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Ein Schritt zur Hochschulreform

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Der Österreichische Cartcllverband (CV), der Dachverband der katholischen, farbentragenden Studentenverbindungen, legte kürzlich in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit sein Hoch' schulprogramm vor, nachdem er erst vor einiger Zeit ein Memorandum über die Auslandsstudentenfrage zur Diskussion gestellt hatte. Das Programm, das in zweijähriger Arbeit in Ausschüssen in allen Hochschulstädten Österreichs durchberaten wurde, ist kein ausschließliches Forderungsprogramm, wie es deren viele gibt. Das Programm stellt die gegenwärtige Lage an den Hochschulen dar, zeigt auf, wie es sein sollte und, im Gegensatz zu anderen Programmen stellt es auch dar, wie man das Ziel erreichen kann. Ein Hauptmerkmal ist die Objektivität, mit der die Probleme betrachtet werden. Im folgenden einige Punkte aus dem umfangreichen Programm des CV.

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Der Österreichische Cartcllverband (CV), der Dachverband der katholischen, farbentragenden Studentenverbindungen, legte kürzlich in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit sein Hoch' schulprogramm vor, nachdem er erst vor einiger Zeit ein Memorandum über die Auslandsstudentenfrage zur Diskussion gestellt hatte. Das Programm, das in zweijähriger Arbeit in Ausschüssen in allen Hochschulstädten Österreichs durchberaten wurde, ist kein ausschließliches Forderungsprogramm, wie es deren viele gibt. Das Programm stellt die gegenwärtige Lage an den Hochschulen dar, zeigt auf, wie es sein sollte und, im Gegensatz zu anderen Programmen stellt es auch dar, wie man das Ziel erreichen kann. Ein Hauptmerkmal ist die Objektivität, mit der die Probleme betrachtet werden. Im folgenden einige Punkte aus dem umfangreichen Programm des CV.

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Das Hochschulprogramm des CV ist wohl das erste studentische Programm, das sich ausführlich mit den Fragen der Studienreform auseinandersetzt und klar sagt, in welcher Richtung sich eine Studienreform bewegen soll. Schon seit geraumer Zeit laufen die Verhandlungen über ein Hochschulstudiengesetz. Es ist zu hoffen, daß diese Beratungen bald zu einem erfolgreichen Abschluß führen. Die Stellungnahme des Cartellverbandes sollte dabei jedenfalls berücksichtigt werden.

Zunächst einmal werden die Aufgaben des Studiums klar umrissen: Ausbildung für akademische Berufe, höhere Allgemeinbildung, Heranbildung wissenschaftlichen Nachwuchses und besonders Formung der Persönlichkeit. Bei der. Berufsausbildung ist man sich im klaren darüber, daß die Spezialisierung in unserer Zeit notwendig ist und vage Vorstellungen einer universalen Ausbildung heute nicht mehr realisierbar sind. Trotz der grundsätzlichen Bejahung der Spezialisierung soll aber das Studium nicht so eingerichtet werden, daß möglichst alle Einzelheiten, die der Absolvent in der Praxis brauchen könnte, vermittelt werden, sondern es sollen vielmehr die Grundlagen eingehend behandelt werden.

Die Durchführung dieser Vorschläge verlangt die Ausscheidung unnötiger Spezialgebiete und . Spezialkapitel einzelner1 Fächer;>aus rdeniStudienr planen.

In diesem Zusammenhang wird das Studium generale immer wieder genannt. Das Hochschulprogramm nimmt hierzu eindeutig Stellung. Vprausgeschickt muß werden, daß darunter das Studium generale in der Form verstanden wird, wie man es in Deutschland in den Nachkriegsjahren einzuführen versuchte bzw. eingeführt hat. Das Programm stellt richtig fest, daß die Versuche, die Studenten zu zwingen, neben ihrem gewählten Fachgebiet noch andere Gebiete zu studieren und in manchen Fällen darüber noch Prüfungen abzulegen, zum Scheitern verurteilt sind. Wenn man verlangt, die Studienpläne mögen konzentriert werden, und wenn man bedenkt, daß das Studium der technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen schon heute ohne Studium generale 12 bis 16 Semester dauert, ohne daß der Student in Verzug geraten ist, wird man die Ablehnung verstehen. Damit ist aber nicht gesagt, daß der Student nur sein Fach studieren und keinen Blick für die anderen Disziplinen haben soll. Es soll nur festgehalten werden, daß das vergleichende Studium und die Berührung mit anderen Gebieten freiwillig geschehen und durch das eigene Fach erfolgen muß. Diese Forderung ist in der heutigen Zeit vertretbar. Die meisten Wissenschaften sind in Grenzgebiete vorgestoßen, die in die Philosophie einmünden. Jeder gute Physiker wird sich heute mit Fragen der Philosophie auseinandersetzen, er wird das tun müssen, wenn er nicht ein geistiger Handwerker werden will. Hier wird es auch viel darauf ankommen, ob es die Professorenschaft versteht, die Probleme aufzuzeigen und zu diesen weiteren Studien anzuregen.

