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Es gibt einen Streikbeschluß der Gewerkschaft

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Die geplante Kürzung der Assistentengehälter würde den Lehrbetrieb an den Universitäten arg beeinträchtigen. Heinrich Otruba, Rektor der wegen des hohen Assistentenanteils besonders betroffenen Wirtschaftsuniversität Wien, plädiert für eine Aussetzung dieser Belastungen.

Trotz mäßig bezahlter Assistentenstellen konnten die Wirtschaftsuniversitäten bis dato eine erkleckliche Anzahl von Absolventen für Lehre und Forschung gewinnen. Die geplanten Gehaltskürzungen für Assistenten - bei einem Nettoeinkommen von 30.000 Schilling wären es um rund 13.000 Schilling weniger -könnten das Bild an der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) allerdings drastisch verändern.

„Alle, die mit Dingen wie Kostenrechnung, Buchhaltung oder Marketing zu tun haben, werden dann weggehen. Und alle, die dableiben, werden nur beschränkt an der Wirtschaftsuniversität lehren, weil sie draußen in Kursen und Seminaren wesentlich mehr verdienen können", zeichnet WU-Bektor Heinrich Otruba ein düsteres Szenario. Er hat durchaus Verständnis dafür, daß seine Assistenten etwa an Fachhochschulen mehr Geld verdienen wollen. Wenn nun das Wirtschaftsförderungsinsti-tut seinen Plan verwirkliche, gemeinsam mit den Fachhochschulen Studiengänge abzuhalten, „dann wird das für uns ein schrecklicher Zustand", befürchtet Otruba.

Schon bisher schlug sich der finanzielle Zwiespalt der WU-Lehrbe-auftragten in einem hohen Abgang nieder. „Nach drei Jahren haben viele Assistenten ihre Doktorarbeit geschrieben und sind dann weggegangen", plaudert Prorektor Fritz Scheuch aus der Schule. Eine größere Fluktuation würde noch weniger Zeit zum Einarbeiten der neuen Assistenten bedeuten, was wiederum das Niveau sinken lassen würde. „Lehre und Forschung kann man nicht mit Anlernlingen betreiben", merkt Scheuch bitter an.

Die Wirtschaftsuniversität sei von den Auswirkungen des Sparpakets besonders betroffen, sagt Otruba: Zum einen seien viele Lehrveranstaltungen überlaufen, zum anderen liege der Assistentenanteil besonders hoch; 50 bis 60 Prozent der Lehraufträge seien an Assistenten vergeben. Die WU verzeichnet eine der höchsten Zuwachsraten aller österreichischen Universitäten bei Assistentenplanstellen: In den letzten 15 Jahren ist die Zahl von 113 auf 236 gestiegen.

Wie sieht Minister Schölten die Perspektive, daß das Studium an Österreichs Universitäten an internationaler Reputation verlieren würde? Otruba: „Er erkennt das an, aber er sagt, daß daran nichts zu ändern ist." Ein hoher Preis für eine vergleichsweise bescheidene Verminderung der Staatsausgaben: Scheuch beziffert die lehrbezogenen Einsparungen aller dieser Einschränkungen für ganz Österreich mit 800 Millionen Schilling. Keine Auswege aus den hohen Studentenzahlen sind für den Rektor der WU Studiengebühren oder Numerus

Clausus. Zum ersten: „Bei Grenzsteuersätzen von 50 Prozent aahlen unsere Absolventen so etwas ohnehin ihr ganzes Leben lang." Der Numerus Clausus wiederum sei mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden. Die Last der Selektion würde dadurch auf die Schulen verlagert, und das deutsche Beispiel zeige, daß dieser Weg nicht wirklich funktioniere.

Wie steht die Spitze der WU-Profes-soren zu den Anliegen der Studenten? „Wir tragen alle Forderungen mit, die die soziale Lage betreffen", sagt Scheuch. Und auch Otruba sieht die Sparideen äußerst kritisch. Man könne beispielsweise nicht Personen, die außerhalb der Universitätsstädte wohnen, durch den Wegfall der Fahrtbeihilfe sozial schlechter stellen. „Zuerst war es die große Gießkanne, ohne zu schauen, wo ich das Geld hingebe, und dann kommt der klassische Basenmäher", moniert Otruba. „Hier machen es sich die Politiker ein bißchen zu einfach."

Auf den Teufelskreis „Wegfall der Familienbeihilfe - Arbeiten neben dem Studium - Verlängerung der Studiendauer" habe er bereits in seiner Antrittsvorlesung hingewiesen, erinnert sich der WU-Rektor und zeigt ein spezifisches Problem des Wirtschaftsstudiums auf: „Bei uns gehört Arbeitserfahrung zum Curri-culum. Ein WU-Absolvent, der dies nicht vorweisen kann, ist am Arbeitsmarkt schlechter gestellt als jemand mit Berufspraxis." Daß dadurch die Studiendauer insgesamt länger wird, ist nicht zu verhindern.

Als beste Lösung in der jetzigen Lage bezeichnet Otruba, das Sparpaket der Regierung zwar so weit wie möglich zu akzeptieren, die universitären Sparmaßnahmen jedoch auszusetzen. Und wenn dies nicht durchgesetzt werden kann? „Es gibt einen Streikbeschluß der Gewerkschaft. Wir sind nicht mehr am Zug. Das sind jetzt die Gewerkschaft und die zuständigen Ministerien", sagt Otruba, der das politische Gespür vermißt: „Hoffen die, daß die Universitäten das nicht aushalten, weil sie unter den Druck der Studierenden kommen? Das wäre obszön."

Der Autor ist

freier Mitarbeiter der FuRCHK

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