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Einbruch in die Gerechtigkeit

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Monarchen, eines Diktators oder einei parlamentarischen Mehrheit, daß alsc die mit der Vollziehung betrauten Be-amten an die Weisungen ihrer Vorge setzten gebunden sind. Daher hat aucl in einer Demokratie der Gemeindebeamte seine Entscheidungen nach der Weisungen des Bürgermeisters odei den Beschlüssen der Gemeindevertre tung zu treffen, erhält der politisch Beamte in der Landes- und Bundesverwaltung seine Weisungen durcl Beschlüsse der Regierung oder An Ordnung des verantwortlichen Ressortleiters, und selbst der höchste Mini-sterialbeamte ist an die Weisungen seines Ministers gebunden, wenn eine Zusammenarbeit überhaupt noch möglich und sinnvoll sein soll.

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Monarchen, eines Diktators oder einei parlamentarischen Mehrheit, daß alsc die mit der Vollziehung betrauten Be-amten an die Weisungen ihrer Vorge setzten gebunden sind. Daher hat aucl in einer Demokratie der Gemeindebeamte seine Entscheidungen nach der Weisungen des Bürgermeisters odei den Beschlüssen der Gemeindevertre tung zu treffen, erhält der politisch Beamte in der Landes- und Bundesverwaltung seine Weisungen durcl Beschlüsse der Regierung oder An Ordnung des verantwortlichen Ressortleiters, und selbst der höchste Mini-sterialbeamte ist an die Weisungen seines Ministers gebunden, wenn eine Zusammenarbeit überhaupt noch möglich und sinnvoll sein soll.

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Als kurze Nachricht, zwischen den Zeilen nur, vielleicht auf der zweiten oder dritten Seite einer Zeitung, ist es wohl wenig beachtet worden, daß ,die beiden Koalitionsparteien sich über die Besetzung von vier Richterposten beim Verwaltungsgerichtshof bisher nicht einigen konnten, obwohl die Besetzungsvorschläge schon seit Monaten vorliegen. Grund dieser Verzögerung soll ein Proporzverlangen der SPÖ sein.

Wir sind das Proporzdenken in Österreich offenbar schon so gewohnt, daß eine solche Nachricht unter den großen Sorgen wie Lohn- und Preisstopp, Poststreik, EWG-Verhandlungen usw. einfach übersehen werden kann. Wen berührt denn auch schon die Zusammensetzung des Verwaltungsgerichtshofes oder gar die Besetzung von vier offenen Stellen, wo wir doch meist kaum einen der Vorgeschlagenen kennen werden? Und was sind schon 2000 noch offene Verwaltungsgerichtshofbeschwerden, gemessen an einer Bevölkerung von sieben Millionen? Ob diese nun ein Jahr früher oder später erledigt werden, ist wirklich keine Staatsaffäre, geht es doch oft nur um die Gesetzmäßigkeit eines Führerscheinentzuges wegen Trunkenheit, die Abgrenzung einer Gewerbeberechtigung, die Nichterfüllung der Wahlpflicht und ähnliches mehr, was die Allgemeinheit kaum berührt.

Gewiß ist auch die Beschleunigung dieser Verfahren im Interesse der Rechtssicherheit gelegen. Aber darum geht es hier ja gar nicht in erster Linie, es geht um etwas viel Wichtigeres, es geht um die Rechtssicherheit selbst, um die Unabhängigkeit unserer Gerichte und damit um die Grundlage unserer Rechtsordnung schlechthin. In jedem Rechtsstaat — und das wollen wir doch auch in Österreich sein und bleiben — ist die Unabhängigkeit der Gerichte das Fundament und die Grundlage der Rechtssicherheit. Diese Rechtsordnung erstreckt sich nicht nur auf die Rechtsverhältnisse in Ehe und Familie, im Güter- und Vertragsrecht, auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verkehr der. Menschen untereinander, sondern auch auf das Verhältnis des Menschen zum Staat und umgekehrt. Der Mensch braucht nicht nur den Schutz gegen seinen Mitmenschen und dessen unberechtigte Forderungen, gegen Mord und Totschlag, gegen Gefährdung seines Lebens und seiner Gesundheit und Ehre und wie die Rechtsgüter alle heißen, deren Schutz den ordentlichen Gerichten übertragen ist. Er braucht auch den Schutz gegen den anonymen Staat und dessen beauftragte Organe. Seinen letzten Rechtsschutz findet er in der obersten Gerichtsbarkeit, gegenüber den Gerichten im Obersten Gerichtshof, gegen die Verwaltungsbehörden im Verwaltungseerichtshof und gegenüber den Angriffen gegen seine Grundrechte im Verfassungsgerichtshof. Auf diesen drei Säulen ruht also unsere Rechtsordnung und unsere Rechtssicherheit.

