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Ein Aus für Hertha Firnbergs Universität

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Wissenschaftsminister Caspar Einem bricht mit der sozialistischen Bildungspolitik der siebziger Jahre.

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Wissenschaftsminister Caspar Einem bricht mit der sozialistischen Bildungspolitik der siebziger Jahre.

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Universitäten mit ständig steigenden Geldbedürfnissen, mit überlangen Studienzeiten, mit Absolventen, die keinen Arbeitsplatz finden, und das in Zeiten kategorischer Sparpakete: Wissenschaftsminister Caspar Einem steht vor kaum lösbar scheinenden Aufgaben.

Als er kürzlich laut darüber nachdachte, berufsorientierte Studiengänge aus den überfüllten Universitäten herauszulösen und in Fachhochschulen zu verlegen, hat er sicher nicht erwartet, allseits auf begeisterte Zustimmung zu stoßen. Eher scheint Werner Welzig, der Präsident der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, richtig zu liegen, wenn er in der „Presse” vermutet, der Minister habe „strategisch” gedacht; nach Lenin „zwei Schritte vor, ein Schritt zurück”. In einer Bichtung vorstoßen, um in anderer Richtung eher punkten zu können.

Einem hat zweifellos recht, wenn er analysiert, daß von den 220.000 Studenten, soweit sie überhaupt ihr Ziel erreichen, nur ein kleinerer Anteil die wissenschaftlich begleitete Bildung sucht, für die die Universität steht. Der größere Teil dagegen sucht die berufsorientierte Ausbildung in vertretbarer Studienzeit, nach der auch die Aussicht auf einen angemessenen Arbeitsplatz winkt.

Die Fachhochschulen, wie sie in diesen Jahren entstehen, mit geregelten Aufnahmekriterien, bedarfskalkulierten Studienplätzen, Beteiligung der Studierenden an den Kosten und genau geregelten Studiengängen, die einen zeitgerechten Abschluß ermöglichen, entsprechen diesem Bedürfnis; sie wurden ja auch unter dem Motto der Entlastung der Universitäten eingeführt.

Ob sich nun Einems Vorstellungen, die er vor Wissenschaftsjournalisten näher erläuterte, durch eine radikale Herausnahme der Berufsausbildung von Juristen, Zahnmedizinern oder Veterinären, von Lehramtskandidaten oder Pharmazeuten oder welchem Studiengang auch immer aus den Universitäten verwirklichen lassen, oder ob nicht doch eine Konstruktion möglich erscheint, die Fachhochschulähnliche Studiengänge mit den verbleibenden for-schungsorientierten Wissenschaftsbereichen unter einem Dach vereint, wird zu diskutieren sein. Einem deutete in Richtung Veterinärmedizin diese Möglichkeit an.

Noch bedeutsamer aber ist, daß damit alle jene „Errungenschaften” über Bord gehen würden, die einst unter Hertha Firnberg Österreichs Universitäten beschert wurden: Zulassung ohne Bücksicht auf Bedarf und Kapazitäten, ohne Prüfung der Fähigkeiten, ohne Begrenzung der Studienzeiten, ohne Kostenbeteiligung-Wenn dann noch Einems zweiter Vorstoß in die Analyse einbezogen wird, die kleineren Universitäten „aus der unmittelbaren staatlichen Verwaltung auszugliedern”, fiele damit auch die weitgehende Mitbestimmung der Studenten, die die akademischen Entscheidungsprozesse so sehr erschwert hat. Das von Einem als mögliches Vorbild studentischer Mitsprache angeführte Arbeitsverfassungsgesetz bietet vermutlich genügend Möglichkeiten, auch den berechtigten Forderungen der Studenten zu entsprechen.

Schließlich ein weiteres: Auch der Zwang zur Ausschreibung zu besetzender Arbeitsplätze fiele weg. Autonome Unternehmen pflegen sich ihre

Führungskräfte selbst auszusuchen, ohne sich von inkompetenten Kräften beeindrucken zu lassen.

Der Wissenschaftsminister wollte zwar nicht vom „Schlachten heiliger Kühe” sprechen, gab aber zu, daß so manche von ihnen einem Regenerationsprozeß unterworfen werden müßten.

Die dritte Reform seit 25 Jahren steht bevor. Einems Ideen sind Anstöße dazu. Sie sollten, wie Werner Welzig formuliert, einen „Impuls zur Neugründung” geben.

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