Ein Haus für alle RELIGIONEN

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Mit dem konfessionell gemeinsamen "Campus der theologien" geht die Westfälische Universität Münster - europaweit einzigartig - neue Wege.

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Mit dem konfessionell gemeinsamen "Campus der theologien" geht die Westfälische Universität Münster - europaweit einzigartig - neue Wege.

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Es ist ein weltweit einmaliges Vorhaben und ein wichtiges Signal für interreligiöse Verständigung in konfliktreichen Zeiten: Die Universität Münster will im Laufe der nächsten Jahre einen "Campus der Theologien" (auch "Campus der Religionen" genannt) errichten. Wie Hochschulrat, Rektorat und Senat der Universität kürzlich beschlossen haben, sollen die Katholisch-Theologische Fakultät, die Evangelisch-Theologische Fakultät und das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) in einem gemeinsamen Neubau zusammengeführt werden. Parallel dazu soll das ZIT in den kommenden Jahren zur deutschlandweit ersten islamischen Fakultät ausgebaut werden.

Europas größte theologische Fakultäten

Angesichts der Bedeutung, die die Theologie an der Universität der westfälischen Bischofsstadt hat, ist die Entscheidung der Universitätsgremien nur konsequent: Die Katholisch-Theologische Fakultät ist mit 20 Professoren und 1770 Studenten die größte ihrer Art in Europa. Auch die Evangelisch-Theologische Fakultät gehört mit ihren 15 Professoren und rund 1150 Studenten zu den größten an europäischen staatlichen Hochschulen. Das im Jahr 2011 gegründete Zentrum für Islamische Theologie verzeichnet spätestens seit Einführung eines Lehramts-Studiengangs einen regelrechten Boom und zählt momentan rund 700 Studenten - Tendenz steigend.

Von sieben geplanten Lehrstühlen sind allerdings bisher nur zwei besetzt, weil der für Berufungen zuständige Beirat sich nach jahrelangen Querelen zwischen der Politik, der Universität und den muslimischen Verbänden erst im Mai vorigen Jahres konstituiert hat. Zur herausragenden Stellung Münsters im Bereich Religion und Theologie trägt nicht zuletzt auch der Exzellenzcluster "Religion und Politik" maßgeblich bei, an dem rund 200 Wissenschaftler von etwa 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern forschen.

Die Zahlen, die Uni-Pressesprecher Norbert Robers vorlegen kann, sind beeindruckend: Für das neue Campus-Gebäude, das rund 14.500 Quadratmeter groß sein wird, werden gut 50 Millionen Euro veranschlagt. 30 Prozent davon trägt das Land Nordrhein-Westfalen, und 23 Millionen kommen aus Eigenmitteln der Universität Münster. Der Bau, für den die ersten Planungen Mitte dieses Jahres anlaufen sollen, wird die neue Heimat von 430 Wissenschaftlern und Mitarbeitern sowie 4000 Studenten sein.

Allein die geplante gemeinsame Bibliothek der drei Fakultäten wird sich über 3000 Quadratmeter erstrecken und 560.000 Bände umfassen. "Die Pläne sehen auch die Gründung einer gemeinsamen Dienstleistungseinheit vor, die sich beispielsweise um die Raum-, Personal- und Bibliotheks-Verwaltung für die Fakultäten kümmern soll", erläutert Robers. Diese Verwaltung steht perspektivisch gesehen auch weiteren Theologien, etwa des Buddhismus oder des Hinduismus, offen. Aus religionsrechtlichen Gründen bleiben die Fakultäten aber weiterhin allein zuständig für Berufungs-, Promotions- und Habilitationsverfahren sowie für die Bestellung von Lehrpersonal und den Erlass von Prüfungs-und Studienordnungen. Möglich sei auch ein gemeinsamer "Ort der religiösen Begegnung".

