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Die verstopfte Gießkanne

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Die Pläne von Kunst-Staatssekretär Peter Witt-mann zur Kunstförderung rühren an die grundsätzliche Frage: Was soll der Staat subventionieren?

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Die Pläne von Kunst-Staatssekretär Peter Witt-mann zur Kunstförderung rühren an die grundsätzliche Frage: Was soll der Staat subventionieren?

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Manche haben ihm für Juli das Ausscheiden aus der Regierung vorhergesagt, aber noch ist Peter Wittmann, Staatssekretär für Kunst, Europa und Sport, im Amt. Doch seit der ehemalige Bürgermeister von Wiener Neustadt laut über Neuerungen bei der Kunstförderung nachgedacht hat, wackelt sein Sessel, mehr jedenfalls als in den ersten Wochen seiner Amtszeit, in denen man ihn eher als unbedarften Provinzpolitiker denn als kühnen Reformer eingestuft hatte.

Das Unheimliche an Wittmann, der auch engagiert die Ausgliederung der Bundestheater aus dem Staatsbudget betreibt, ist, daß der Mann nicht dem üblichen Politiker gleicht, der viel ankündigt, aber wenig umsetzt, sondern entschlossen scheint, seine Ideen auch zu verwirklichen. Das irritiert naturgemäß viele, in erster Linie wohl jene Künstler, denen man nachsagt, ihre Kunst bestehe vor allem darin, sich Jahr für Jahr geschickt an den öffentlichen Subventionstöpfen zu bedienen. „Wir müssen weg von der Gießkanne”, hat der nun seit fünf Monaten amtierende Staatssekretär betont. Mehr hat er nicht gebraucht. Verfolgt man das Echo aus dem Kreis berufsmäßiger Kunstrepräsentanten, die sich in ihren Werken gern progressiv geben, deren kulturpolitisches Denken aber offenbar sehr konservativ, wenn nicht sogar reaktionär geartet ist, so soll möglichst alles beim alten bleiben. Und Newcomer wie Peter Wittmann mögen tunlichst die Finger davon lassen.

Die Kernfrage lautet natürlich nicht: Wie lange bleibt Wittmann? Vielmehr geht es um den grundsätzlichen Fragenkomplex: Was ist uns Kunst wert? Was soll der Staat überhaupt subventionieren? Soll er nur oder vorwiegend das fördern, was sich allem Anschein nach „rechnet”, wo direkt oder im Zuge einer nachvollziehbaren Umwegrentabilität die Fördermittel wieder hereinkommen? Oder soll er sich dabei auf möglichst viele Risken einlassen, nur um als großzügiger, der Kunst jede Freiheit lassender Mäzen dazustehen? Bis zu welchem Grad kann er sich das überhaupt leisten, wie viele können ein paar Tropfen aus der öffentlichen Gießkanne ergattern, die vielleicht trotzdem zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel sind?

Das Problem existiert ja nicht nur in der Kunst, sondern ebenso in der Wissenschaft, im Medienwesen oder im Sport. Wer oder was soll gefördert werden? Und aus welchen Motiven? Eine erfolgreiche Zeitung oder ein Seriensieger auf dem Tennis-Court oder auf der Skipiste brauchen keine Förderung. Echte und sogenannte Qualitätsmedien oder Champions in Randsportarten haben dagegen meist die Presseförderung oder die Mittel der Sporthilfe nötig, aber wie verfährt man hier objektiv und gerecht? Kann man überzeugend argumentieren, warum und wie hoch man einen Stemmer oder einen Orientierungsläufer subventioniert?

