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Diözesane Lehrerakademien

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Die Schulgesetze 1962 stellten die meisten österreichischen Bischöfe vor eine schwerwiegende Entscheidung: Soll die Kirche künftig an der österreichischen Pflichtschullehrerbildung durch Führung kirchlicher Anstalten (Pädagogische Akademien) mitwirken oder sich auf eine indirekte Einflußnahme durch Religionsunterricht und etwa Beistellung von Studentenheimen beschränken? Bisher waren rund 50 Prozent der österreichischen Lehrerbildungsanstalten konfessionelle Anstalten. In den meisten Fällen handelte es sich um Ordensschulen. Sie alle laufen aus und werden meist in musisch-pädagogische Realgymnasien umgewandelt, die ja nur Zubringerschulen für die eigentliche Lehrerbildung sein können. Kaum ein Orden ist in der Lage, eine Lehrerbildung nach den neuen Schulgesetzen in der Form der Pädagogischen Akademien, die ja in vieler Hinsicht pädagogischen Hochschulen ähnlich sind, einzurichten und zu führen. Die Möglichkeit dazu besteht wohl nur durch enorme finanzielle Anstrengungen und Konzentration aller Kräfte auf diözesa- ner Ebene.

Argumente dagegen

Nicht wenige maßgebliche und verantwortungsbewußte Stimmen im innerkirchlichen Raum plädierten unter diesen Umständen für einen Rückzug au= der eigentlichen Lehrerbildung. Ein gewisses Unbehagen dem Privatschulgedanken gegenüber in einer Zeit, da die Kirche ein tapferes Ja zur Realität einer pluralistischen Gesellschaft spricht, Angst vor einem geistigen Getto, Überbeanspruchung der wirtschaftlichen Möglichkeiten auch auf diözesaner Ebene waren ihre Hauptargumente. Dazu befürchteten sie, die bundesstaatlichen Akademien könnten gerade von den dort so notwendigen katholischen Kräften entblößt und etwa in ein areligiöses Fahrwasser abgedrängt werden. Ihr Vorschlag daher: Das Bestmögliche aus dem Religionsunterricht (Religionspädagogik war ursprünglich nur als „Name“ für Religionsunterricht ge dacht, wurde aber doch inzwischen zu einem wirklichen Pädagogikfach aufgewertet!) iherausholen und Bau von Studentenheimen unter kirchlicher Leitung. Nur wer mit der Materie näher vertraut ist, wird die Problematik der vorgebrachten Argumente und der angebotenen Lösungen erkennen können.

Sicherlich würde die Möglichkeit, den bestehenden konfessionellen Schulen eine weitere zum Teil vom Staat subventionierte Privatschule auf diözesaner Ebene anzufügen, niemals allein den Aufwand für die Errichtung von katholischen Pädagogischen Akademien rechtfertigen; ebenso nicht die Tatsache, daß die Kirche nicht gerne verbriefte, durch internationale Verträge geschützte Rechte aufgibt.

Nur wenn es gelingt, einen neuen Typ einer kirchlichen Bildüngs- anstalt zu kreieren, ist der Bau und die Führung katholischer Lehrerbildungsstätten in unserer Zeit zu verantworten. Eine Internatserziehung im eigentlichen Sinn hat in dieser Altersstufe kaum noch echte Chancen. Es geht hier nicht so sehr um die charakterliche Formung des künftigen Lehrers oder um dessen „religiöse Betreuung“, sondern um die Bildung seiner persönlichen Weltanschauung. Der Schwerpunkt des Einflusses verlagert sich — ähnlich wie an den Hochschulen — in die Lehrveranstaltungen und in alle direkten Formen der Berufsausbildung.

Im ständigen Gespräch

Von größter Bedeutung ist daher, daß die ohnedies nur vier Semester währende eigentliche Berufsausbildung der künftigen Lehrer von einer sicheren Basis ausgeht, nämlich von einem durch das christliche Menschen- und Gesellschaftsbild bedingten Erziehungs- und Bildungsziel. Eine solche Anstalt muß aber welt- zugewandt sein, sich in jeder Generation neu den Problemen vom christlichen Standpunkt aus stellen. Die kirchliche Akademie muß ein ständiger Diskussionsbeitrag im immer neu zu führenden Gespräch in Fragen der Pädagogik, der Er ziehung, der Bildung sein. Sie muß aber auch im eigenen Betrieb sowohl den Lehrenden wie den Studierenden den Raum für den Dialog mit allen Geistesströmungen der Zeit hieten. Leistet sie das, dann ist ihre Einrichtung nicht nur vertretbar, sondern aller Anstrengungen wert. Dann wird sie auch in einem fruchtbringenden geistigen Wettstreit mit den staatlichen Lehrerakademien stehen. Letztere könnten nur allzu leicht das Spiegelbild einer die staatliche Unterrichtsverwaltung beherrschenden Ideologie werden.

Keine Machtfrage

Ja, sie könnten sogar durch ihre Kuratorien, die ja politisch-paritä- tisch zusammengesetzt sind, in den parteipolitischen Tageskampf und in machtpolitische Konstellationen mit einbezogen werden. Nicht zufällig streben alle Diktaturen ein staatliches Bildungsmonopol an und legen besonderen Wert auf eine „linientreue“ Lehrerbildung.

Ob die katholische Kirche Österreichs in mehreren Diözesen Pädagogische Akademien einrichtet und führt, ist nicht eine Frage der Macht, des Prestiges oder der Taktik. Wenn sich Bischöfe unter großen Opfern dazu entschließen, dann tun sie dies aus Verantwortung für die Zukunft unseres Volkes und für seine geistige Freiheit.

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