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Drei Fakultten fur Linz?

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In dem Jahr, da der Spatenstich für die Linzer Hochschule durchgeführt wird, ist die Frage berechtigt, wie es mit dem wichtigsten Unterbau dieser neuen Hochschule, mit dem Schulwesen in Oberösterreich, bestellt ist.

Gewiß, in erster Linie ist hier die allgemeinbildende höhere Schule entscheidend — und da hinkt Oberösterreich, ebenso wie auf dem Gebiet des Akademikernachwuchses, hinter einer Reihe anderer österreichischer Bundesländer noch nach. Auf tausend Einwohner entfallen etwa in Wien 17,6 Mittelschüler, in Salzburg 12,5, in Vorarlberg 10,5 und in der Steiermark 10,4 Mittelschüler. Dann erst folgt Oberöster-leich in einer Linie mit Kärnten und Tirol — mit 10,3 Mittelschülern. Schlechter gestellt sind nur noch Niederösterreich und das Burgenland mit 8,1 beziehungsweise 5,9 Mittelschülern je 1000 Einwohner. Das ist vor allem das Erbe jener vom Liberalismus geformten Jahre, in denen man wohl Verständnis für notwendige Bildungseinrichtungen hatte, aber nicht daran dachte, daß die Begabungen dort gesucht werden müssen, wo sie noch zu finden sind, wobei man aber nicht voraussehen konnte, welch außerordentliche Belastung ein neunjähriges Mittelschulstudium und ein nachfolgendes fünf-, sechs- oder siebenjähriges Hochschulstudium außerhalb des elterlichen Wohnortes einmal ausmachen würden! Noch heute sieht man die Zentralisation von Mittelschulen in Linz, wo sich allein elf solcher Schulen mit 186 Klassen und 5311 Schülern befinden.

Immerhin verfügt Oberösterreich mit seinen 1,1 Millionen Einwohnern heute über 28 allgemeinbildende höhere Schulen mit 387 Klassen und 11.721 Schülern. Auf 100 Oberösterreicher entfällt also derzeit ein Mittelschüler (einer allgemeinbildenden Schule). Neben siebzehn öffentlichen Schulen stehen elf private Schulen; die Klassen-und Schülerzahl zeigt allerdings an, daß die privaten (das sind praktisch die katholischen) Schulen eine sichtbare Minderheit darstellen: Neben 305 Klassen mit 9215 Schülern in öffentlichen Schulen stehen nur 82 Klassen mit 2506 Schülern an privaten Schulen!

Noch wesentlich anders ist natürlich das Verhältnis bei den allgemeinbildenden Pflichtschulen. Hier gibt es unter 801 allgemeinbildenden Pflichtschulen nur 25 private (mit 108 von insgesamt 4345 Klassen und mit 4016 von 139.758 Schülern.)

Eine Reihe erfreulicher Dinge ist wert, gerade auf dem Pflichtschulsektor hervorgehoben zu werden. So kommen die niederorganisierten Schulen immer mehr in die Minderheit. Unter den 624 Volksschulen Oberösterreichs (das gegenwärtig über rund 450 Gemeinden verfügt) sind zwei Drittel vier- bis acht-klassig. Daneben sind wohl noch achtzehn Schulen einklassig, 117 Schulen zweiklassig und 88 Schulen dreiklassig. Hier besteht eben der Zwiespalt zwischen einer niederorganisierten Schule und dem langen Schulweg. Auch die Einführung von Schulautobussen ist leider kein Allheilmittel, vor allem in den Gebirgsgegenden und im Winter.

Von den 3078 Volksschulklassen Oberösterreichs haben mehr als zehn Prozent, nämlich 333 Klassen, bis zu 25 Schüler. Weniger als 40 Schüler haben 2500 Klassen, mehr als 40 Schüler 526 oder 17 Prozent der Klassen. Nach den novellierten Bestimmungen des Schulorganisationsgesetzes, die die Schülerklassen mit 40 Schülern beschränken, wären allerdings ab 1. Jänner 1965 in Oberösterreich 526 neue Klassenräume und auch ebensoviel zusätzliche Lehrer (allein auf diesem Sektor) nötig.

Immerhin ist der gegenwärtige Durchschnitt in Oberösterreich mit 33,9 Schülern je Volksschulklasse ausgesprochen erfreulich — auch im Vergleich mit dem benachbarten Deutschland und auch im europäischen Durchschnitt.

Ähnlich erfreuliche Klassenschü-lerzahlen sind übrigens auch an den 1066 Klassen der 154 Hauptschulen zu finden, in denen 33.204 Hauptschüler unterrichtet werden. Es entfallen also auf 100 Oberösterreicher neben einem Mittelschüler 30 Hauptschüler! In 942 der 1066 Klassen sind heute schon weniger als 40 Schüler. Nach der neuen Regelung wären in Oberösterreich ab 1965 67 neue Hauptschulklassen und 100 zusätzliche Lehrkräfte nötig.

Außerordentliches an Schulneu-und -umbauten ist seit Kriegsende geschaffen worden — 1038 Volksschulklassen, 608 neue Hauptschul-und 49 neue Sonderschulklassen, insgesamt also 1695 Klassen (wozu noch 57 Turnsäle kommen) — und auch Oberösterreichs Landesbudget sieht für 1964 für Schulbauten weitere 91 Millionen Schilling vor, wozu die sehr wesentlichen Leistungen der Gemeinden kommen. Der Bedarf an zusätzlichen Schulklassen ist aber eben neu berechnet worden und zeigt eine ähnlich hohe Zahl wie die seit 1945 errichteten, nämlich 1439! Durch die Senkung der Schülerzahl auf 40 Schüler je Klasse benötigt man insgesamt 594 Klassen mehr; durch die Senkung von 40 auf 36 Schüler weitere 553 Klassen und durch die Einführung eines neunten Schuljahres 292 Klassen. Dabei weiß man buchstäblich nicht, wo der Schuh am meisten drückt, denn noch immer sind 76 Prozent aller oberösterreichischen Schulen ohne Turnsaal oder Turnraum!

