"Elite-Unis sind schwachsinnig"

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Lothar Zechlin, Altrektor der Universität Graz und seit 1. Oktober Rektor der Universität Duisburg-Essen, über studentische Mitbestimmung und Spitzenunis.

Die Furche: An der Uni Wien protestieren die Studierenden gegen die Einschränkung der Mitbestimmung. Wie groß ist Ihre Solidarität?

Lothar Zechlin: Ich habe das Universitätsgesetz 2002 immer begrüßt. Es gibt allerdings einen Schwachpunkt - und das ist genau diese innere Mitbestimmung: Das neue Gesetz gibt die Macht letztlich den Professoren. Das ist dann nicht sinnvoll, wenn man derart viele Mittelbau-Leute hat, die habilitiert sind und die Hauptlasten in der Lehre und Forschung tragen. Entweder muss man einen größeren Teil zu Professoren machen. Oder man darf ihnen nicht so gut wie alle Mitbestimmungsmöglichkeiten wegnehmen. Wenn man ihnen zu verstehen gibt: Eigentlich wollen wir euch gar nicht, dann entmotiviert man Leute, von denen viele wirklich Leistungsträger sind.

Die Furche: Die studentische Mitbestimmung geht Ihnen weniger ab?

Zechlin: Die Studierenden haben nach wie vor ein Viertel der Sitze im Senat - das finde ich OK. Ich selbst habe als Rektor nie so sehr darauf geachtet, wer mit wie viel Prozent in welchem Gremium sitzt. Wir haben einfach Podiumsdiskussionen veranstaltet, wo jeder seine Ideen präsentieren konnte. Das läuft für mich unter "partizipatives Management".

Die Furche: In Deutschland wird gerade darüber diskutiert, was in Österreich seit Jahren für Schlagzeilen sorgt: Studiengebühren und autonome Unis. Haben Sie ein Déjà-vu?

Zechlin: Ich bin 1999 von Hamburg nach Graz gekommen und hatte zunächst das Gefühl, dass Deutschland in der Hochschulorganisation weiter ist. Jetzt gehe ich nach Deutschland zurück und merke, dass die österreichische Hochschulorganisation auf die Überholspur gegangen ist. Eines ist mir allerdings auch aufgefallen: 1999, als in Deutschland durch die Wiedervereinigung bereits die Sparpolitik an den Unis begonnen hat, war Österreich noch ein Eldorado. Jetzt wird auch hier gespart.

Die Furche: Vor allem die von der SPD propagierte Einrichtung von zehn "Elite-Universitäten" ist umstritten. Was halten Sie von dieser Idee?

Zechlin: Ich halte das für einen Schwachsinn - und für einen Trick der Politik, von den realen Problemen der deutschen Unis abzulenken. Natürlich muss man an den Universitäten auch Eliteförderung betreiben. Aber die Basis muss eine Breitenausbildung sein, bei der möglichst viele eines Altersjahres an der Uni vernünftig ausgebildet werden.

Die Furche: In Österreich spricht man von Weltklasseunis. Eine Utopie?

Zechlin: Mein Vorvorgänger als Rektor in Graz, Helmut Konrad, hat einmal gesagt: Wenn man sich die zehn besten Eliteunis ansieht, dann sind acht amerikanische Unis darunter - und wenn man sich die hundert schlechtesten Unis ansieht, dann sind es 80. Ich glaube, dass sich die Unis im deutschsprachigen Raum ganz gut behaupten. Allerdings hat Harvard ein Budget, das 20 Mal höher ist. Insofern sind hier Vergleiche ziemlich blödsinnig und werden auch nur von Leuten angestellt, die sich nicht auskennen mit den Problemen der Hochschulpolitik.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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