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Digital In Arbeit

Erfolg durch soziale Kompetenz

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DIEFURCHE: Woran liegt es, daß die Schere zwischen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt so groß ist? Hier die wachsende Schar Arbeitsloser, dort Unternehmer, die verzweifelt Leute suchen.

PROFESSOR FRANZ WOJDA: Mir ist das durch ein persönliches Erlebnis so richtig bewußt geworden. Ich habe selbst eine bettlägrige Mutter im Burgenland, sie ist ein hundertprozentiger Pflegefall. Und nun ist eines interessant: Obwohl dieses Bundesland die höchste Arbeitslosenrate in Österreich hat, ist es kaum möglich, Leute für die Pflege zu finden. Eine simple Arbeit in einer Fabrik durchzuführen, erscheint viel attraktiver, als bei gleicher Bezahlung eine Pflege zu übernehmen. Die Fabriksarbeit hat im Burgenland ein solches Ansehen, daß die Menschen bereit sind, morgens und abends je eineinhalb Stunden nach Wien und zurück zu pendeln. Die Arbeit der Pflege hat hingegen einfach kein Prestige. Dabei hätten wir einen enormen Kranken- und Altenpflegebedarf.

Soziales Engagement über die Familie hinaus scheint ein Motivationsproblem zu sein. Das bedeutet, daß diese Art der Arbeit zunächst einmal attraktiv gemacht werden muß, indem man sie mit einem besseren sozialen und gesellschaftlichen Ansehen versieht.

Vielleicht haben viele Menschen auch einfach Angst, nicht genug qualifiziert zu sein. Man geht davon aus, daß man bei der Fabriksarbeit kein inneres Engagement benötigt. Im Fall der Pflege wären sie emotional gefordert. Dieses Beispiel alleine zeigt deutlich, daß die Menschen in Zukunft andere, neue Anforderungen bewältigen werden müssen.

DIEFURCHE: Wer gilt in Zukunft als qualifiziert?

WOJDA: Wer folgende Fähigkeiten hat: das Fachwissen, also das gewußt „Was“. Dann kommt hinzu das Methodenwissen, also das gewußt „Wie“. Weiters kommen dazu Kreativität und Phantasie, also die Vorstellungskraft, die man auch bei ganz sim- plėn Arbeiten benötigt. Abschließend sind die folgenden Komponenten ganz besonders wichtig, nämlich die kognitive und die emotionale Kompetenz. Unter ersterer versteht man die Fähigkeit, Probleme zu erkennen, sie zu definieren und zu analysieren, selbst Konzepte zu entwickeln, über Alternativen zu entscheiden und dann etwas umzusetzen.

Die emotionale Kompetenz ist die Fähigkeit, mit anderen reden zu können, sich selbst zu kennen und zu wissen, Was man sich und anderen zumuten kann. Dazu gehört auch: in Teams arbeiten, Konflikte lösen, sich selbst und andere motivieren zu können.

DIEFURCHE: Leistet die Schule genug im Vermitteln dieser Fähigkeiten?

WOJDA: In der Schule wird eher immer noch die Vorstellung vermittelt, daß das Wesentliche der einzelne ist. Die jungen Leute werden teilweise damit zu kleinen Egoisten erzogen. Im industriellen Prozeß, aber natürlich insgesamt in der Arbeitsweit, ist die Zusammenarbeit in der Gruppe die Lösungsform. Nur im Team kann man komplexere Probleme bewältigen. Diese Kompetenz muß man in Zukunft einfach haben. Das bedeutet, daß man sich auch dem anderen Kollegen anvertrauen kann und sich nicht abschottet.

DIEFURCHE: Da kommt es doch zu einer gefährlichen Polarisierung. Hier diejenigen, die hochqualifizierte Tätigkeiten erbringen werden. Dort Menschen, die nicht die entsprechende Qualifikation haben.

WOJDA: Es wird viele neue Formen der Arbeit geben. Das wichtige ist nur, daß die Menschen sich darauf einstellen.

DIEFURCHE: Besteht die Chance, daß sich Wirtschaft Bildungsstätten und Arbeitsmarktpolitiker aufeinander abstimmen?

WOJDA: Das gute Bemühen steckt hier noch in den Anfängen. Viele wissen, daß etwas geschehen muß. Aber was? Und welche Strategien sind nötig für die praktische Umsetzung? Das ist die Frage.

DIEFURCHE: Was müßte als erstes geschehen?