Die intensive Beschäftigung mit der Wissenschaft übt einen Einfluß auf den Menschen aus. Dies ist Grundfeststellung des Teiles des Hochschulprogramms, der sich mit der Formung der Persönlichkeit beschäftigt. Viele studieren heute nur um wirtschaftlicher Vorteile willen. Eine Folge davon ist, daß keine echte Auseinandersetzung mit der Wissenschaft erfolgt. Es wird verlangt: „Lehre und Studium müssen von einer ethischen Verpflichtung getragen sein. Dies liegt in der Anerkennung des Wertes der menschlichen Person und eines im Gewissen bindenden moralischen Gesetzes.“

Um diesen Zustand zu erreichen, ist natürlich eine intensive Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erforderlich. Doktorate sollen wirklich nur an Absolventen verliehen werden, die ihre Fähigkeit, wissenschaftlich zu arbeiten, unter Beweis gestellt haben. Auch auf die wirtschaftlichen Fragen des wissenschaftlichen Nachwuchses wird eingegangen und die Einführung von Diätendozenten verlangt, um der Abwanderung in das Ausland zu steuern und den Anreiz für die wissenschaftliche Laufbahn zu erhöhen. *

Alle Forderungen des Programms lassen sich natürlich nur verwirklichen, wenn dem Massenandrang zu den Hochschulen durch entsprechende Maßnahmen begegnet wird. Ein Numerus clausus wird entschieden abgelehnt. Eine Erhöhung der Zahl der Lehrkanzeln und eine Vermehrung der Dozenten sollen es ermöglichen, kleine Lerngemeinschaften zu bilden, in denen das Gespräch, das als wesentlicher bildungvermittelnder Faktor angesehen wird, wieder gepflegt wird. Weiter soll in den Seminarien und Re-petitorien der Kontakt zwischen Studenten und Professorenschaft enger gestaltet werden. Die allgemeinen und bekannten Übelstände unserer Hochschulen werden auch in diesem Programm dargestellt und es wird Abhilfe verlangt. Im Programm wird eine echte Erhöhung des Hochschulbudgets gefordert, die volle steuerliche Freistellung für Spenden an die Wissenschaft und vor allem eine bessere Infor-mat,ion der Öffentlichkeit über die Anliegen der Hochschulen. Gerade dieser Punkt ist von entscheidender Bedeutung. Die Öffentlichkeit muß mit dem Ernst der Situation vertraut gemacht werden; nur so wird es zu erreichen sein, zu verhindern, daß das Kulturbudget immer am Schluß rangiert. Am Kulturbudget soll es sich zeigen, wer für Österreichs wichtige Anliegen wirklich Verständnis hat.

„Der Student muß sich voll und ganz seinem Studium widmen können.“ Wir kennen das Problem des Werkstudententums mit allen seinen Konsequenzen. Jede Studienreform mit einer Steigerung der Ansprüche und mit einer Verbesserung der Leistungen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn man auf Werkstudenten Rücksicht nehmen muß.fyJJej pdejn. Mangel an ausgebildeten Fachkräften ist die einzig mögliche Folgerung eine gerechte Förderung der begabten Studenten, die es notwendig haben, heute neben ihrem Studium arbeiten zu gehen. Der CV unterscheidet zwischen indirekten und direkten Förderungsmaßnahmen. Der wichtigste Punkt ist daher die Förderung der Familie. Die Familie muß in die Lage versetzt werden, ihre begabten Kinder studieren zu lassen. Studentenheime, Mensen, ermäßigte Tarife auf den Verkehrsmitteln sollen die Familien entlasten helfen. Sollte die Familie trotzdem nicht in. der Lage sein, für das Studium aufzukommen, sollen direkte Förderungsmaßnahmen einsetzen. Der CV verlangt einen Rechtsanspruch auf diese Förderung bei Begabung und Bedürftigkeit, allerdings nur einen Rechtsanspruch auf den Differenzbetrag zwischen dem Betrag, den die Familie zu leisten imstande ist, und den Lebenshaltungs- und Studienkosten. Damit lehnt der CV Systeme, die einen Studienlohn oder ein Studienhonorar verlangen, eindeutig ab.

Als studentische Gemeinschaften nehmen natürlich die Verbindungen des Cartellverbandes auch zu diesem Punkt des Hochschullebens ausführlich Stellung. Gerade in unserer Zeit kommt den studentischen Gemeinschaften besondere Bedeutung zu. Wir haben den Begriff wertneutrale Universität erwähnt. Alle unsere derzeit in Österreich bestehenden Hochschulen entsprechen diesem Typ. Die Betrachtungen des CV-Hochschulprogramms gehen daher von dieser Form der Universität aus. Wie soll der junge Mensch, der mit 18 Jahren oft direkt aus dem Elternhaus an die Hochschule kommt und in vielen Fällen keine Bekannten oder Freunde dort hat, sich zurechtfinden? Wie soll er es lernen, seine Freizeit sinnvoll zu gestalten? Hier hilft die studentische Gemeinschaft. Die Bedeutung dieser Gemeinschaften und vor allem der religiösen Gemeinschaften, „deren Aufgabe es sein soll, die Wissenschaft aus dem Geist des Glaubens heraus zu bewältigen“, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Der Cartellverband hat mit diesem Programm darüber hinaus gezeigt, daß die studentischen Gemeinschaften auch in der Lage sind, einen wertvollen Beitrag zur Lösung der schwierigen Probleme der Hochschulreform zu leisten. Das Programm wird allen maßgeblichen Stellen des Staates und der Wissenschaft zugeleitet werden. Es wird sicher beitragen, die Fragen rascher zu lösen. St.

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