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Erklärung des Herausgebers

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Mit Dank an meinen Vorgänger, Generaldirektor DDr. Willy Lor'enz, der neben seinen vielen Verpflichtungen auch noch „Die Furche zu betreuen gehabt hat, und in ehrfurchtsvoller Erinnerung an den Gründer, ersten Chefredakteur und ersten Herausgeber der „Furche“ , Doktor Friedrich Funder, übernehme ich die Herausgeberschaft des Blattes und dies in einer besonderen Situation unseres Landes, die sich wesentlich von jener unterscheidet, in der seinerzeit Friedrich Funder das Wagnis der Gründung einer freien kulturpolitischen Wochenzeitung auf sich genommen hat.

. Wir müssen immer mehr erkennen, daß sich unser Vaterland in einer gefährlichen Kommerzialisierung des herrschenden Denkens — auch der Intellektuellen —, in einer Depressionspeniode seines kulturellen Lebens befindet, so daß man fast vermuten möchte, materieller Mangel und Aufwuchs . der Kultur seien aneinander gebunden.

Die Bildpresse ist heute durchwegs in ausländischen Händen und verabreicht den österreichischen Lesern „Österreich-Ausgaben“ . Von den wenigen kulturellen Monatsschriften des Landes hätte beinahe eine der bedeutendsten in der nächsten Zelt ihr Erscheinen einstellen müssen. Immer mehr werden wir Österreicher geistig von Ost und West „betreut und dadurch verhältnismäßig ein kulturelles Entwicklungsland, dessen Stimme in der großen Welt nur mehr in Form musikalischer Darbietungen hörbar zu sein scheint — wenn wir nicht widerstehen: an allen Fronten geistigen Lebens. Auch in der Publizistik. Besonders in jenem Bereich der Publizistik, die den Österreichern gewidmet ist, die noch das Wagnis geistigen Engagements auf sich nehmen wollen.

Zeugnis für Österreich und für ein Europa neuer Art, das sich nicht lediglich als eine Kombination von ökonomischen Konzentrationen darstellt, Zeugnis auch für das, was man Geist nennt, kann in vielen Bereichen abgelegt werden: in den Regionen der Parteien, deren Bestand und ungehindertes Wirken als ein Index demokratischer Gewißheit ungemein wichtig ist, in den Regionen verbandlich ungebundenen kulturellen Lebens, dessen Teilnehmer jeweils durch spezifische Aufgaben integriert werden, und auch im kirchlich-christlichen Raum, vor allem im Bereich der katholischen Verbände und Gemeinschaften, die heute an der Front für die Kirche stehen und die Anliegen der Seelsorge in der Welt zu aktivieren suchen.

Zeugnis für Österreich kann aber auch in der Weise abgelegt werden, daß man jene Zeitschriften, die dem österreichischen Geistesleben dienen, wirksam durch Kauf und durch Verbreitung in die Lage versetzt, dem Vaterland dienstbar zu sein.

Vom ersten Tage ihres Bestandes hat sich „Die Furche in einem heroischen Engagement für die Kirche befunden, nicht um der Institution allein, sondern vor allem um deren wirksamen Bestand in der Welt willen.

„Die Furche war und ist jedoch kein Kirchenblatt im Sinn eines kirchenamtlichen Presseerzeugnisses und auch kein offiziöses Sprachröhr einer kirchlichen Stelle. Weder ein Bischof, noch eine kirchliche Instanz haben dies jemals dem Blatt zugemutet, dessen Redakteure und Mitarbeiter jederzeit volle Freiheit in der Darstellung ihrer persönlichen Meinung gehabt haben, eine Freiheit,* die den Vorstellungen vollendeter Demokratie“ itsprieht. „Die Furche kann daher katholische Meinung in der vollen Breite ihrer Aussagemöglichkeiten publizieren. Sie wird,es weiter tun.

In einer großartigen, wenn auch vielfach falsch verstandenen und nicht immer bedankten Unbefangenheit ist „Die Furche nicht nur allen Anliegen der Kirche, der Politiker und der christlichen Vorfeldorganisationen gegenübergestanden, sondern war auch jederzeit gesprächsbereit für jene, die selbst das christliche Sittengesetz nicht oder nur bedingt zur Maxime ihres Handelns und Denkens machen, der Kirche jedoch ihre Reverenz erweisen und gewillt sind, auf sie in Grenzsituationen zu. hören: Marxisten, Orthodoxe und Liberale.

Ganz besonders stark ist aber der Kontakt mit den evangelischen Christen gewesen, mit denen auch den neuen Herausgeber besondere persönliche Kantakte verbinden.

Wer „Die Furche die Jahre ihres Bestandes hindurch gelesen hatte, wurde daher ohne Vorbehalt über die Ansichten der Kirche in ihrem Vorfeld informiert und darüber hinaus über nichtchristliche Meinungen, die ein Christ in der Gesellschaft von heute nicht nur hören, sondern auch ertragen muß.

Gerade die Offenheit, die jetzt vom Konzil vor aller Welt in einer ergreifenden Weise demonstriert wird, wurde jedoch dem Blatt nicht selten zum Vorwurf gemacht, zuweilen auch von Lesern, denen ein einziger Artikel unter vielen nicht zusagte und die diesen einen Artikel bereits zum Anlaß einer schmerzlichen und verallgemeinernden Kritik nahmen. Dagegen muß man aber sagen:

Soll „Die Furche ein Amtsblatt werden ohne eigene Aussage, das nur strengst zensurierte und allen genehme, weil völlig nichtssagende Meinungen publiziert? Ist, wer das verlangt, nicht ein „Paschist“ ?

„Die Furche kann nicht die Totale ihrer Lesermeinungen“ ansprechen; sie könnte dies nur, wenn sie perfekt unverbindlich geschrieben wäre.

Anderseits soll im Rückblick nicht übersehen werden: Dem Leser, dem gläubigen Katholiken und den vielen, die dem Katholischen ohne förmliche Zuneigung ihr“ Achtung erweisen und „Die Furche lesen, wurden zuweilen — ohne Absicht — Publikationen zugemutet, die bei einzelnen den Eindruck nicht einer heilsamen, sondern lediglich einer unnützen Provokation erwecken konnten.

In welcher Zeitung, die auf eine Darstellungsbreite wie „Die Furche adaptiert ist und sein muß, wird aber nicht zuweilen eine solche Provokation einzelner Leser erfolgen?

Dazu ist gekommen, daß manchmal nach Ansicht von Lesern in einer bedenklichen Weise dann geschwiegen wurde, wenn zumindest die gläubigen Katholiken seitens der „Furche nicht nur Hinweise, sondern vor allem ein nützliches publizistisches Anbot verwertbarer Instumente angesichts der Gegner der Kirche, die sich heute in einer neuartigen Weise etikettieren, hätten erwarten dürfen.

„Die Furche darf sich keinem bestimmten Teilkatholizismus verschreiben, sie darf nicht einseitig links oder rechts, progressistisch oder konservativ sein. Was „Die Furche aber sein muß, ist katholisch. Das Katholische jeweils durch Menschen in der Welt in Freiheit interpretiert, darf und soll sich in einer Bandbreite von Interpretationen dar--Stellen; stets mit der Kirche und dem einen, vom immanenten Naturrecht bestimmten Sittengesetz als Bezugspunkt.

Eine Zeitung gerade wie „Die Furche kann aber nicht allen alles sein. Sie kann auch nicht in allen Situationen jenes Material, jene Publikationen bitter: deren Beschaffung sehr hohe Kosten verursacht — wenn man das Blatt zwar gerade noch liest, aber nicht kauft. Das war und ist die eigentliche „Furche“ -Krise und die Krise aller Intellektuellenzeitungen des deutschen Sprachraums: die Neigung so vieler und allzuvieler, an die sich auch „Die Furche richtet, sich billig anderswo, wenn überhaupt, zu informieren und dem Blatt lediglich ab und zu aus gesicherter Stellung „Harret aus! zuzurufen. Nicht wenige von denen, die jüngst die „Sicherung des bisherigen Kurses der „Furche verlangten, haben das Blatt noch nie gelesen und die Sorgen um seine Verbreitung den „anderen überlassen.

Ob „Die Furche das zu bieten vermag, was man mit Recht von ihr verlangen darf, hängt sicherlich auch von den Redakteuren und den erfreulich vielen Mitarbeitern ab; aber auch von den Lesern, vor allem von künftigen Lesern. Sagen wir e“ einfacher: auch von der Zahl der Käufer des Blattes.

Wir dürfen nicht übersehen und kommen nochmals darauf zurück, daß sich das österreichische geistige Leben auch im katholischen Raum in einem Zustand kritisch gewordener Apathie befindet, wenn nicht eines „Nur-Kritizismus“ , eines grotesken innerkatholischen Freund-Feind-Denkens, auf das Chefredakteur Dr. Csoklich jüngst in einer bemerkenswert tapferen Publikation in der „Kleinen Zeitung hingewiesen hat. „Die Furche soll diese Apathie aufbrechen helfen; sie ist nicht das einzige Instrument, aber eines der gewichtigsten Mittel, über die unser Land hiezu verfügt.

Helfen Sie uns, die gestellte, seinerzeit von Friedrich Funder in der Spätperiode seines Lebens mutig übernommene und uns vererbte Aufgabe in einer neuen Situation zu erfüllen.

Ich bitte Sie, Freunde und Leser des Blattes, im Bestand der „Furche nicht ein persönliches Anliegen der Redakteure zu sehen, sondern eine Aufgabe, der Sie sich ob der Kirche und ob des österreichischen Vaterlandes willen gerade heute nicht entziehen dürfen: durch Verbreitung, Zustimmung und Mitarbeit.

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