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Dürfen unsere Mütter etwas kosten?

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„Der Kampf um die Mutterbeihilfe“ ist das Thema des diesjährigen „Kana-Tagcs“, der traditionellen Kundgebung des Katholischen Familienverbandes Oesterreichs, die am 17. Jänner im Wiener Konzerthans stattfindet.

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„Der Kampf um die Mutterbeihilfe“ ist das Thema des diesjährigen „Kana-Tagcs“, der traditionellen Kundgebung des Katholischen Familienverbandes Oesterreichs, die am 17. Jänner im Wiener Konzerthans stattfindet.

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Unter den familienpolitischen Hauptforderungen der letzten Jahre ist jene nach wirtschaftlicher Unterstützung und arbeitsmäßiger Entlastung der hauptberuflich tätigen Familien-mutter — das Gegenstück zur ideellen Seite ihrer gesellschaftlichen Wertschätzung — immer mehr in den Vordergrund gerückt. Eine doppelte Zielsetzung ist damit verbunden. Einmal soll die Mutter vom Zwang einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit befreit werden, einem Zustand, der beim gegenwärtigen Stand des Familienlastenausgleichs immer noch häufig anzutreffen ist. Zum anderen soll dadurch die Hausfrau und Mutter eine öffentliche Anerkennung und Würdigung erfahren. Seit Jahrzehnten ist ihr soziales Prestige im Sinken, insbesondere gegenüber der erwerbstätigen Frau. Eine solche Maßnahme aber wäre geeignet, das öffentliche Ansehen der in der Familie beheimateten Frau sowie deren Selbstwertgefühl zu stärken.

Es gibt mehrere Wege, die zur Erreichung dieses Zieles beschritten werden können, wobei dem wirtschaftlichen Effekt der Dringlichkeit halber der Vorrang gebührt. Verwaltungstechnisch am einfachsten wäre eine entsprechende steuerliche Anerkennung der hauptberuflich in jäte fiamrJie tätigen Frau, wie es etwa auch in der Bundesrepublik Deutschland (aber auch in ^anderen '• Ländern) diaflhW 4inenn'!WsätzIrchen Steuerfreibetrag geschieht, womit die „Nur-Hausfrau“ der im Familienbetrieb mittätigen Ehefrau steuerlich gleichgestellt ist. Die diesbezügliche Forderung der Familienverbände — oft ausgesprochen — stieß bei den maßgeblichen österreichischen Stellen bisher auf taube Ohren. Es muß betont werden, daß diese steuerliche Maßnahme allein nicht befriedigen würde, weil die ohnehin keine oder keine nennenswerte Steuer mehr zahlenden niedrigen Einkommensempfänger mit Kindern nichts oder nicht viel davon hätten. Immerhin aber würde dadurch die eklatante Steuerungerechtigkeit bei den Familien mit mittleren und höheren Einkommen unter dem Titel „Anerkennung der beruflichen Leistung der Familienmutter“ etwas gemildert.

Diese Steuerermäßigung — zweckmäßigerweise erst gewährt bei Vorhandensein mindestens eines Kindes — müßte kombiniert werden mit der Auszahlung einer Mutterbeihilfe. Aus Gründen einer einfachen und billigen verwaltungstechnischen Durchführung könnte man bei den Arbeitnehmern in analoger Weise verfahren wie bei der Kinderbeihilfe: Auszahlung durch den Arbeitgeber, der diese Ausgabe mit dem Finanzamt gegenverrechnet. Es müßte nur die Lohnsteuerkarte um eine Zusatzeintragung erweitert werden, die über die Erwerbslage der Ehefrau Auskunft gibt. Eine direkte Auszahlung an die Mutter würde den Aufbau eines neuen Verwaltungsapparates mit hohen Kosten erfordern, was tunlichst vermieden werden sollte. Bei mißbräuchlicher Verwendung durch den Mann aber müßte — auf Antrag — diese Beihilfe direkt an die Mutter selbst ausgezahlt werden können, wie dies auch bei der Kinderbeihilfe der Fall ist.

