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Familie — Schule — Lehrer

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Stift Zwettl! In seiner Stille und Abgeschiedenheit wie selten ein Ort einladend Zu Sammlung und Einkehr, zu ernster Beratung' und tiefgehenden Entschließungen. An die hundert Vertreter aller katholischen Lehrervereine Oesterreichs haben sich zusammengefunden, Gäste aus Belgien, der Deutschen Bundesrepublik, Frankreich, aus dem Saarland und aus Südtirol sind zu dieser 9, Dcle- giertentagung gekommen.

In die Tagung ist eine Lehrerwallfahrt nach Maria Taferl eingebaut, dort spricht auf einer Eltern- und Lehrerversammlung der Verfasser dieser Zeilen über den Lehrer in seiner Familienverbundenheit. Er erinnert an die Eigengesetzlichkeit der Welt des Laien, an seine Aufgabe, die Welt „heimzuholen zu Christus", und gerade durch sein Wirken in Ehe, Familie, Beruf, in Schule, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Politik heilig zu werden. Nach einer Untersuchung der heutigen Ehe- und Familiensituation stellt der Referent die Forderung auf, der ver heiratete Lehrer müsse, da alles Erziehen nicht so sehr eine Sache des Redens als vielmehr des Tuns, des vorbildhaften Lebens ist, zunächst Vorbild in seiner eigenen Ehe und Familie sein und von seiner Ehe aus Verständnis für die ihm anvertrauten Schulkinder und deren Familien gewinnen.

Die Beratungen der Delegiertenversammlung sind vorwiegend dem Problem Familie - Schule - Lehrerschaft gewidmet. Der Innsbrucker Universitätsprofessor Dr. Hans Windischer vergleicht in einem grundlegenden Referat die Erziehungssituation der heutigen Familie mit den zeitlosen Normen, die in der Erziehungsenzyklika Papst Pius XL ausgesprochen sind. Im Zuge der Auflösung vieler gewachsener Lebensgefüge gibt sich oft auch die Familie auf und liefert sich der Oeffentlichkeit aus. Kinder aus solchen Familien fristen ein deformiertes Dasein. Das Innengefüge der Familie ist heute vielfach gestört durch die vielen Vaterwaisen, wodurch das Verhältnis der Mutter zu den Kindern unausgeglichen wird. Die berufstätige Frau leidet unter dem Dilemma, in der Welt der Liebe und der anonymen Pflichterfüllung daheim sein zu müssen. Die Funktionsüberlastung führt zur inkonsequenten Erziehung und zum Verlust der wahren Mütterlichkeit. Durch schwere Konfliktstoffe in der Ehe nehmen die Kinder ungebändigte Konfliktstoffe ins Leben mit. Die Intimsphäre der Familie ist gestört, das führt sehr oft zu einer seelischen Verarmung der Eltern. Deklassierung, Scheinmobilität, Festhalten an veralteten sozialen Leitbildern und vor allem sittlich-religiöse Verkarstung zerstören die echte Beziehung zum Kinde, die in einer bedingungslosen Liebe zum neuen Werden gründet. Alle diese Erscheinungen machen den Ruf nach einem staatlichen Eingreifen verständlich. Und doch hat Papst Pius XL schon 1929 dieser Forderung die Tatsache entgegengehalten, daß die Familie das ursprüngliche Recht der Erziehung hat. Sie und die Kirche bilden den einen „Gottestempel der christlichen Erziehung“. Diesem Frziehungsrecht entspricht nach wie vor die Pflicht der Eltern, Zucht und Ordnung in der Familie walten zu lassen. Gerade die Betrachtung der inneren Werte der Familie zeigt, daß sie im Erziehungsvorgang unersetzlich ist. Den furchtbaren Mächten der Gegenwart, dem radikalen Erziehungsfuror, den Kollektivmechanismen und Nivellierungen, tritt die Familie entgegen und stellt der „abstrakten Autorität“ Schelsky die persönliche entgegen. Im geheimen Geleit durch die Kinderjahre pflegt und behütet sie allein die einmalige Entfaltung der Persönlichkeit, ohne in Verzärtelung zu fallen. In einer Zeit des „inhumanen Menschen“ R. Guardini stellt die Familie der Vermassung und Veräußerlichung die Erweckung der Innenwelt gegenüber und öffnet so das Tor der Seele für das Göttliche und Heilige E. Spranger.