Katholisch, evangelisch, orthodox, islamisch

Die Ursprünge für die neuen, spektakulären Pläne reichen bereits Jahre zurück; die Idee kam in den Fakultäten selbst auf, als eine gemeinsame Bibliothek für die verschiedenen Theologien angeregt wurde. Schließlich wurde eine zehnköpfige Arbeitsgruppe der Universität unter Leitung des Juristen Janbernd Oebbecke gebildet, die ein Konzept für den "Campus der Theologien" erarbeitete. Darin sieht die Arbeitsgruppe den geplanten Ausbau des Campus "als große Chance an, die Theologien und diejenigen Fächer, die in der einen oder anderen Hinsicht mehr oder weniger große Schnittmengen mit ihnen aufweisen, räumlich nahe beieinander unterzubringen". Die Arbeitsgruppe betrachtet es als konsequent, die Islamische Theologie ebenso zu erfassen wie die beiden christlichen Theologien.

Die Professur für Orthodoxe Theologie, die derzeit mit kirchlicher Zustimmung bekenntnisgebunden besetzt und für die Ausbildung orthodoxer Religionslehrer zuständig ist, soll nach Meinung der Arbeitsgruppe künftig als "Institut für Geschichte und Gegenwart des orthodoxen Christentums" firmieren und ebenfalls auf dem neuen Campus untergebracht werden. Was die organisatorische Anbindung der orthodoxen Theologie angeht, so favorisiert die Arbeitsgruppe die Lösung, sie und damit das neue Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät zuzuordnen, in der die Professur früher bereits einmal angesiedelt war.

Dagegen wurde die Idee, weitere Fächer wie Arabistik, Islamwissenschaft, Judaistik, Altorientalische Philologie und Vorderasiatische Altertumskunde, Ägyptologie und Koptologie, Byzantinistik oder sogar Slawistik, Sinologie und Ethnologie im Campus anzusiedeln, inzwischen fallen gelassen.

Ohne Zweifel würden der Umzug und die Umstrukturierung für das Zentrum für Islamische Theologie, das aus dem Centrum für religionsbezogene Studien (CRS) herausgelöst wird und zur eigenen Fakultät weiterentwickelt werden soll, die größte Aufwertung mit sich bringen. ZIT-Leiter (und FURCHE-Kolumnist) Mouhanad Khorchide lobt den geplanten Campus mit dem historischen Uni-Gebäude der so genannten "Hüffer-Stiftung" als Zentrum denn auch, weil er deutlich mache, "dass die Muslime in diesem Land und in Europa nicht isoliert leben und auch nicht isoliert leben sollten". Aus Münster werde damit "ein Signal in die deutsche Gesellschaft und weit darüber hinaus" gesandt, dass die Religionen konstruktiv zusammenarbeiten, sich austauschen und bereichern könnten, sagte er kürzlich in einem Interview. Der künftige Campus sei ein wichtiges Zeichen für ein friedliches und aktives Miteinander der Religionen.

Austausch der Theologien

Wie geht es weiter? Uni-Pressesprecher Robers weist darauf hin, dass vor dem Baustart ein großes Gebäude abgerissen werden müsse und zudem weitere Vorarbeiten - Ausschreibungen und ein Architektenwettbewerb - zu leisten seien. "Die Arbeiten für den ersten Bauabschnitt sind vorbehaltlich der noch ausstehenden Gespräche für das Jahr 2018 vorgesehen, die Inbetriebnahme dieses Abschnittes für voraussichtlich 2022", kündigt Robers an.

Bleibt die Herausforderung, wie der neue Campus inhaltlich "gefüllt" werden soll. "Das ist eine große Chance für den Austausch der christlichen Theologien mit den Muslimen", sind sich die Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, Judith Könemann, und der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Hermut Löhr, einig. Doch wie genau dieser Austausch aussehen soll und wie weit er gehen darf, darauf müssen die Antworten, die auch mit vielen rechtlichen Problemen verbunden sind, in den nächsten Jahren noch gegeben werden.

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