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Elternhaus erspart Psychotherapie

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„lugend braucht Familie“ ist das Motto des diesjährigen „Kana-Tages“, der traditionellen Kundgebung des Katholischen Famllienverbandes in Oesterreich, die am 18. Jänner im Groden Musikvereinssaal stattfindet.

Vor allen Stützen und Hilfen braucht der Heranwachsende Mensch ein geordnetes Zuhause, die Gemeinschaft einer richtigen Familie. Sie stellt in ihren Sozialbeziehungen auch den besten Modellfall für die größeren Gemeinschaften dar, in die er langsam hineinwachsen soll: in die Spielgruppe, die Klassengemeinschaft, die berufliche Umwelt, in die Gemeinde, das Bundesland und schließlich in die Gemeinschaft der Kirche und des Staates. Die richtige Erziehung zur Gemeinschaft in der Familie bedeutet somit gleichzeitig die erste und beste staatsbürgerliche Erziehung.

Alles, was die Schule, die Jugendgemeinschaften und die Selbsterziehung an späteren Fortschritten des Sozialverhaltens erwirken, ist nur eine Entwicklung der elementaren menschlichen Erfahrung, die der Jugendliche in der familiären

Erlebnisgemeinschaft mit Vater, Mutter und Geschwistern erworben hat. Ueberordnung und Unterordnung lernt der junge Mensch nirgends besser und selbstverständlicher als im Verhältnis zu den Eltern kennen. Ein richtigverstandener Autoritätsbegriff ist ja in der modernen Familie auch unter Berücksichtigung des Partnerschaftsgedankens unerläßlich, wenn die typischen väterlichen und mütterlichen Wirkelemente erhalten bleiben und ergänzend eine dynamische Harmonie bilden sollen. Aber auch die anderen grundlegenden Faktoren im aktiven und passiven Sozialverhalten finden in der Familie ihre Grundlage: Verträglichkeit, Anpassung und gegenseitige Rücksichtnahme: das Erlebnis der gleichwertigen Nebenordnung der Geschwister: die Verantwortlichkeit in der Er- zieHungs- und Pflegehilfe gegenüber jüngeren und schwächeren Geschwistern (Ritterlichkeit); vor allem aber die Liebe, das Lieben und Geliebtsein um seiner selbst willen als tragendes Element jeder Intimgemeinschaft, als letzter Erlebniswert, auf den die Ausreifung der menschlichen Persönlichkeit (bis zur Vollendung im Tode) ebenso aufbaut wie die Grundlegung christlicher Religiosität mit ihrem Hauptgebot der Liebe. Am Beispiel der „schwierigen" Kinder aus gestörten Familienverhältnissen wird an den bekannten Symptomen von der Kontaktarmut bis zu den kriminell-aggressiven Erscheinungen die Bedeutung gesunder Familienverhältnisse für die Jugend offenbar.

Deshalb ist die Lösung des Jugendproblems nicht in isolierten Maßnahmen außerhalb der Familie, sondern durch die Wiedergeburt eines normalisierten und stabilisierten Familienlebens anzustreben. Die Jugendpolitik hat deshalb im letzten Familienpolitik zu sein, weil ein Uebel an seiner Ursache zu heilen ist, nicht an seinen Folgen. Wenn also beispielsweise die Jugendkriminalität steigt, weil die Jugendlichen auf Grund der Erwerbstätigkeit ihrer Mütter oft kein warmes Zuhause mehr haben und' auf die Straße getrieben werden, dann soll man in der Hauptsache nicht an die Errichtung von Tages- heimstätlen für Jugendliche denken, sondern geeignete familienpolitische Maßnahmen ergreifen,

