6760087-1968_12_04.jpg
Digital In Arbeit

Dimensionen der Forschung

Werbung
Werbung
Werbung

„Wir Europäer müssen lernen, bei der Gestaltung unserer Wissenschaftspolitik räumlich und zeitlich in größeren Dimensionen zu denken: Zeitlich, indem wir Forschung und Entwicklung fördern im Blick auf die zukünftigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Gesellschaft; räumlich, indem wir die Zersplitterung Europas überwinden und zu einer institutionell gesicherten europäischen Forschungspolitik kommen!"

Als Bonns Wissenschaftsminister Dr. Gerhard Stoltenberg diese Worte sprach, stand er im Chateau de la Muette in Paris, dem Sitz der OECD, vor den Kollegen aus 22 Mitgliedsund zwei Beobachterstaaten, die ihn zum Präsidenten der dritten Konferenz der Wissenschaftsminister gewählt hatten. Zwei Tage lang diskutierten sie lebhaft, unterstützt von Experten des Erziehungs- wie des Industrieforschungswesens, wie man die großen Unterschiede im Forschungspotential — und damit im Wirtschaftspotential — der OECD- Staaten überwinden, wie man gemeinsam große Projekte der Grundlagenforschung durchführen und wie man die Flut von Forschungsergebnissen in einem für alle greifbaren Informationssystem verwertbar machen könnte.

Amerika voran

Man sprach von den „großen Unterschieden“ zwischen den Leistungsniveaus „der Mitgliedstaaten“

— und meinte damit den großen Vorsprung, den die USA allen ändern, vor allem den europäischen Ländern gegenüber besitzen. Dieser Abstand war auch der Ausgangspunkt gewesen, von dem aus die letzte Tagung der Minister vor zwei Jahren die Zielrichtung der nächsten angepeilit hatte. Aber nun wurde doch deutlich, daß nicht nur die USA den Europäern davonlaufen, sondern daß audh zwischen Nord und Süd, zwischen Groß und Klein ähnliche „Abstände“ bestehen.

So entwickelte sich die Diskussion auch zum guten Teil zu einem harten Ringen zwischen den Amerikanern und den Europäern, für die Frankreichs Minister Maurice Schu- man, fleißig assistiert von den Pariser Blättern, vorstieß. Wenn nun die Kennedy-Runde alle Zollgrenzen beseitige, schrieb der „Figaro“, wür den die Amerikaner keinerlei Interesse mehr haben, ihre Lizenzen an die Kleinen abzugeben, die sich dann nicht mehr durch Zollmauem gegen die Flut amerikanischer Erzeugnisse wehren könnten. Und so stand auch in der Diskussion die Frage der Patente und Lizenzen im Mittelpunkt, als man sich bemühte, einen regeren Austausch von Forschungsergebnissen zwischen den Mitgliedsstaaten zu erreichen. Dort, wo Lizenzen und Patente aus vom Staat finanzierten Forschungsprojekten im Staatsbesitz stünden, sollten sie im Austausch zur Verfügung gestellt werden. Private Patentrechte aber dürften ‘ nicht angetastet werden.

Hochschulen und Grundlagenforschung

Als ersten Punkt zur Überwindung dieser Unterschiede nannte Dr. Jacques Spaey, Belgier und Direktor des Ausschusses für Wissenschaftspolitik der OECD, den Ausbau des Hochschulwesens. Eine moderne Industriewirtschaft braucht zahlreiche Wissenschaftler, Ingenieure und gut ausgebildete Manager, ebenso aber auch eine große Anzahl von Technikern. Deswegen müsse das Hochschulsystem einen bedeutenden Teil der Jugend über 18 Jahren erfassen und nach den Bedürfnissen einer in Umbildung befindlichen Gesellschaft ausbilden, meinte er. Und gleich darauf betonte er: Die Hochschulausbildung ist untrennbar verbunden mit der Grundlagenforschung.

Damit hatte er zwei brisante Themen auf einmal aufgegriffen. Unter den Arbeitsunterlagen der Konferenz hatte der Bericht des Professors Joseph Ben David aus Jerusalem in den Zeitungen rege Beachtung gefunden — hatte er doch, angeblich nach einer intensiven Untersuchung amerikanischer, französischer, englischer und deutscher Universitäten und ihrem Vergleich festgestellt, die europäischen Forschungssysteme — an den Hochschulen — seien nicht nur unfähig., die Aufgaben zu erfüllen, wie sie in den USA bewältigt würden, sondern sie seien auch auf anderen Sektoren der Volkswirtschaft unergiebig.

Der oberste Maßstab

Daß im Bereich der tratfitlonerei- chen europäischen Universitäten so manche Reform nötig wäre, wurde auch von niemandem bestritten — aber Österreichs UnteirichtsmSnister Dr. Theodor piffl-Percevio sprach auch für manchen ändern, als er betonte, daß auch in den USA die enge Verbindung der Forschung mit

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung