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Die Konsumethik ist eine Folge der Konsumfreiheit, die ein wesentlicher Bestandteil einer auf Wahrung der Menschenwürde gerichteten Wirtschaftsordnung ist. Die Konsumfreiheit besteht in der freien Verfügung über das Einkommen.

Sicherlich hat der Verbraucher um so weniger wirkliche Wahlmöglichkeiten, je geringer sein Einkommen ist. Er muß seine dringendsten Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Bekleidung, Wohnung und dergleichen, befriedigen. Je höher aber das Einkommen wird, desto zahlreicher werden die Möglichkeiten des Gebrauches wie auch des Mißbrauches und desto größer wird die Verantwortung des Konsumenten. In einer Zeit des steigenden Lebensstandards und der sinkenden Arbeitszeit gibt es vom Standpunkt der christlichen Wirtschaftsgesinnung neben der richtigen Freizeitgestaltung kein dringenderes Problem als die damit eng zusammenhängende Konsumethik.

Einer solchen Haltung bedarf es schon zur richtigen Rangordnung der Bedürfnisse. Zunächst steht die Wahl zwischen den Sofortbedürfnissen im Vordergrund. Eltern, die ihre Kinder mit kostspieligem Spielzeug verwöhnen, aber in Erziehung und Berufsausbildung vernachlässigen, mit Näschereien statt mit kräftiger und gesunder Nahrung versorgen, und Mensehen, die ihr Geld in oberflächlichen Unterhaltungen verzetteln, es aber dann an notwendigen Dingen fehlen lassen, verstoßen gegen diese Rangordnung.

In der Marktwirtschaft sollten die Konsumenten ihre Wünsche durch die Wahl ihrer Anschaffungen entschieden vertreten, die Produzenten aber müßten sich diesen Wünschen fügen. Statt dessen lassen sich die Konsumenten weitgehend von den Produzenten und ihrer Werbung leiten. Zweifellos dürften im Wirtschaftsprozeß nur jene Güter erzeugt bzw. angeboten werden, deren Inanspruchnahme dem Sittengesetz nicht widerspricht, wie dies schon in den Leitsätzen des letzten Wiener Diözesankatholikentages klar ausgesprochen worden ist. Ebenso ist auch die Anwendung von Werbemethoden verboten, die an sich schon sittenwidrig sind, wie das Vortäuschen bestimmter Eigenschaften einer Ware oder der Appell an trübe Instinkte. Von diesen Entartungen abgesehen, aber sind Werbung und Reklame eine unentbehrliche Form des Angebotes in einer Marktwirtschaft und ermöglichen in vielen Fällen überhaupt erst einen gewissen Marktüberblick. Es hieße von der Freiheit und Würde des Einzelmenschen zu gering denken, wollte man der industriellen Produktion und ihrer kommerziellen Werbung allein die Verantwortung für manche bedenkliche Konsumgewohnheiten anlasten. Der Versuch, dem Käufer mehr als die Ware selbst, nämlich Schönheit, soziales Ansehen und Sicherheit zu verkaufen, hat den unselbständigen, völlig milieuabhängigen Massenverbraucher zur Voraussetzung. Daß sich manche Modetorheiten der letzten Jahre allen Bemühungen zum Trotz nicht durchsetzen konnten, widerlegt die Vorstellung von der Allmacht der kommerziellen Propaganda, mit deren „Suggestivwirkung” wir uns allzu gerne entschuldigen wollen.

Ueberall dort, wo der unvernünftige Gebrauch der angebotenen Ware oder Dienstleistung zum Mißbrauch wird, sind in erster Linie die Konsumenten selbst schuld. Den Menschen ernst und voll nehmen, heißt gerade die Verantwortlichkeit in diesen Alltagsentscheidungen ernst nehmen.

Die Leitsätze des Wiener Katholikentages haben ferner darauf hingewiesen, daß jeder die Produktionsmittel, über die er verfügt, möglichst rationell einzusetzen hat. Dies gilt analog auch für die Einkommensverwendung des Konsumenten. Wer nur gewohnheitsmäßig und nicht zweckdienlich und preiswert einkauft, verabsäumt die Sorgepflichten für seine Familie, aber auch die Mitwirkung am volkswirtschaftlichen Prozeß. Mit der kritiklosen Befolgung der nächstbesten Werbeaufforderung und mit der Gedankenlosigkeit beim Einkauf nähren viele die Verhaltensweise bestimmter Produzenten, die sie gleichzeitig anklagen. Tatsächlich ist für den Aufbau einer Wirtschaftsordnung, die dem Sozialzweck der Wirtschaft entspricht, neben dem echten Unternehmer auch der verantwortungsbewußte Konsument notwendig.

Wo es das Einkommen erlaubt, tritt neben die Wahl zwischen gleichzeitig konkurrierenden noch die zwischen sofortigen und zukünftigen Bedürfnissen, das heißt mit anderen Worten, die Entscheidung zwischen Konsumieren oder Sparen.

Der Sparsinn ist gerade heute von größter wirtschaftlicher Tragweite. Junge Ehepaare, die wohl ein Kraftfahrzeug, aber keine Wohnung besitzen, werden in der-Regel nicht von richtigen Grundsätzen geleitet. Auch auf diese grundsätzlichen Forderungen haben die Leitsätze des Katholikentages klar hingewiesen.

Unter den zahlreichen Sparmö Jjchheiten kommt” der Eigentumsbildung besondere Bedeutung zu. Ihre Förderung ist wohl eine der vordringlichsten Aufgaben der öffentlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Staat kann jedoch nur die Wege ebnen, sparen muß der Konsument selbst. Nur dann, wenn viele produktives Eigentum erwerben, kommt die erwünschte Streuung zustande: Solange es an der notwendigen Bereitschaft mangelt, für außergewöhnliche Zeiten selbst Vorsorge zu treffen, ist der Staat förmlich gezwungen, für alles und allein vorzusorgen wie der Hausvater für unmündige Kinder. Eine freie, nicht allein von der Hilfe des Staates abhängige Gesellschaft, ist ohne Konsum- und Sparmoral undenkbar.

Eine solche Konsum- und Sparethik ist aber auch volkswirtschaftlich von größter Wichtigkeit. Es sollte ja doch weder der Staat durch hohe Besteuerung noch der Privatunternehmer durch hohe Preise den notwendigen Konsumverzicht erzwingen müssen. Die künftige ‘Kapitalbildung ist nicht nur für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft auf dem europäischen Markt von ökonomischer, sondern im Hinblick auf die Entwicklungsländer Asiens und Afrikas und die gewaltigen Kapitalanhäufungen der kommunistischen Länder auch von weltpolitischer Bedeutung.

Nur wer die Schwächen des Menschen in seiner Funktion ajs Konsument kennt und trotz? dem die Freiheit der Konsumwahl und des Eigentumsrechtes am Einkommen gegen alle Uebergriffe des Staates u. ä. verteidigt, nimmt Würde und Freiheit des Menschen wirklich ernst. Diese Schwächen dürfen nicht durch Bevormundung, sondern müssen durch Erziehung zur richtigen Verbraucherethik bekämpft werden. Dies gilt besonders für die Hausfrauen, durch deren Hände nach neueren Schätzungen etwa drei Fünftel bis zwei Drittel des Volkseinkommens gehen. Gerade die Frage nach einer rechten Wirtschaftsordnung in einer Gesellschaft, wie sie seit je den Vorstellungen einer christlichen Gesellschaftsreform vorschwebt, ist nicht zuletzt eine Frage nach dem rechten Verhalten des Letztverbrauchers, der die effektive Nachfrage kontrolliert.

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