7082320-1994_04_05.jpg
Digital In Arbeit

Eine positive Halbzeitbilanz

19451960198020002020

Neue Wege in der Arbeitsvermittlung sollten mit Hilfe der im Vorjahr proklamierten „Strukturmilliarde“ gegangen werden. Was ist daraus geworden?

19451960198020002020

Neue Wege in der Arbeitsvermittlung sollten mit Hilfe der im Vorjahr proklamierten „Strukturmilliarde“ gegangen werden. Was ist daraus geworden?

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn Not erfinderisch macht, dann bedurfte es offenbar der tristen Beschäftigungssituation, um auch neue Wege der Jobvermittlung Arbeitsloser einzuschlagen. Diese sollten mit dem von der Regierung voriges Jahr proklamierten „Arbeitsmarktpolitischen Sonderprogramm“ beschritten werden.

Die aus der sogenannten „Strukturmilliarde“ finanzierten Umschulungskurse und Arbeitsstiftungen orientieren sich dabei am Bedarf der regionalen Arbeitsmärkte und wollen den Arbeitslosen vor allem Eigeninitiative bei ihrer individuellen Qualifizierungsstrategie vermitteln. Vorbild sind die zumal in den Industrieregionen in Oberösterreich bisher sehr bewährten Arbeitsstiftungen (FURCHE 44/93). Mit den Ausbildungs- und Umschulungsprogrammen aus der Strukturmilliarde wird im Grunde nur die — für den Betroffenen oft schmerzliche - Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft im Bereich der Berufsausbildung nachvollzogen.

Die Halbzeitbilanz der Projekte aus der Strukturmilliarde ist jedenfalls durchaus positiv. Durch dieses Sonderprogramm seien „viele Initiativen, die es sonst nicht gäbe“, entstanden, resümiert der Leiter der Abteilung für Arbeitsmarktförderungsmaßnahmen im Sozialministerium, Franz Weinberger. Wegen bürokratischer Anlaufprobleme, die bereits ein Nichtausschöpfen der Strukturmilliarde befürchten ließen, läuft die Qualifizierungsoffensive nun bis ins Jahr 1995 hinein. Denn derzeit sind Schulungsprogramme erst in der Gesamthöhe von 300 Millionen Schilling ministeriell bewilligt.

Eines der mit der Strukturmilliarde erfolgreich initiierten Projekte zur Änderung der Qualifikationsstruktur ist etwa die „Waldviertier Qualifikationsoffensive“. Dieser von Sozialpartnern und Gemeinden ins Leben gerufene Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, den im ohnedies strukturschwachen Waldviertel durch diverse Betriebsschließungen arbeitslos gewordenen Textil- und Metallarbeitern eine zukunftsträch- tige Berufschance zu geben.

NUTZEN FÜR ALLE

Nach der Bedarfserhebung bei regionalen Betrieben wurden mit 120 Arbeitslosen (davon 70 Prozent Frauen) zunächst die individuellen Qualifikationsdefizite definiert und ein Bewerbungstraining durchgeführt. Daran schließen für gewöhnlich die mehrmonatigen Umschulungskurse an, die auch von Praktika in Betrieben begleitet werden können. Umgeschult wird auf alle nachgefragten Ausbildungen wie vor allem soziale und Gesundheitsberufe. Chancenreich sind auch Facharbeiterausbil- düngen in Elektronik und EDV- Kurse. Der Vorteil bei diesem System sei, betont der das Waldviertel- Projekt managende Unternehmensberater Thomas Wögerer, daß es „für alle Beteiligten nützlich ist“.

Kostet die aus der Strukturmilliarde finanzierte Lehrausbildung oder die parallel zur Schulung mögliche Betriebspraxis nämlich dem Arbeitgeber nichts, so braucht sich auch der Praktikant selbst bei erfolgreicher Integration in diese Firma dann nicht mehr auf Jobsuche zu begeben. Wie überhaupt diese Umschulungen „keine caritativen Aktionen“ darstellen, sondern im Endeffekt auch sehr viel mehr an Arbeitslosengeld einsparen als die immer wieder gerne diskutierten finanziellen Kürzungen für die Betroffenen. Denn zwei Drittel seiner Schulungsteilnehmer könnten sicher eingestellt werden, prognostiziert Wögerer.

Demselben Trend folgen auch mehrere in Tirol geschaffene Pflegehelfer-Kurse für nicht vermittelbare Arbeitslose, die damit ebenso aus der Sackgasse finden wie jene aus traditionellen Industrieberufen herausgefallenen Handwerker, die nun eine CAD-Ausbildung durchlaufen oder sich gleich zum Diätkoch oder EDV- Berater umschulen lassen.

In Wien wiederum, wo die Betriebe noch nicht bereit sind, Arbeitsstiftungen mitzufinanzieren, flössen die Gelder aus der Strukturmilliarde als Investitionsförderungen vorerst vor allem an Anbieter berufsbezogener Erwachsenenbildung (Berufsförderungsinstitut, Wirtschaftsförderungsinstitut).

Ein anderes Paradebeispiel ist die Frauenstiftung in Steyr, ein regionales Qualifizierungsprojekt, das nach dem Zusperren einiger Betriebe im Raum Steyr den davon vor allem betroffenen Frauen eine Hoffnung auf Weiterbeschäftigung bietet. Im Rahmen eines sechswöchigen Berufsorientierungskurses wurden so für 70 arbeitslose Frauen sowohl die individuellen Qualifikationen als auch die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes erkundet, um ein auf jede Kursteilnehmerin zugeschnittenes Integrationsprogramm zu erstellen. Arbeitslose Frauen verfügen zumeist nur über einen Pflichtschulabschluß oder eine abgebrochene Lehre.

Die fehlenden Qualifikationen für den Beruf, den sie am regionalen Arbeitsmarkt für sich entdeckt haben, können die Kursteilnehmer wiederum in Umschulungen oder auch einer Facharbeiterausbildung nachholen. Die Palette der Kurse reicht von EDV über Gesundheitsberufe bis zur Abfallberater-Ausbildung. Daß von solchen Umschulungen vor allem auch ältere Arbeitslose erfaßt werden müssen, steht im Mittelpunkt zweier derartiger Schulungsprojekte in der krisengeschüttelten Obersteiermark.

Nicht aufgegangen ist das Konzept bisher einzig bei der vorgesehenen Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen. Doch sollte nun, nachdem der Bund Mittel zugesagt hat, auch die bisher ebenfalls ausständige Beteiligung der Bundesländer in greifbare Nähe gerückt sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung