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Die Stimme dafür

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Aus Lehrerkreisen erreicht uns folgende Stellungnahme für die Grundzüge des Werkes:

Wir haben in den Volks-, Haupt- und Mittelschulen kein deutschsprachiges Wörterbuch. Die meisten noch vorhandenen alten Exemplare sind zerlesen — die in Wien gebräuchliche Ausgabe stammt ja schließlich aus dem Jahre 1926. Es hat sich viel geändert seither. Nun hat sich das Unterrichtsministerium zu einer Neuausgabe entschlossen und dafür geeignete Experten ausgewählt, unter denen sich die meisten klar sind, daß Österreich hier die gemeinsame deutsche Schriftsprache nicht zu einer neuen österreichischen Form ändern will. Wie oft finden wir in deutschen Wörterbüchern Ausdrücke, die dem norddeutschen Dialekt entstammen. Diese sollen bei uns ausgemerzt und rein österreichische Ausdrücke hineingenommen werden. Das ist doch sicherlich richtig.

Wenn der Autor der kritischen Äußerung in der „Furche“ die Behauptung aufstellt, es gebe wohl kein anderes Land mit deutschsprechender Bevölkerung, in dem sich die maßgebenden Stellen an ein solches Experiment heranwagen würden, so verrät dieser Standpunkt ein gewisses Mißtrauen gegenüber den mitarbeitenden Persönlichkeiten. Immer, wenn Österreicher sich auch nur ganz leise auf ihr eigenes bodenständiges Volkstum besinnen, sehen wir Kritiker am Werk, die diese Arbeit von einer besonderen Seite betrachten. Hat sich jemand über die reichsdeutsch orientierten Wörter so geäußert? Kaum. Wenn man österreichische Ausdrücke in ein amtliches Wörterbuch aufnimmt, kann man doch nicht gleich von einer „Verhunzung der deutschen Sprache“ reden. Man kann auch nicht sagen, daß diese Kommission überflüssig herumexperimentiert.

Man möge bedenken, daß es auch radikale Österreicher gibt, die wohl ganz andere Wörter in diesem Buche finden möchten, die eine radikale, vielleicht völlige Abkehr von der reichsdeutschen Schriftsprache haben wollen. Auch diese Gruppe bester Patrioten hat im Grunde das Recht, ein Wort mitzureden. Aber das österreichische Wörterbuch ist offenbar weit davon entfernt, diesen Leuten zuviel Gehör zu schenken und solcherart ein „Experiment“ zu wagen.

Wenn der Verfasser des Artikels die zu weitgehende Verdeutschung der Fremdwörter in der Rechtschreibung beanstandet, so müssen wir bedenken, daß der Ausbreitung der deutschen Sprache Grenzen gesetzt sind, ja daß der deutsche Sprachraum und die Sprachfamilie — eine Folge des verlorenen Krieges — immer kleiner wird.

Viele Verdeutschungen sind auch unzutreffend und entsprechen durchaus nicht dem wahren Sinn des Fremdwortes. So versucht man eben die Schreibung dieser Fremdwörter zu vereinfachen. Jeder Lehrer wird wissen, welch ungeheure Schwierigkeit die Fremdwörter in der Schule bilden. Wenn also hier eine Vereinfachung vorgenommen wird, so entsteht doch für die deutsche Sprache keine Gefahr, lediglich für das Fremdwort. Manches wird uns im Anfang fremd vorkommen, es bleibt eben ein Fremdwort. Was würde denn der Verfasser sagen, wenn man die Kleinschreibung und schon lange geforderte Vereinfachung auch deutscher Wörter durchführen würde?

Wahrscheinlich werden die Änderungen im neuen Wörterbuch nicht zu groß werden, wir haben ja meist den guten Mittelweg zu gehen gewußt. Oder soll man die alten Wörterbücher ohne Änderung nachdrucken? Dagegen wehrt sich der gesunde Menschenverstand. Eine lebende Sprache' ändert sich ständig, und dem muß Rechnung getragen werden. Wahrscheinlich werden Wörterbücher, wenn sie Neuerscheinungen sind, auch in Deutschland gewisse Änderungen erfahren.

Selbst, wenn es in Österreich eine Richtung gibt, die eine österreichische Sprache haben will, so wurde von mehreren Seiten betont, daß dies nicht durchgeführt wird, sondern daß man auf der Gemeinsamkeit der deutschen Sprache beharrt, andererseits allerdings den österreichischen Eigenarten Rechnung tragen will. Damit kann auch der deutsche Österreicher zufrieden sein, denn schließlich haben wir Österreicher das Recht auf unsere Eigenart.

Die Unterrichtsverwaltung hat ihren Grund dafür, im gegenwärtigen Zeitpunkt ein neues Wörterbuch zu schaffen. Das weiß jeder Lehrer genau. Daß man vielleicht über dieses oder jenes neuaufgenommene Wort anderer Meinung sein kann, sei zugegeben, aber die Neugestaltung und Herausgabe ist zu begrüßen,- weil die Schule dringendst Wörterbücher braucht.

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