WOJDA: Die öffentlichen Stellen sollten - unter Einbeziehung der Sozialpartner - Mittel für entsprechende Forschungsaktivitäten bereitstellen, um derartige Strategien und geeignete Maßnahmen zu entwickeln.

DIEFURCHE: Finden Sie es da richtig, jetzt in diesen schwierigen Zeiten die Sozial- mißbrauchsdebatte vom Zaun zu brechen?

WOJDA: Da muß man zweierlei unterscheiden: Wir müssen es uns leisten können, daß jemand, der keine Arbeit hat, auch menschenwürdig leben kann. Das ist klar. Aber ich halte die Mißbrauchsdebatte auch für berechtigt. Ich selbst habe schon Leute vom Arbeitsamt geschickt bekommen. Viele haben als erstes gefragt, ob sie „schwarz“ arbeiten dürfen. Ich habe nicht zugestimmt, und da sind sie sofort abgesprungen. Es mangelt also auch am Bewußtsein, daß man seinen Lebensunterhalt mit redlicher und korrekter Arbeit verdienen soll. Geholfen werden soll vorrangig denjenigen, die nicht arbeiten können. Die können, sollen durch Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen. Hiefür muß man die Menschen aber auch richtig motivieren.

DIEFURCHE: Meinen Sie mittels finanzieller Sanktionen? Oder sollte man den Leuten nur stärker klar machen, daß es auch so etwas wie Redlichkeit zu geben hat?

WOJDA: Man muß das klar machen und die entsprechenden Einsichten wecken.

DIEFURCHE: Es gibt ja auch zunehmend das Problem in der Arbeitswelt, daß viele Berufstätige zu Leistungsverwei- gerem geworden sind Sie empfinden das Arbeitsleben als unerträglich.

WOJDA: Viele Unternehmen stehen in wirtschaftlich schwierigen Situationen unter einem enormen Kosten- und Leistungsdruck. Sie sind nur darauf bedacht, das Überleben zu sichern. Dadurch entsteht bei allen Beteiligten ein gewisser Druck. Anderes wird beiseite geschoben. Das führt aber bedauerlicherweise aber auch dazu, daß interessante neue Ansätze zu besseren Arbeitsbedingungen nicht weiterverfolgt werden. Aber generell steigt die Möglichkeit zu eigenständiger, kreativer und als sinnvoll empfundener Arbeit. Vom Management initiiert, sind viele organisatorische Maßnahmen darauf ausgerichtet, nicht mehr eng umgrenzte Abläufe vorzugeben. Den Mitarbeitern wird nicht mehr genau beschrieben, wie sie etwas im Detail durchzuführen haben.

Die Entscheidungsspielräume werden größer, die Mitarbeiter können mehr selbst bestimmen. Die Veränderungen des Marktes und der Umwelt sind außerdem so groß, daß nur derart orientierte Unternehmen und engagierte Mitarbeiter im Konkurrenzkampf mithalten können.

DIEFURCHE: Ist das das Ende des Taylonsmus, also der möglichst schematischen und auf elementare VErrichtung zurückgehende Arbeitsteilung? WOJDA: Ja. Im Englischen gibt es dafür schon einen Begriff, das „business redesign“. Jetzt lautet die Devise: Die tayloristischen Strukturen, also die Arbeitsteilung mit eng umgrenzter Spezialisierung und Funktionalisierung müssen zerschlagen und aufgelöst werden. Die Mitarbeiter müssen andere Kompetenzen bekommen. Tendenziell geht es eindeutig in diese Richtung. Offen ist noch, wie breit die Wirkung ist.

DIEFURCHE: Gilt das auch für die österreichische Struktur mit ihren Klein- und Mittelbetrieben?

WOJDA: Gerade hier muß das Bewußtsein geweckt werden, wie wichtig und wünschenswert diese Entwicklung ist.

DIEFURCHE: Massiv wird derzeit auch die Sorge geäußert, die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich sei gefährdet, weil die Österreicher zu wenig technik- und wirtschaftsfreundlich sind Teilen Sie diese Sorge?

WOJDA: Nein. Ich würde eher sagen, die Technikfeindlichkeit war vor 15 Jahren wesentlich größer als heute. Man hat auch erkannt, daß die Technik dazu beiträgt, etwa den ökologischen Herausforderungen gerecht zu werden.

Mit Professor Franz Wojda vom Institut für Betriebswissenschaften, Arbeitswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität sprach Elfi Thiemer.

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