Niemand wird heute noch behaupten können, daß staatliche Einrichtungen imstande seien, diese Erziehungsaufgaben der Familie zu ersetzen. Die Aufgabe der katholischen Schule in dieser Zeit aber ist es, die ungeheuren Gefahren der anonymen Oeffentlichkeit und die Werte der Familienerziehung zu erkennen.

Die Bedeutung der Familie als der ersten und als der unersetzbaren Erziehermacht macht es notwendig, daß die Schule in innigem Kontakt mit der Familie wirke. Wie sich dieser Kontakt zwischen Familie und Schule in der Wirklichkeit vollzieht, darüber spricht Frau Prof. Dr. Martha Schüller, indem sie die Verhältnisse in der Großstadt zeichnet, während Direktor Ernst Peck- h a r d t die Zustände auf dem Lande schildert. Beide beleuchten das von Windischer Gesagte aus den Erfahrungen des pädagogischen Alltags. Dabei wird das Bild, das Peck- hardt entwirft, ganz von selbst zu einer erschütternd ernsten Analyse des Lebens im Dorfe und räumt mit allen romantischen Vorstellungen von dem frommen, gläubigen Bauernvolk gründlich auf. Frau Dr. Schüller weiß auch um die Not der Familie, sie kennt die schulfreundlichen, aber auch die an der Erziehung desinteressierten und die schul- fcindlichen Eltern. Aber aus ihren Worten spricht — allen Schwierigkeiten zum Trotz — doch die Ueberzeugung, daß die Schule eine volkserzieherische Wirkung auf das Elternhaus ausüben kann und so über die Kinder und durch die Kinder als die zukünftige Erwachsenengeneration in die kommenden Tage zu weisen vermag.

Die Träger der katholischen Lehrerbewegung haben ihrer Verbundenheit mit der Familie durch die Wahl ihres Beratungsthemas und durch eine Solidaritätskundgebung an den katholischen Familienverband Ausdruck gegeben. Eine große Eltern- und Lehrertagung in der Stadt Zwettl bildet den Abschluß ihrer diesjährigen Tagung. Vortragender ist diesmal der Mann, dem die Sorge um ein gerechtes und fachlich einwandfreies Schul- und Erziehungsgesetz besonders zusteht: Unterrichtsminister Doktor Kolb.

Präzise beantwortet er drei Fragen über Wesen und Sinn aller Bildung. Zur ersten Frage: „Bildung für wen?“ stellt der Minister fest, daß nur die Erkenntnis des richtigen Menschenbildes Bildung überhaupt erst möglich macht, daß es also nicht gleichgültig ist, ob man im Menschen nur einen Egoisten ohne höheres Lebensziel sieht, nur ein Rädchen in der Maschinerie des Produktionsprozesses, einen anonymen Teil des Volksganzen oder aber eine von höchsten Werten erfüllte Persönlichkeit. Die zweite Frage: „Bildung wozu?“ zwingt uns zu unterscheiden zwischen einem nur angelernten toten Wissen und einem grundsatzerfüllten, aus wahrer Weisheit schöpfenden, zu ethischem Handeln verpflichtenden Dasein. Die Antwort auf die dritte Frage: „Bildung durch wen?“ veranlaßt den Vortragenden, die Eltern zu beglückwünschen, weil gerade diese Lehrertagung wieder gezeigt hat, daß immer noch eine große Zahl von Lehrern die Kinder im Geiste des Christentums unterrichtet und erzieht. Nie mögen die Eltern vergessen, daß es ihr gutes Recht ist, ihre Kinder in jene Schule zu schicken, die ihrer Weltanschauung entspricht. Diese naturrecht- liche Forderung, die nun auch in den Grundsätzen der UNESCO verankert ist, verpflichtet den Staat, auch die Schulen der religiösen Bekenntnisse in seine Obhut zu nehmen und die Eltern von dem ganz und gar undemokratischen Zustand zu befreien, daß sie, indem sie ihrem Gewissen folgen und ihre Kinder in katholische Schulen schicken, die doppelten finanziellen Lasten zu tragen haben.

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