltanschaulichen Gemeinschaften) zur Schule und die organisatorische und pädagogische Neugestaltung der Schule. Die Forderung einer gesetztechnischen Trennung beider Problemkreise ist darin begründet, daß für jeden der beiden die bestmögliche Lösung gefunden werden muß und die Bemühungen um eine solche nicht durch Kompromiß oder Kompensation zwischen beiden Problemkreisen gestört und von einer rein sachlichen Lösung abgedrängt werden dürfen.

Die Problematik der Schulgesetzgebung im organisatorischen und pädagogischen Sinn muß sich auf den ganzen Umfang der Erziehung erstrecken.

Bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ist die einzig angemessene Erziehung die in der Familie mit ihrem engen Sozialkontakt, insbesondere von Mutter und Kind. Aus diesem Grunde muß die gesamte Gesetzgebung auf diesem Gebiete vom Geiste der moralischen Stärkung der Familie und ihrer sozialen und wirtschaftlichen Unterstützung getragen sein.

Alle anderen Erziehungseinrichtungen für das Alter vor dem vollendeten dritten Lebensjahr (Krippen, Krabbelstuben, Ganztagskindergärten, Anstalten) können gegenüber der Erziehung in der Familie nur als Notbehelfe betrachtet werden. Der Kindergarten für Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Zeitpunkt des Schuleintritts ist grundsätzlich als eine ergänzende Erziehungseinrichtung neben der Familie zu betrachten und soll daher die Kinder nur durch einige Stunden des Tages beanspruchen. Für das letzte Jahr des Kindergartens wäre eine besondere Form der Führung der Kinder vorauszusehen, wekhe planmäßig auf die Hinführung der Kinder zur Schulreife hinsichtlich des Uebergangs von der Spielhaltung zur Arbeitshaltung und der Eignung für die Arbeit in der Gemeinschaft zu richten wäre (Schulkindergarten). Eine Vorwegnahme von Aufgaben des künftigen Schulunterrichts ist jedoch abzulehnen. (

Die Aufnahme in die Schule darf in der Regel nicht vor Vollendung des sechsten Lebensjahres (Termin 15. September) vollzogen werden. Eine Altersdispens (ausnahmslos nur für Kinder, die das sechste Lebensjahr bis zum 31. Oktober vollenden) darf nur gegeben werden, wenn die volle Schulreife erreicht ist.

Die Ausbildung der Kindergärtnerinnen ist durch ein besonderes Gesetz zu regeln, und es sind dreijährige Bildungsanstalten hierfür einzurichten. Als Erziehungseinrichtung ist das gesamte Kindergartenwesen der obersten Schulaufsicht des Bundesministeriums für Unterricht zu unterstellen. Das gleiche gilt für alle Einrichtungen der Fürsorgeerziehung vor dem Kindergartenalter.

Die Frage der künftigen Unterteilung der Pflichtschulzeit ist im Zusammenhang mit der des neunten Schuljahres zu prüfen und zu lösen. Die Erweiterung der Unterstufe der Volksschule auf fünf Jahre wäre vom Standpunkt der allgemeinen und insbesondere der geistigen Entwicklung der Zehn- und Elfjährigen dem gegenwärtigen Zustand vorzuziehen. Allerdings müßte sie dann ausnahmslos auch für die in die Hauptschule oder eine Mittelschule Uebertretenden gelten. Denn sie soll ja gerade eine bessere Vorbereitung und größere Reife für die Anforderungen dieser Schulen verbürgen.

Die Zusammenfassung der ersten und zweiten Schulstufe zu einer Einheit hinsichtlich der Bewertung des erreichten Fortschrittes ist zu billigen; es wird dadurch künftig das Repetieren der ersten Schulstufe vermieden werden und jedes Kind im zweiten Schuljahr dort weitergeführt werden können, wo es in seiner Entwicklung steht.

Mit Rücksicht auf ihre Bedeutung auch schon für den Aufbau des Pflichtschulwesens ist auf folgende Erwägung für die Lehrplangestaltung hinzuweisen: Die Anforderungen im 4., 5. und 6. Schuljahr müßten in allen Schulgattungen (Volksschule, Hauptschule, Untermittelschule) besonders sorgfältig nach den Gesetzlichkeiten der geistigen Entwicklung bemessen werden; denn die Zeit vom 9. bis 11. Lebensjahr bildet keine homogene (weiträumige) Phase der Entwicklung, “sondern zeigt für jedes Jahr charakteristische Abstufungen. Diese Forderung gilt besonders für den Unterricht in Rechnen (Mathematik) und in der Sprachlehre.

Die Hauptschule ist denjenigen Schülern vorzubehalten, die eine über das Ziel der allgemeinen Volksschule hinausgehende Ausbildung zu bewältigen befähigt sind. Sie kann unter dieser Voraussetzung einzügig gestaltet werden. Für die übrigen Schüler sind Oberklassen der Volksschule vorzusehen. Die Trennung nach Geschlechtern ist auch in der Pflichtschule durchzuführen; ein Abweichen davon darf nur durch eine zu geringe Schülerzahl begründet sein.

Uebergangsmöglichkeiten für die Schüler der Hauptschule in die Mittelschule sollen möglichst gesichert seity am empfehlenswertesten ist der Uebertritt nach der Vollendung der Hauptschule. Im übrigen muß diese Frage im Zusammenhang mit der Neuordnung der Mittelschulen geordnet werden (allenfalls für die einzelnen Typen der Mittelschule gesondert). *

Die Teilung der Lehrerbildung in eine vierjährige Oberstufe einer allgemeinbildenden Mittelschule und eine zweijährige Berufsausbildung (Lehrerakademie) wird abgelehnt, und zwar aus folgenden Gründen:

a) Eine nur zweijährige Berufsausbildung ist nicht ausreichend, um die Formung der Erzieherpersönlichkeit nach dem Berufsethos und nach der Orientierung der Allgemeinbildung auf das Volksschullehramt zu sichern.

b) Die Schaffung einer eigenen Mittelschultype (Pädagogisches Gymnasium) für die Besucher der Lehrerakademie würde nur dazu führen, zahlreiche Schüler an sich zu ziehen, die gegenüber den Oberstufen der anderen Mittelschulen (G, RG, R) einen leichteren, aber sicherlich gleichwertigen Weg zur Hochschule einschlagen wollen.

Aus den oben angegebenen Gründen wird die Ausbildung der Lehrer der Pflichtschulen in sechsjährigen, einheitlich aufgebauten und von Anfang an auf das Lehramt ausgerichteten Anstalten gefordert (sechsjährige Lehrerakademien).

Neben einer grundsätzlich vollwertigen Allgemeinbildung, wozu auch das Studium zweier Fremdsprachen, darunter des Lateinischen, zu rechnen ist, soll die gesamte Führung des Unterrichtes und der Erziehung in allen Jahrgängen fortschreitend die Berufsausbildung berücksichtigen, so daß am Ende des vierten Schuljahres ein klares Urteil über die Eignung und Neigung der Studierenden zum Lehrberuf gewonnen werden kann. Für diejenigen, die auf Grund dieser Vorauslese nach dem vierten Jahrgang den Beruf des Lehrers an Pflichtschulen nicht ergreifen wollen, soll ein fünftes Jahr als Aufbaujahrgang eingerichtet werden, das zu einer Reifeprüfung mit allgemeiner Hochschulreife führt. Die Absolventen der sechsjährigen Lehrerakademie haben am Schluß ihres Studiums die Reifeprüfung für das Lehramt an Volksschulen abzulegen, die auch die allgemeine Hochschulreife gibt. Nach e i n jähriger Schulpraxis hat der Anwärter des Lehramtes an Volksschulen eine schulpraktische Prüfung abzulegen und erwirbt damit die Berechtigung zur Definitivanstellung. Durch diese Verkürzung der Schulpraxis (bisher zwei Jahre vor der Lehr-befähigungsprüfung) soll auch erreicht werden, daß die künftige Gesamtausbildung' für das Lehramt an Pflichtschulen gegenüber der derzeitigen in ihrer Dauer nicht verlängert wird.

Die Ausbildung der Lehrer und der Lehrerinnen geschieht in gesonderten Anstalten unter eigener Leitung (Auflassung der Doppelanstalten).

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