Natürlich werden nicht nur Schulklassen, sondern auch Lehrer fehlen, und das ist fast die noch größere Sorge. Insgesamt hat man errechnet, daß auf Grund der neuen Schulgesetze Oberösterreich einen zusätzlichen Bedarf von 1699 Lehrkräften haben wird. Nach neuesten Erhebungen — über die der Präsident des Landesschulrates, Professor Rödhammer, erst kürzlich anläßlich der Konstituierung des Kollegiums des Landesschulrates berichtete — werden wohl nur rund 40 Prozent der Schulanfänger und rund 50 bis 60 Prozent der Schulabgänger nach achtjähriger Schulpflicht das polytechnische Jahr besuchen, das ergäbe für das Schuljahr 1966/67 rund 8400 Schüler, für die 265 zusätzliche Klassen und 400 Lehrer nötig werden. Bei der Senkung der Schüler auf 40 je Klasse sind zusätzlich 627 Volks- und Hauptpchullehrer nötig, bei einer Senkung auf maximal 36 Schüler je Klasse werden in Oberösterreich 592 Lehrkräfte benötigt, bei Verwirklichung der Leiterfreistellung noch 80 Lehrkräfte.geringfügiger Lehrermangel

Gewiß ist auch in Oberösterreich auch heute schon ein Lehrermangel spürbar (allerdings nur in jenern Ausmaß, den Karenzurlaub und Präsenzdienstleistung bewirken), wenn auch lange nicht in jenem Ausmaß wie in den anderen österreichischen Bundesländern und im Ausland. So konnte Oberösterreich am Beginn des Schuljahres 1963/64 die Rekordzahl von 266 Neueinstellungen (bei nur zehn Wiedereinstellungen) melden. Diesen Neueinstellungen stehen 50 Pensioniejrungen, vor allem aber 80 Austritte aus dem Beruf gegenüber. Bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, daß die in Oberösterreich bestehenden vier Lehrerbildungsanstalten nur die Hälfte des Lehrernachwuchses stellen. Als besonders zweckmäßig hat sich erwiesen, daß man in den letzten Jahren einen besonderen Schwerpunkt auf die Abiturientenjahrgänge legte.

Ein Blick über die Grenze zeigt, daß man in Oberösterreich noch verhältnismäßig günstig gestellt ist. Für das benachbarte Deutschland etwa hat man unter Zugrundelegung von 33 Schülern je Klasse einen Fehlbestand von 36.000 Lehrkräften berechnet und für das Jahr 1970 einen Fehlbestand von 88.000 Lehrern angenommen.

Außerordentliche Anstrengungen wurden in den letzten Jahren zum Ausbau der berufsbildenden Pflichtschulen (Berufsschulen) gemacht. An den 20 gewerblichen Berufsschulen Oberösterreichs mit 589 Klassen werden derzeit 15.571 Schüler von 203 vollbeschäftigten und 188 teiibeschäftigten Lehrkräften unterrichtet. Bei den 15 kaufmännischen Berufsschulen sind es 232 Klassen mit 6759 Schülern und 81 vollbeschäftigten und 80 teilbeschäftigten Lehrkräften.

Aber auch das berufsbildende mittlere und höhere Schulwesen zeigt eine sichtbare Erweiterung: In 21 Schulen und 220 Klassen studieren 1771 Schüler in höheren technischen Lehranstalten und gewerblichen Fachschulen, 2221 Schüler an Handelsschulen und Handelsakademien, schließlich 1276 Schülerinnen an mittleren und höheren Lehranstalten für Frauenberufe. 460 hauptamtliche und 141 nebenberufliche Lehrkräfte beschäftigen allein diese berufsbildenden Schultypen.

Anläßlich der Konstituierung des Linzer Hochschulfonds am 19. Dezember 1963, die in Abwesenheit des verständnisvollen Förderers der Linzer Hochschule, des Bundesministers Dr. Drimmel, im Landtagsitzungssaal stattfand, deutete Landeshauptmann Dr. Gleißner. der nicht nur der Initiator, sondern auch der Schulreferent des Landes Oberösterreich ist, auch die Ausbaumöglichkeiten der Linzer Hochschule an. „Schon bei der Einrichtung der ersten Lehrkanzeln muß darauf Bedacht genommen werden“ — erklärte Dr. Gleißner — „daß eine Erweiterung des Lehr- und Studienplanes in Richtung auf eine juridische Fakultät als Fernziel im Auge behalten werde. In weiterer Folge könnte die derzeitige theologische Diözesanlehranstalt, die als letzter Rest der Linzer Hochschulgründung des 17. Jahrhunderts anzusprechen ist, der neuen Hochschule angegliedert werden. Gemäß dem Motivenbericht zum Linzer Hochschulgesetz ist auch eine Erweiterung in Richtung technischer Studien die aktuellste und wichtigste Möglichkeit. Gerade diese Erweiterung ist angesichts der Überlastung der derzeitigen technischen Hochschulen in Österreich besondei-s aktuell, vor allem aber auch mit Rücksicht auf die geradezu stürmische Industrialisierung im Zentralraum von Oberösterreich höchst sinnvoll.“

Die Linzer Hochschule wird nicht nur eine Art Schlußstein für das Schulwesen Oberösterreichs darstellen, sie wird sicher auch zum systematischen Ausbau des bestehenden Schulwesens beitragen.

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