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„Die Uni ist keine Wärmestube"

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dieFurche: Warum kommt die Diskussion um die Sudieneingangsphase genau jetzt?

Hannspkter Winter: Die Studieneingangsphase ist so etwas wie das Ungeheuer von Loch Ness: Sie kommt jedes Jahr zu Studienbeginn und ist ein Eiertanz der Politik. Wenn Wissenschaftsminister Rudolf Schölten - endlich - sagt, daß wir eine Studieneingangsphase brauchen, wendet Hannes Swoboda (der Spitzenkandidat der SPO für die Wahlen zum Europaparlament und Bildungsvorsitzende seiner Partei, Anm d Red) ein, daß dies nicht in sein Rildungskonzept passe. Dabei kenne ich gar kein Bildungskonzept des Herrn Swoboda ... Und dann erklärt der Referent der Industriellen -Vereinigung zum hundertstenmal, daß wir Studiengebühren brauchen. Das ist ja ein Witz!

dieFurche: Worum geht es denn eigentlich?

Winter: Fs geht um die Frage: Soll man regulieren, ob Studierende ungehemmt an die Universitäten kommen können und wie lange sie dort verbleiben dürfen, ohne etwas zu tun. 30 bis 40 Prozent unserer Inskribierten sind eigentlich keine wirklichen Studenten - aus Gründen, die durchaus ehrenwert sein können: Sie wissen nach der Matura nicht, was sie tun sollen, oder sie gehen einem Nebenjob nach, der dann zum Hauptjob wird. In den meisten westlichen Ländern ist diese Frage geregelt: Durch eine Eingangsprüfung, durch Studiengebühren oder eine Studieneingangsphase.

dieFurche: Worin besteht der Sinn einer Studieneingangsphase?

Winter: Der Vorschlag lautet: Solange man nicht innerhalb einer vernünftigen Zeit eine gewisse Mindestleistung nachweist, kann man das Studium nicht weiterbetreiben. Wenn man den vom Steuerzahler finanzierten Dienstleistungsbetrieb Universität in Anspruch nimmt, muß man sich die Frage gefallen lassen, ob man ernsthaft am Studium interessiert ist.

dieFurche: Manche sprechen von einer getarnten Knockout-Prüfung ... Winter: Ich bin kein Freund einer solchen Vorgangsweise, weil ich nicht glaube, daß man durch eine Prüfung abtesten kann, ob jemand für ein bestimmtes Studium geeignet ist - besonders in der Medizin. Die Studieneingangsphase aber bedeutet weder Rausschmiß noch Willkür. Der Re-griff „Knockout-Prüfung" ist ein Totschlag-Wort: Damit wird eine Diskussion über eine durchaus vernünftige Sache von vorneherein beendet. Jene Kreise, die die Studieneingangsphase ablehnen, sind der Meinung, die Universität sei in erster Linie eine Wärmestube, um junge Menschen schön langsam an den Ernst des Lebens zu gewöhnen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es so lange wie möglich nicht ernst wird. Aber das Re-rufsleben ist unbarmherzig. Irgendwann wird es eben einmal emst.

dieFurche: Warum, glauben Sie, ist so lange Zeit nichts gegen diese Zustände unternommen worden?

Winter: Für viele Politiker ist die Universität eine angenehme Erscheinung, weil man darin die jugendlichen Arbeitslosen verstecken kann -das hilft über eine Legislaturperiode hinweg. Heutzutage bleiben die Studenten an den Universitäten, selbst wenn sie ein Diplomstudium abgeschlossen haben, nur um sich nicht dem rauhen Wind der Realität stellen zu müssen. Fertige Mediziner beginnen ein anderes Studium, weil sie keinen Turnusplatz bekommen. Daß die Politik so etwas zuläßt, ist ein Verbrechen.

dieFurche: Was kann dagegen getan werden?

Winter: Das sind Probleme, die nicht die Universität lösen kann. Wenn es zu wenig Arbeitsplätze für junge Le-te mit Mittelschulausbildung gibt, muß sich die Politik etwas einfallen lassen: Fortführende Kurse, Umschulungen, oder den Ausbau der Fachhochschulen. Stattdessen werden viele junge Leute viele Jahre ihres Lebens verlieren und für den Arbeitsmarkt ruiniert sein. Da wächst ein riesiges Potential an sehr unzufriedenen, aber hochintelligenten Leuten heran, die direkt in die Arbeitslosigkeit hineingehen. Und irgendwann wird der Steuerzahler auch dafür aufkommen müssen.

Mir demVorstand des Instituts für Allgemeine Physik an der Technischen Universität Wien und stellvertretendem Vorsitzenden der Professorenkonferenz sprach Michael Kraßnitzer.

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