Eine sachlich schwierige und politisch heikle Frage ist die nach gleicher oder unterschiedlicher Behandlung der selbständig und unselbständig Tätigen. Da in der zu erwartenden Diskussion die politischen Stimmen deutlich hörbar sein werden, können wir uns hier auf den sachlichen Gesichtspunkt beschränken. Das Problem besteht darin, ob und wie weit die Frau des selbständig Tätigen (bäuerlicher, gewerblicher und kaufmännischer Haushalt) als „erwerbstätig“ anzusehen ist. Der etwa zu berücksichtigende Hauptunterschied gegenüber dem Unselbständigen liegt nicht in der Tatsache begründet, daß beim selbständig Erwerbstätigen in den meisten Fällen die Ehefrau im Familien-hetrieb immer schon mittäti war und es heute noch ist, wodurch sie im Normalfall auf der einen Seite ihren familiären Pflichten noch genügen kann, auf der anderen aber gleichzeitig das Einkommen vermehrt. Wenngleich heute auch im selbständigen Haushalt, insbesondere im kleinbäuerlichen Betrieb, die Familienmutter dringend einer arbeitsmäßigen Entlastung bedarf (zuviel muß sie in der außerfamiliären Wirtschaft anpacken), wird sie auch in Zukunft neben ihren häuslichen und erzieherischen Pflichten im Familienbetrieb mitarbeiten können, zumal wenn Wohn- und Arbeitsstätte zusammenfallen. Im breiten Durchschnitt sind also die Ehefrauen in den selbständigen Berufen faktisch als erwerbstätig (für den Familienhaushalt) anzusehen, wenngleich sie in keinem Angestelltenverhältnis stehen, kein persönliches Einkommen beziehen und in der Regel ihr außerfamiliäres Wirken umfänglich und vor allem wesensmäßig von ganztägiger außerhäuslicher Arbeit der Frauen in abhängiger Stellung sehr zu unterscheiden ist. Die Frage, ob bei Bereitstellung vermutlich nur unzureichender Mittel die Mütter aus selbständigen Haushalten zum Kreis der Anspruchsberechtigten für den Bezug einer Mutterbeihilfe gerechnet werden sollen, ist deshalb schwer zu beantworten, zumal nicht nur das Ausmaß der Mittätigkeit der Ehefrau im Familienbetrieb, sondern auch die wirtschaftliche Struktur der selbständigen Unternehmungen (man denke nur an die bäuerlichen und gewerblichen Kleinbetriebe, speziell an die Bergbauern) recht unterschiedlich ist. Vielleicht wird ein summarisch gerechter Kompromiß darin liegen, daß die Mütter aus selbständigen Haushalten eine Mutterbeihilfe in der halben Höhe der Unselbständigen erhalten. Wie bei jeder gesetzlichen Regelung wird man auch hier nicht jedem einzelnen gerecht werden können. Die eben erfolgte Bezugnahme auf die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit selbständiger Unternehmungen entspringt nicht dem von den Familienverbänden abgelehnten Fürsorgedenken (Hilfe für notleidende Familie), sondern sie ergibt sich aus den speziellen Umständen der vorgeschlagenen Maßnahme, deren theoretische Erörterung im System des Familienlastenausgleichs den Rahmen dieser Ausführungen sprengen würde.

Die für die Politiker an anderer Stelle zu behandelnde Gretchenfrage bildet natürlich der Bedeckungsvorschlag. Dazu sei hier nur festgehalten, daß es realistische und realisierbare Wege gibt, daß es letztlich nur eine Frage der Einsicht und des guten Willens ist, ob die Mutterbeihilfe eines Tages Wirklichkeit wird. Um zu vermeiden, daß einerseits die dazu nötigen Mittel den Rahmen des politisch Zumutbaren übersteigen, anderseits die Beihilfe mehr als eine Lappalie ausmacht, sei der von den Familienverbänden seit längerer Zeit ge- | machte Vorschlag wiederholt, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf Mütter mit drei und mehr Kindern einzuschränken. Dies ist deshalb vertretbar, weil mit zunehmender Kinderzahl die soziale Deklassierung einer Familie immer noch stark zunimmt. Diese Mutterbeihilfe müßte etwa solange gewährt werden, bis das letzte von mindestens drei Kindern dem Pflichtschulalter entwachsen ist. Die Berechtigung der Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten und der zeitlichen Dauer der Gewährung ist auch im Zusammenspiel mit den übrigen (schon bestehenden oder noch zu schaffenden) familienpolitischen Maßnahmen zu sehen. Zu den notwendig ergänzenden Maßnahmen gehört das im Parlament schon beantragte Familiengründungsdarlehen, die sinnvollerweise noch mit dem Jugendsparen zu koppeln wären (Antrag Kranebitter), die Einführung einer Studienbeihilfe für Jugendliche über 14 Jahren (Vorschlag Reich) sowie eine Erhöhung der Geburtenbeihilfe von 500 auf 1000 Schilling.

Auch an der aufgeworfenen Frage wird es sich erweisen, ob die politischen Kräfte in Oesterreich der Demonstration der FamiKenver-bände die notwendige Beachtung schenken. Noch einmal muß betont werden, daß es beim Familienlastenausgleich nicht mit einer „Politik der kleinen Mittel“ getan ist. Geht es doch dabei nicht nur um ein wohlfahrtspolitisches Anliegen, sondern ebenso um eine erstrangige ordnungspolitische Frage, deren Lösung der entscheidende Ausgangs- und Angelpunkt jeder christlichen Gesellschaftsreform ist. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Mutter. Ihr die urprüngliche und zeitlose Funktiori in der Familie zu sichern oder wiederzugeben, ist der Zweck der Mutterbeihilfe.

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