Eine Baustelle sucht ihren Bauleiter

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Die Nachfolge von Wissenschaftsminister Hahn ist nach wie vor offen. Wer immer das Amt übernimmt, wird es nicht leicht haben.

Das Rätselraten um den neuen Chef im Wissenschaftsressort dauert bereits viel zu lange, um noch als strategischer Kniff Josef Prölls durchzugehen. Viel wahrscheinlicher ist, dass dem Vizekanzler langsam die Kandidaten ausgehen. Zahlreiche Absagen belegen die derzeitige Unattraktivität des ab Ende Jänner vakanten Amtes. Das überrascht nicht, warten auf den neuen Wissenschaftsminister doch massive Aufgaben rund um die Neugestaltung der Hochschullandschaft.

Es fehlt in erster Linie an Geld

Ob man den tertiären Bildungssektor als Baustelle oder bloß als sanierungsbedürftiges Gebäude betrachten möchte, liegt an der Vorliebe des Betrachters für Metaphern. Ein neuer Anstrich wird jedenfalls nicht reichen. „Die Studierendenzahlen sind während der vergangenen Jahre um etwa 15 Prozent gestiegen“, benennt Hans Sünkel, Präsident der Universitätenkonferenz (uniko) ein Kardinalproblem. „Die finanziellen Mittel wurden aber nicht im gleichen Ausmaß erhöht.“ Die Folge sind die viel zitierten überfüllten Hörsäle und ein Betreuungsverhältnis, das Spitzenpositionen in Hochschulrankings in unerreichbare Ferne rücken lässt. Im Unterschied zur Hochschülerschaft gar nicht glücklich ist die uniko deshalb über den Wegfall der Studiengebühren in Höhe von 157 Millionen Euro. Ausnahmsweise einig ist sie sich mit der ÖH jedoch in der Forderung, das Unibudget auf zwei Prozent des BIP zu erhöhen. „Damit wären die Probleme weitgehend gelöst“, meint Sünkel. Man müsse aber auch überlegen, wohin die Gelder fließen sollen. „Es macht wenig Sinn, sie in Studien zu stecken, die letztlich Arbeitslose hervorbringen.“ Österreichs oberster Rektor möchte Studierende deshalb „sanft“ in jene Studien lenken, hinter denen ein aufnahmefähiger Markt wartet. Für den Techniker sind das vor allem natur- und ingenieurswissenschaftliche Fächer.

Versteckt hinter dem Finanzierungsproblem lauern freilich Fragen zum Wesen der Universität selbst. „Wir wünschen uns einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel“, sagt der stellvertretende ÖH-Vorsitzende Thomas Wallerberger. „Bildung hat den gesellschaftlichen Auftrag, die BürgerInnen zu systemkritischen Menschen zu erziehen.“ Einen Mittelweg zwischen den Slogans „Bildung für alle“ und „Ausbildung für die Exzellenzelite“ zu finden, dürfte dem künftigen Wissenschaftsminister einiges an Sensibilität abverlangen. Die Dualität dieser Ansätze markiert auch den Kern der Kontroverse um den Bologna-Prozess. Zehn Jahre nach der gleichnamigen Absichtserklärung sind die Eckpfeiler (dreistufiges Studiensystem mit Bachelor, Master und PhD; Benotung nach ECTS-Punkten) zwar gesetzt. Doch die Mobilität unter Studierenden entspricht nicht den gesetzten Erwartungen. Auch die Anrechnung der bei Auslandssemestern erbrachten Studienleistungen funktioniert noch nicht zur allgemeinen Zufriedenheit. Hier ist ein Minister gefragt, der auch auf dem internationalen Parkett zu tanzen versteht. Erste Gelegenheit dazu wird er im März beim Bologna-Gipfel in Wien haben. Auch hat das Sorgenkind Bachelortitel noch längst nicht die erhoffte Reputation erlangt. Nach wie vor gilt er vielen als Schmalspurakademiker. 87 Prozent der Absolventen hängen deshalb – teilweise berufsbegleitend – ein Masterstudium an. Hier wäre eine von oben akkordierte Imagepflege des Bachelorabschlusses vonnöten. Oder alternativ das nüchterne Eingeständnis, dass der Bachelor keine hochkarätige Jobausbildung, sondern bestenfalls die Voraussetzung für eine solche darstellt.

Lange Liste schwieriger Aufgaben

Das sind nur die dringlichsten Pflichtübungen. Gesonderte Aufmerksamkeit erfordert auch die vorgesehene Schaffung einer Agentur zur vereinheitlichten Qualitätssicherung aller tertiären Bildungseinrichtungen. Ebenso gefragt ist eine dauerhafte Lösung für das Problem der deutschen Numerus-Clausus-Flüchtlinge. Und auch eine neue UG-Novelle wird früher oder später nicht vermeidbar sein. Wer immer zum neuen Oberhaupt der heimischen Hochschulszene avanciert, die in der Politik übliche Schonfrist bei Neuantritt wird ihr oder ihm kaum vergönnt sein.

www.dialog-hochschulpartnerschaft.at

Der „Dialog Hochschulpartnerschaft“ ist Hahns Vermächtnis in Sachen Hochschulpolitik. 2009 beim Forum Alpbach vorgestellt, sieht er die Erarbeitung konkreter Strategien zur Zukunft der heimischen Hochschulen vor. An den fünf Arbeitsforen sind mehr als zwei Dutzend Organisationen beteiligt: von der Gewerkschaft bis zur Hochschülerschaft (und auch Vertreter der Bildungsprotestbewegung). Bis Herbst 2010 soll ein Endbericht vorliegen. Uniko-Präsident Hans Sünkel setzt große Hoffnung in den Dialog. „Er ist sozusagen die Betriebsanleitung für eine nötige Flurbereinigung des tertiären Bildungssektors.“ Kritischer hingegen Thomas Wallerberger von der ÖH: „Jeder Dialog ist absurd, solange kein Minister als Ansprechpartner da ist.“ (rl)

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