damit die Mütter wieder in ihre Familien zurückkehren bzw. zurückkehren können. Ein anderes Beispiel: Wenn für so viele Jugendliche heute infolge der hohen Ehescheidungsziffern große seelische Konflikte heraufbeschworen werden, wird man in der Hauptsache eine Abhilfe nicht in einem weiteren Ausbau einschlägiger Einrichtungen der Fürsorge, der psychologischen Beratung und der Psychotherapie suchen dürfen, sondern in erster Linie in einer Aenderung der bestehenden Ehegesetze im Sinne einer Er-' schwerung der Ehescheidung bei Vorhandensein von Kindern. Die Familienorganisationen haben unter anderem längst die Bestellung von Pflichtverteidigern bei Ehescheidungsprozessen für die Wahrnehmung der Interessen der Kinder vorgeschlagen. Den Kindern und Jugendlichen wird durch die Erschwerung leichtfertiger Ehescheidungen mehr geholfen als durch die Einweisung in noch so gut ausgestattete Heime. Hermann G m e i n e r zum Beispiel wußte das, als er die Idee seiner Kinderdörfer in die Tat umsetzte. Andere hätten wieder öffentliche Heime empfohlen, wahrscheinlich komfortabel ausgestattet, mit geschulten Fürsorgerinnen, modernem Spielzeug, jährlichen Ferienreisen usw. Bei Schul- und Entwicklungsschwierigkeiten wären ihnen fachkundige Psychologen zur Seite gestanden. Eines aber hätten sie nicht gehabt — das, worauf es ankommt: ein warmes Zuhause mit Mutter und Geschwistern (manchmal haben sie jetzt auch schon - einen Vater), das Glück persönlicher Liebe und Geborgenheit (Nestwärme). Nichts aber hätten sie mehr vermißt, denn Jugend braucht eben Familie.

Am Beispiel der Erfahrungen einerseits mit den Kinderdörfern und anderseits mit familienentwurzelten Jugendlichen und solchen aus gestörten Familienverhältnissen wird deutlich, was den Kern des heutigen Jugendproblems ausmacht. Das sogenannte Generationenproblem mit seinen 'Vielbeschriebenen Spannungen Zwischen alt und jung ist es nicht mehr. Zweifellos bildet etwa die Vorverlegung der sexuellen Reife — scharf kontrastiert von zunehmend infantilen Zügen in der späteren Entwicklungszeit — ein ernstes Problem, besonders im Zusammenhang mit verschiedenen Entwicklungstendenzen der modernen Gesellschaft (Verstädterung, Entfernung von natürlicher Lebensweise, Zunahme der unüberschaubaren Bereiche in Gesellschaft und öffentlichem Leben, fortschreitende Komplizierung durch Differenzierung aller Sozialgebilde usw.). Letztlich aber sind diese Schwierigkeiten und Gefahren im Normalfall durch die positiven Wirkungen eines gesunden Familienlebens auszugleichen.

Gemessen an Umfang und Art aller auslösenden Momente ist das Versagen des Elternhauses und der Verlust eines gesunden, geordneten Familienlebens die dominierende Ursache der heutigen Jugendnot. Es wird deshalb Aufgabe aller mit der Jugendfrage befaßten Institutionen sein, bei ihren Unternehmungen von dieser Tatsache auszugehen. Wir werden dann nicht umhin können, ein umfassendes familienpolitisches Aktionsprogramm zu erstellen und durchzuführen, das die Jugendpolitik als integrierenden Bestandteil der Familienpolitik betrachtet. Ein solches Unternehmen darf aber nicht wieder an Kompetenzkonflikten scheitern wie etwa die Errichtung eines Familienpolitischen Beirates bei der Bundesregierung. Deshalb schlagen wir die Errichtung eines Bun- desminsteriums für Familien- und Jugendfragen vor. Der als Vorstufe dazu schon oft urgierte Familienpolitische Beirat kann dann als beratendes Organ des Familienministers fungieren, in der Hauptsache bestehend aus Vertretern deT Wissenschaft und der Familienverbände. Der Schreiber dieses Aufsatzes hat schon wiederholt darauf hingewiesen, daß die Errichtung eines solchen (kleinen) Ministeriums im Zusammenhang mit einer Verwaltungsreform keine Ausweitung des derzeitigen Dienststellenplanes erfordern würde, zumal die mit Jugendfragen bisher befaßten Stellen nur aus den jetzigen Ministerien herauszulösen wären. In den Angelegenheiten der Jugendpolitik müßte das neu zu errichtende Ministerium federführend gesetzgeberische Initiative erhalten, während seine Aufgabe in den allgemeinen familienpolitischen Belangen hauptsächlich in anregender und koordinierender Tätigkeit zu bestehen hätte. Damit könnte dem heute weithin nur diskutierten Jugendproblem wirklich an den Leib gerückt werden.

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