Während es aber im Sport noch zahlenmäßige Anhaltspunkte (meßbare Leistungen, Ränge bei internationalen Bewerben) gibt, fehlen im Bereich der Kunst meist solche Richtwerte. Wenn dann im Kulturbericht der Stadt Wien für 1996 der eher bescheidenen Unterstützung notleidender bildender Künstler mit 118.000 Schilling ein Betrag von fünf Millionen Schilling für die künstlerische Gestaltung einer Fassade (Christian Ludwig Attersee) gegenübersteht, liefert dies Diskussions-

Stoff. Sicher ist, daß man es nicht jedem recht machen kann, daß Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Klar sollte aber auch sein, daß der mit Sparpaketen beladene Staatsbürger ein Recht darauf hat, daß die öffentliche Hand sein Steuergeld auch im Bereich der Kunst verantwortungsvoll ausgibt.

Natürlich ist Kulturpolitik nicht hundertprozentig von Weltanschauung und Partei-politik zu trennen, aber weder für die Kultur noch für die Politik ist es günstig, wenn ein Gerede von „Staatskünstlern” aufkommt, die man fördert, um sie ruhig zu stellen oder ihre Kritik in die richtigen Bahnen zu lenken. Zumindest entsteht dieser verheerende Eindruck, wenn einander bestimmte Künstler und der jeweilige Kunstminister - die Ära Schölten war dafür das markanteste Beispiel - ständig die Mauer gegen alle Kritiker machen.

Nicht nur Wittmanns Ansätze, auch die Aussagen von Peter Marboe, dem neuen Wiener Stadtrat für Kultur, gehen in die Richtung, nicht mehr alles und jedes, was sich Kultur nennt, zu fördern. Marboe will die mit Kunstförderung betrauten Gremien in Wien entpolitisieren (dazu gehört sein Vorschlag, die Sängerin Leonie Rysanek zur Präsidentin der Wiener Festwochen zu wählen), er hat auch die Frage nach der Effizienz von Kunst ins Spiel gebracht.

Die ist naturgemäß schwer zu beantworten. Mutmaßlich sind volle Theater und Ausstellungen effizienter als groß-teils leere, aber die gut ausgelasteten Bundestheater läßt sich der Staat auch über drei Milliarden Schilling kosten, während von der Milliarde Kunstförderung auf Kleinbühnen, Freie Gruppen und einzelne Theaterschaffende nur 33,2 Millionen Schilling entfallen.

Peter Wittmann formulierte seine Pläne in einem „Standard” -Intervie w (18. Juni 1997) so: „Mir schwebt vor, fünf bis sechs Stiftungen einzurichten, die eigenverantwortlich über die Mittel verfügen. Die Politik spricht mit ihnen längerfristige Konzepte ab, mischt sich aber nicht mehr in die Einzelmaßnahmen ein. Dann erübrigt sich die ganze Staatskünstler-Problematik wie auch die Frage der Abhängigkeit.” Der Staatssekretär denkt auch ohne sozialdemokratische Scheuklappen daran, den Ankauf von Kunstwerken bis zu einer bestimmten Höhe steuerlich zu berücksichtigen.

Während Gerhard Ruiss von der Interessengemeinschaft Autoren spontan „irreparable Schäden” für kleine Literaten und einen „Großen Grabgesang” für die österreichische Kunst befürchtete, reagierten die Oppositionsparteien vorwiegend positiv auf Wittmanns Ideen. Sie beruhen auf geglückten ausländischen Modellen, dahinter steht aber natürlich auch die Erkenntnis, daß die Mittel für Subventionen sicher nicht reichhaltiger werden.

Der Bürger hat das Recht, daß sein Geld sparsam verwaltet und sinnvoll ausgegeben wird, der Künstler hat ein Recht, daß die Kriterien der Kunstförderung einsichtig sind und daß eine Neuordnung so vollzogen wird, daß seine Existenz nicht von heute auf morgen gefährdet ist. Grundsätzlich erscheinen aber die Vorhaben von Peter Wittmann und Peter Marboe, die Geldvergabe an möglichst unabhängige Einrichtungen zu delegieren, positiv, auch wenn die Dauerbezieher von Subventionen zittern mögen, daß einmal auch andere ihre Chance (und das entsprechende Kapital) erhalten.,

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