Es ist nun müßig, abwägen zu wollen, welche dieser drei Säulen die größte Last der Rechtsordnung zu tragen hat. Aber vielleicht will es doch scheinen, daß dem Verwaltungsgerichtshof eine weit größere Last der Verantwortung zukommt, als es der Bürger im Staat weiß; denn gerade die Verwaltung, die in ihrer Institution nicht die Unabhängigkeit dei Gerichte besitzt, ist es, welche einer unabhängigen obersten Instanz bedarf.

Zwar sichert schon die Verfassung dem Bürger die Gesetzmäßigkeit dei Verwaltung, wenn sie vorschreibt, daß die Verwaltung nur auf Grund dji Gesetze erfolgen darf. Es ist nun abei einmal ein gemeinsames Merkmal aller politischen Verwaltung, die letztlich in alle Bezirke des menschlichen Zusammenlebens hineinreicht, daß sie nach einem bestimmten Willen ausgerichtet ist, sei es nun der Wille eines

Hier liegt also der wesentliche Unterschied zur Unabhängigkeit der Gerichte beziehungsweise des Richters, dem kein Dienstvorgesetzter und kein Obergericht Weisungen erteilen kann, wie er diesen oder jenen Rechtsstreit oder Straffall zu entscheiden hat.

Gerade deswegen aber, weil die Schutz eine Instanz, die frei von sol-Verwaltung nicht diese Unabhängig- chen Bindungen ihm die Gesetzmäßigkeit besitzt, weil ihre Entscheidungen keit der Verwaltung gewährleistet und vielfach von Interessen abhängig sind, ihn vor Übergriffen ihrer Organe die jenseits der refrien Rechtssphäre schützt.liegen und deren Beachtung wieder Daher muß auch die zusamjrienwesentlich von politischen Gesichts- sctzung dieser Institution aus dem punkten abhängig ist, deren Ausrich- politischen Kräftespiel völlig heraustung Sache der politischen Parteien gelassen werden. Nicht die politische ist, braucht der Bürger zu seinem Zugehörigkeit darf bestimmend sein für die Berufung zum Mitglied eine solchen obersten Gerichtshofes der Verwaltung, sondern einzig und allein geistige und moralische Eignung der Bewerber. Wenn den politischen Parteien als solchen Einfluß auf die Besetzung solcher Posten eingeräumt wir-d, dann wird auch die Erlangung solcher Posten zum Objekt einer politischen Karriere, wie die Erlangung eines politischen Mandats in Bund, Land und Gemeinde. Dann gerät auch der Richter des Verwaltungsgerichts-hofes unwillkürlich in den Bannkreis des politischen Denkens, er wird gewollt oder ungewollt Werkzeug, Funktionär der Partei.

Der Weg von der unabhängigen Rechtsprechung zur politischen Rechtsprechung und damit zur absoluten Herrschaft der Partei ist somit frei.

Ist einmal eine der drei Säulen unserer Rechtsordnung gestürzt, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann unsere Rechtsordnung als Ganzes zum Einsturz gelangen wird.

Der Staatsbürger muß die Sicherheit haben, daß über allen Entscheidungen der politischen Verwaltung noch ein unabhängiges Gericht steht, an das er sich wenden kann, wenn er sich in seinen Rechten verletzt fühlt, und von dem er weiß, daß es nur nach Recht und Gesetz und nicht nach politischen Erwägungen entscheiden wird. Wird diese letzte Barriere unserer Rechtssicherheit niedergerissen, dann braucht auch eine demokratische Mehrheit nicht mehr haltzumachen vor Entscheidungen, die gegen das bestehende Recht verstoßen. Ein von den politischen Parteien bestellter Gerichtshof wird auch kaum in der Lage sein, sich dem Einfluß der politischen Parteien ganz zu entziehen.

Gerade das Bewußtsein der Existenz eines unabhängigen Gerichtes ist es aber auch, das letztlich auch dem Verwaltungsbeamten noch jenes Mindestmaß von Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit erhält, mit dem er noch einen letzten Widerstand gegen den Versuch einer Rechtsbrechung in der Verwaltung verhindern kann. Fehlt dem Verwaltungsbeamten.schon die Rechtswohltat der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit des Richters, so muß er mit dem Einbruch des politischen Proporzes in den Verwaltungsgerichtshof den letzten Halt verlieren, der ihm bis dahin noch gebieben war, um nur dem Recht und nicht der Macht zu dienen.

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