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Durchtauchen und verschleiern

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Rund 100 Tage später und zehn Tage nach dem Selbstmord von Kontrollbankdirektor Gerhard Pra-schak erweist sich die wohlklingende Feststellung als Sprechblase. Die „Profis" allerdings irritiert das nicht: Man geht nach dieser Panne zur Tagesordnung über. Spitzenfunktionen in Politik und Wirtschaft seien eben harte Jobs, meinte Ex-Vizekanzler Hannes An drosch in der Fernsehsendung „Zur Sache". Wer Fouls und Tritte nicht verträgt, soll eben nicht Fußballer werden.

Walter Fremuth, Ex-Verbundgeneral, ergänzte blauäugig: Die Parteien mögen sich noch so gebärden, besetzt würden die Posten durch die Aufsichtsräte. Und diese ließen sich allein von der fachlichen Qualifikation leiten.

Besonders beeindruckend das „coole" Interview von Bank-Austria-Chef Gerhard Randa: Er bedauere den Tod Praschaks, der offenbar überfordert gewesen sei. Ein Fehler bei der Auswahl. Was Praschak geschrieben habe, sei die eingeengte Sicht eines Selbstmordkandidaten. Rudolf Scholtens Bestellung: eine Notwendigkeit, bei der absehbaren Ausweitung der Kontrollbank-Aktivitäten ... Kein Zögern, kein Wimpernzucken, volle Beherrschung. Ein Mann, der dem Spiel sichtlich gewachsen ist.

Und damit sind wir beim entscheidenden Punkt, dem lockeren Umgang unserer Elite mit der Wahrheit. Noch ein Bespiel? Nach dem Berliner „My-konos"-Urteil gelangen die Morde an drei Kurden 1989 in Wien und die merkwürdigen Vorgänge um das Entkommen ihrer mutmaßlichen Mörder in den Iran wieder in die Schlagzeilen. Alles deutet auf politische Machinationen hin. Keine Bede davon, so die Ex-Minister Alois Mock und Egmont Foreg-ger. Nach dem Auftauchen von Beweisstücken muß plötzlich im zweiten Anlauf die Staatsrai-son als Erklärung herhalten: Auch kein Triumph der Wahrhaftigkeit.

Noch ein Ereignis paßt in das Bild: Der Rücktritt von Gustav Raab, von der Bundesregierung beauftragt, die Informationskampagne über die Einführung des Euro zu organisieren. Objektive Information würde es geben, versteht sich, Ehrensache. Pech für Baab: Es wurde bekannt, daß er einen Vertrag mit der EU-Kommission hatte, der ihn verpflichtete, bei Vorträgen bis ins Detail den Standpunkt der EU zu vertreten.

Eine Kleinigkeit? Nein, sondern typisch für die Art, wie Bürger von „Experten" im Auftrag von Politik und anderen Lobbys pseudo-informiert und für dumm verkauft werden. Ahnlich glaubwürdig ist die Fremuth-Behauptung von der Autonomie der Aufsichtsräte. Offensichtlich wird nur die „creme de la creme" Minister-Sekretär. Diese Spezies sticht, jedenfalls im Bankensektor, offenbar fachlich alles aus, wie die lange Liste zeigt: Franz Vranitzky, Ferdinand Lacina, Ru-dolf Schölten, Alfred Beiter, Stephan Koren, Max Kothbau-er, Gerhard Praschak ...

Alles klar? So klar, wie das erwähnte Randa-Argument. Gott sei Dank war Rudolf Schölten gerade verfügbar, als die Bank dringend noch ein Vorstandsmitglied brauchte. Die vor nicht allzu langer Zeit um teures Geld (einen zweistelligen Millionenbetrag) eingesetzten Unternehmensberater von „Boston Consulting" waren eben zu kurzsichtig. Sie hatten die Bank auf nur zwei Vorstandsmitglieder gestylt. Aber damals war Schölten eben noch Minister.

Spaß beiseite: Das Gefühl, dauernd hinters Licht geführt zu werden, ist ein Ärgernis. Mehr noch: Es gefährdet unser System, das auf Vertrauen aufbaut. Auf Dauer lassen sich die Bürger nicht für dumm verkaufen. Wie sagte doch der deutsche Bundespräsident kürzlich in einer Rede in Berlin?

„In Zeiten existentieller Herausforderungen wird nur der gewinnen, der wirklich zu führen bereit ist, dem es um Überzeugung geht und nicht um politische, wirtschaftliche oder mediale Macht - ihren Erhalt oder auch ihren Gewinn. Wir sollten die Vernunft- und .Einsichtsfähigkeit der Bürger nicht unterschätzen ... Eliten müssen sich durch Leistung, Entscheidungswillen und ihre Rolle als Vorbild rechtfertigen. Ich erwarte auch eine klare Sprache! Wer führt, muß den Menschen, die ihm anvertraut sind, reinen Wein einschenken, auch wenn das unangenehm ist."

Man möge uns reinen Wein einschenken. Das ist im Interesse der Elite gesagt, bitte schön! Ahnliches hat Altpräsident Rudolf Kirchschläger vor Jahren gefordert, als er vom Trockenlegen der „Sümpfeund sauren Wiesen" sprach. Bau-und AKH-Skandal, Klimatechnik, Lucona, Noricum, alles Markenzeichen für die dubiose Verquickung von Politik und Wirtschaft in Österreich.

Bisher hat das unsere Elite locker weggesteckt. Durchtauchen, verschleiern, mit der Vergeßlichkeit der Bürger spekulieren, da und dort ein Bauernopfer - und viel Gerede von Demokratisierung, Transparenz, Mündigkeit des Bürgers. Kaum melden sich die Bürger aber zu Wort, ist Sendepause in der Chefetage. Typisch dafür die Beaktion auf das Gentechnik-Volksbegehren: Ein freundlicher Klima empfängt die Pro-ponenten des Volksbegehrens, berichtet einer von ihnen, Peter Weish. Die Regierung nehme das Ergebnis ernst. Gratulation zum Ergebnis. So weit, so gut.

Und das Ergebnis des Gesprächs? Ein Produktionsverbot für Gen-Nahrung - unvorstellbar, industrieschädigend! Man könne von der Regierung nicht erwarten, daß sie EU-Gesetze breche. Vergessen sind die schönen Worte vor der EU Abstimmung, man werde in der EU für Umweltfragen agitieren. Statt in Brüssel alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Anliegen zu vertreten, wird dem Wähler signalisiert: Ihr 1,23 Millionen Hascherin versteht halt nicht, was in der großen Welt läuft. Macht euch nichts draus, liebe Mitbürger, die bisherigen Volksbegehren hat man auch nicht besser behandelt.

Dieser Zynismus frustriert. Auf Dauer verträgt die Demokratie diesen Hochmut, diesen Mangel an Vertrauenswürdigkeit ihrer Vertreter nicht, vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen die Frustrationstoleranz sinkt. Jörg Haider braucht nur zu warten: Woche für Woche liefern ihm jene, die sich als Staranwälte der Demokratie gebärden, Munition für den Ruf nach einer anderen Art von Politik. Darf man sich wundern, wenn die Zahl jener wächst, die von einem starken Mann träumen, der endlich aufräumt mit den Mißständen, über die sich die derzeit Mächtigen dauernd hinwegturnen?

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