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Digital In Arbeit

Falsches Signal zur falschen Zeit

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Warum die Diskussion um Grundsicherung und Grundeinkommen vor allem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt schädlich ist.

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Warum die Diskussion um Grundsicherung und Grundeinkommen vor allem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt schädlich ist.

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Es gibt Ideen, die kommen seit Jahren immer wieder. Dazu gehört ohne Zweifel der ge-sellschafts- und steuerpolitische Ansatz eines Grundeinkommens oder zumindest einer steuerlichen Grundsicherung. Über die finanzielle „Leistbarkeit” einer solchen Idee soll hier nicht diskutiert werden. Tatsache ist jedoch, daß die Skepsis bei vielen Experten in diesem Zusammenhang groß ist, selbst, wenn die Einführung dieser Instrumentarien in eine umfassende Steuerreform eingebettet ist.

Ebenso bedeutend wie der finanzielle Aspekt sind die gesellschaftspolitischen Auswirkungen des Grundeinkommens. Es ist nicht verwunderlich, daß das ökonomische Bürgerrecht auf Einkommen erstmals vor rund zwei Jahrzehnten ins Gespräch kam. Der Ansatz schien damals durchaus interessant, galt es doch Überlegungen anzustellen, wie möglichst alle vom fortschreitenden wirtschaftlichen Wohlstand profitieren könnten.

Heute erscheint er ebenfalls wieder vielversprechend, gegenwärtig vor allem in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Zwar kann das Grundeinkommen naturgemäß nur gering sein, doch glauben Befürworter wahrscheinlich zurecht, daß sich viele mit diesem bescheidenen Einkommen abfinden und aus dem Erwerbsarbeitsprozeß aussteigen würden. Eine Entlastung des Arbeitsmarktes wäre die Folge.

Als weiterer Vorteil wird gerne die soziale Komponente angeführt: Keine Person fällt aus dem sozialen Netz. Minderqualifizierte, Modernisierungsverlierer, aber auch Alleinerzieherinnen und Mehrkinderfamilien (so auch Minderjährigen ein Grundeinkommen zugesprochen würde) könnten profitieren. Und letztlich wäre das Grundeinkommen wohl auch leicht zu administrieren. Es bekommt einfach jeder etwas. Aufwendige Prüfungen einer sozialen Bedürftigkeit entfallen.

Trotzdem birgt die Abkopplung der Arbeit vom Einkommen einige Gefahren in sich, die diesen Ansatz als gefährlich für das Gemeinwesen und in letzter Konsequenz als verfehlt erscheinen lassen. Die erste Gefahr ist gleichbedeutend mit ihrem zu erwartenden Vorteil: Viele Mitbürger werden das Grundeinkommen zum Anlaß nehmen, aus dem Erwerbsarbeitsprozeß auszusteigen. Es entsteht eine scharf abgegrenzte neue Zwei-Klassen-Gesellschaft aus jenen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, und jenen, die ohne diese ihr Dasein frönen. Wer mit dem zur Zeit sich abzeichnenden Entsolidari-sierungsprozeß in Österreich konfrontiert ist, bei dem das Sozialpartnerschaftliche an Einfluß verliert und das beinharte Durchsetzen von Partikularinteressen en vogue zu sein scheint, der wird wenig Interesse haben, eine weitere gesellschaftliche Frontlinie aufzubauen. Kurz zusammengefaßt: Der gesellschaftliche Entsolidarisierungsprozeß würde durch die Einführung eines Grundeinkommens bzw. einer sozialen Grundsicherung noch weiter angefacht und beschleunigt werden. An das Ausnützen dieses Umstandes durch politischen Populismus und durch manche Medien möchte man wohl gar nicht erst denken ...

Nebenerscheinung dieser Entwicklung wäre wohl auch das bewußte Hinausdrängen von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen aus der Erwerbsarbeit. Warum sollte auch die Ehefrau und Mutter wieder einer Erwerbsarbeit nachgehen können, wenn sie doch ohnedies mit einem Grundeinkommen versorgt wird?

Der Ausschluß von der Erwerbsarbeit führt zur Trägheit. Der gesellschaftliche Zusammenhalt gelingt primär deshalb, weil jeder Bürger gewohnt ist, seinen Beitrag zum Funktionieren des Gemeinwesens beizutragen. Es fällt schwer zu glauben, daß nur die Verantwortungsvollen wohlüberlegt aus dem Erwerbsprozeß ausscheren. Die Frustrationen, die aus einem Beiseite-Stehen resultieren, kann man in diversen soziologischen Studien nachlesen. Und wer des Österreichers -oft durch die Rahmenbedingungen geförderten - Hang zum Pfusch kennt, der kann sich auf eine Explosion desselben bei Einführung von Grundeinkommens/-si-cherungsmodellen sicher sein.

Zuletzt ein vielleicht für nicht alle verständlicher Ansatz: Erwerbsarbeit wird nicht nur der monetären Entlohnung wegen verrichtet. Sich beruflich zu entfalten stellt für viele ebenso einen Teil ihres Lebensglücks und ihrer Zufriedenheit dar wie ein harmonisches Familienleben oder die kulturelle Betätigung. Die menschliche Geschichte kennt den Müßiggang vor allem in gesicherter Existenz, der Müßiggang mit spartanischer finanzieller Ausstattung erzeugt wohl eher Frustationspotenti-al und eine Stimmung sozialen Ausnützens im kleinen.

Dies alles soll freilich nicht heißen, daß ähnliche Modelle zu Grundeinkommen und Grundsicherung nicht vernünftig und gangbar erscheinen. Das Freijahr haben wir in Österreich zumindest für Wiener Beamte und Lehrer schon, ein Sabbatical-Konto, wie es vor kurzem erst der deutsche Volkswirtschafter und politische Soziologe Claus Offe in Wien präsentierte, könnte eine interessante Alternative sein. Doch Grundeinkommen und Grundsicherung stellen ohne Zweifel ein falsches Signal zum falschen Zeitpunkt dar.

Denn was Österreich zur Zeit und für die nahe Zukunft braucht, ist eine Aufbruchstimmung, um den Herausforderungen in der Transformationszeit zur Informationsgesellschaft gerecht zu werden. Dafür bedarf es der Mitarbeit und Anstrengung aller, ein Teil der Bevölkerung sollte von dieser Entwicklung nicht abgekoppelt werden.

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