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Fortbildung des Sozialarbeiters

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Jede fachliche Bildung erfordert Ausbildung. Dem Wort „Ausbildung“ liegt das Wort „Bild“ zugrunde — hier ein geistiges Bild, dessen Entstehen Vorbild und Wissen erfordert.

In der Sozialarbeit ist die Vermittlung von fachlichen Grundbegriffen und Arbeitsmethoden das Wissen, das die Persönlichkeit des Sozialarbeiters zu sozialem Handeln hinführen soll. Dieses soziale Handeln hat die Aufgabe, Bedürfnisse der gegenwärtigen Gesellschaft zu erkennen, diese Erkenntnis auf dem Fundament der sozialen Gesetzgebung und auf den volkswirtschaftlichen Grundlagen zu entwickeln sowie Maßnahmen zu ergreifen, die eine Hilfe ermöglichen. Soziales Handeln benötigt die Koordinierung mit anderen Organisationen, mit Einrichtungen, welche ebenso die Not des Menschen zu erfassen und zu lindern trachteh. Soziales Handeln braucht die Erkenntnisse der Forschung, der wissenschaftlichen Auswertung, den Austausch der Erfahrungen über die sozialen Probleme anderer Länder. Soziales Handeln erfordert die Planung auf weite Sicht, da die Bedürfnisse von heute, welche unbedacht Wieben. zum unlösbaren Problem von morgen werden können. Soziales Handeln ist eine dynamische Tätigkeit, welche sich den momentanen Gegebenheiten und Bedürfnissen anpaßt und die Möglichkeiten und Widerstände zu Integrieren versucht.

Ziel der Sozialarbeit ist das größtmögliche Wohlbefinden eines jeden Menschen, jedes Alters, jedes Standes, in wirtschaftlicher, gesundheitlicher, kultureller und persönlicher Hinsicht, und seine Anpassung innerhalb der Gesellschaft, in der er lebt.

Diese Tätigkeit erfordert den berufsmäßig ausgebildeten Fachmann, aber auch den „in der Zeit stehenden“, „mit der Zeit gehenden“ Sozialarbeiter. Fortbildung ist daher eine auf Ausbildung und Praxis aufgebaute fachliche und persönliche Ausrichtung des Sozialarbeiters. in Österreich Hegt die Fortbilde der bei öffentlichen Stellen tätigen Sozialarbeiter in erster Linie bei deren Dienstgebern, .m folgenden soll daher zunächst ein Überblick über die dafür in den einzelnen Bundesländern geschaffenen Einrichtungen und Veranstaltungen gegeben werden.

Weiterbildung durch den Dienstgeber

Die Niederösterreichische Landesregierung verpflichtet seit 1948 Fürsorgerinnen und Fürsorger zur Teilnahme von Fortbildungskursen. Sie finden jährlich für die Dauer einer Woche statt und bieten Referate, Arbeitskreise, Diskussionen und Exkursionen. Die Themeft der Referate richten sich nach den von den Fürsorgerinnen und Amtsvormtindern vorgeschlagenen aktuellen Problemen. Die Kosten der Kurse werden vom Land getragen.

Seit einigen Jahren schließt sich das Amt der Burpenländischen Landesregierung mit einigen Fürsorgerinnen diesem Fortbildungskurs an. Fallweise werden Fürsorgerinnen und Amtsvormünder im Rahmen dieser fachlichen Fortbildung zu Kurzkursen einberufen, wenn sich die Notwendigkeit eines besonderen Fachgespräches ergibt. Ein solcher Kurs fand im Februar 1986 in Zusammenarbeit mit Lehrkräften der Lehranstalt für gehobene Sozialberufe der Caritas der Erzdiözese Wien statt und behandelte die Probleme des Praktikums der Studierenden an dieser Anstalt.

Die Stadt Wien hat eine Verwaltungsakademie aufgebaut, in der sich die auf die verschiedenen Tätigkeiten spezialisierten Fürsorgerinnen in nach Fachgebieten organisierten Kurareihen fortbilden können. