7117235-1996_20_06.jpg
Digital In Arbeit

Eltern Mut machen zu religiöser Erziehung

Werbung
Werbung
Werbung

Eltern sollen die Pfarrer ihrer Kinder sein? Dieses Postulat klingt manchen Ohren provokant. Es fordert Eltern dazu auf, die Sache der Erstkommunionvorbereitung nicht anderen Eltern oder dem Pfarrer und seinen Mitarbeitern zu überlassen, sondern ihr Kind auf dem Weg zur Erstkommunion aktiv zu begleiten. Wenn die Kommunionvorbereitung als Familienkatechese gestaltet wird, dann werden nicht mehr wie bisher nur wenige Eltern als „Tischmütter" für eine Gruppe von Kindern in den katechetischen Prozeß eingebunden, sondern alle Eltern. Hinter dem Anliegen, die Eltern möglichst intensiv in die Kommunion-Katechese miteinzubeziehen, steht die Erfahrung, daß die religiöse Erziehung insgesamt und die Hinführung der Kinder zur Kommunion gar nicht oder nur mühsam gelingt, wenn die Eltern diese nicht aktiv unterstützen.

Die Bemühungen um die Kinder fallen dann auf einen trockenen Boden, der nicht gedeihen läßt, was von anderen Katecheten gesät wurde. Kommunionkinder sind in einem Alter, in dem sie hauptsächlich an und von den Eltern lernen. Das, was den Eltern wichtig ist und in die normalen Vollzüge der Familie eingebettet ist, bestimmt die Welt des Bedeutungsvollen für das Kind. Soll die Gemeinschaft mit Jesus Christus als etwas Bedeutungsvolles erfahren werden, als eine Beziehung, die wichtig ist für das tägliche Leben, so kann diese Erfahrung nicht an der Familie vorbei vermittelt werden.

Familienkatechese versucht, diese schon lang bekannte Einsicht in die Praxis umzusetzen. Dabei läßt Familienkatechese nach dem Vorbild des lateinamerikanischen Modells „cate-quesis familiär" die Eltern mit ihrer Aufgabe nicht im Regen stehen. Die Eltern selbst müssen - oft genug neu -lernen, über ihren Glauben zu spre-

chen. Zunächst gilt es, die Relevanz des Glaubens für das eigene Leben zu entdecken. Die Eltern der Kommunionkinder treffen sich deshalb regelmäßig in überschaubaren Gruppen.

In der Elterngruppe tauschen sie sich über ihren Glauben aus beziehungsweise haben sie die Chance, verschüttete Zugänge wiederzugewinnen. Eltern können so ihre Gottesbeziehung neu buchstabieren. Gestärkt durch die Erfahrungen und Gespräche in der Elterngruppe, sollen die Eltern zu Hause mit ihrem Kind in jeder Woche anhand von katechetischem Hilfsmaterial ein Gespräch führen. Dieses Gespräch mit dem Vater und der Mutter soll dem Kind den für diese Woche vorgesehenen Inhalt der Kommunionvorbereitung erschließen.

Anhand des Familienblattes können sie in einfachen Formen, mit biblischen Geschichten und leicht verständlichen Impulsen mit ihrem Kind ein katechetisches Gespräch führen. Nach wie vor geht das Kind jede Woche in eine Kommuniongruppe. Dort werden die Inhalte des Gespräches zu Hause eher spielerisch nachbereitet und vertieft. Familienkatechese stellt die Kommunionvorbereitung - bildlich gesprochen - auf zwei Beine: Das Standbein ist das katechetische Gespräch zu Hause, die Kommuniongruppe ist das Spielbein.

Die Gottesbeziehung neu buchstabieren

An die Eltern geht nicht einfach die Forderung: „Bereite Dein Kind allein auf die Kommunion vor!", sondern vielmehr die Zumutung und das Zutrauen: „Du selbst kannst dein Kind am besten auf die Kommunion vorbereiten." Nicht das Kind allein geht zur Kommunion, sondern die Eltern und das Kind gemeinsam, die Familie geht zur Kommunion.

Wie die Erfahrung zeigt, haben viele Eltern zuerst Bedenken, etwa: „Ich habe Bankkauffrau gelernt. Ich kann das nicht", oder versuchen die Aufgabe der Kommunionvorbereitung an andere abzuschieben. Es zeigt sich aber, daß die meisten Eltern argumentativ für diesen Weg gewonnen werden können. Und es gibt

genügend Eltern, die sich als religiöse Erzieher ihrer Kinder ernstgenommen fühlen. Viele anfängliche Ängste und Hemmungen können abgebaut werden, wenn die Eltern erfahren, daß sie erstens nicht allein auf diesen Weg geschickt werden, sondern kontinuierlich begleitet werden und kompetente Unterstützung erhalten.

Zum anderen merken die Eltern schnell, daß es nicht darum geht, einen Religionsunterricht wie in der Schule nun privat abzuhalten. Es geht darum, gemeinsam mit dem Kind sich auf den Weg zu machen, um Jesus Christus zu begegnen, ihn besser kennenzulernen und gemeinsam die Beziehung zu ihm zu pflegen. Für manche Eltern ist ER ein guter Bekannter, mit dem sie vertraut sind. Es bereitet ihnen keine großen Schwierigkeiten, ihr Kind in diese Beziehung mithineinzunehmen.

Bleibende Früchte für das Familienleben

Viele Eltern müssen den aus vergangenen Tagen bereits Bekannten nochmals neu kennenlernen oder die aus allerlei Gründen etwas einge-schlafene, vielleicht problematisch gewordene Beziehung für sich selber erst wieder erklären und auffrischen. Dabei können sie aber durchaus zusammen mit ihrem Kind diese Beziehung erschließen. Kinder von Eltern, die sich trotz allen Bemühungen seitens der pastoral Verantwortlichen nicht auf den „Kommunionweg als Familienkatechese" einlassen wollen oder können, werden von der Kommunionvorbereitung nicht ausgeschlossen. Diese Kinder gehen eben nur in die Kommuniongruppe und lernen dadurch Jesus Christus zumindest so gut kennen, daß es verantwortet ist, sie zur Erstkommunion zuzulassen.

Innerster Kern der Kommunion ist die Gemeinschaft, die communio, des einzelnen mit Jesus Christus einerseits und die Gemeinschaft unter den versammelten Gläubigen andererseits. Die Gemeinschaft mit Jesus Christus als eine lebendige, lebensrelevante Beziehung kann den Kindern überzeugend nur vermittelt werden, indem Eltern ihre Kinder teilnehmen lassen an ihrer eigenen Beziehung zu diesem Jesus Christus.

Dieses Anteilgeben geschieht durch das Gespräch zwischen Eltern und Kind über Jesus Christus, seiner Bedeutung für unser Leben und die Feier seines Gedächtnisses in den Zeichen von Brot und Wein. Familienkatechese mit ihrer Bildung von Gemeinschaften auf der Ebene der Kinder und der Erwachsenen ist ein weiterführender Baustein auch unter ge-meindekatechetischen Aspekten. Erste Erfahrungen im deutschsprachigen Raum zeigen, daß die angestifteten Prozesse über den Tag der Erstkommunion hinaus bleibende Früchte zeitigen.

Familienkatechese geht davon aus, daß Gott schon in den Familien ist. Eltern und Kindern ist auf positive Weise zu helfen, die Gottesbeziehung als lebensförderlich, als Bereicherung für das Leben zu entdecken. Sie stärkt Vätern und Müttern den Bücken, die eigenen Kompetenzen der religiösen Erziehung wahrzunehmen. Sie stellt die Gottesbeziehung in das Zentrum, in dem Leben entsteht und gefördert werden kann: in die Familie - auch in die zerbrochene oder tragisch zerrüttete Teilfamilie. Auch diese Eltern und Kinder können die Gottesbeziehung erschließen - gerade sie.

Die Autoren;

Albert Biesinger ist Professorfür Religionspädagogik, Kerygmatik und Kirchliche Erwachsenenbildung an der Universität Tübingen. Sein Projektassistent Herbert Bendel ist Diplom Theologe.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung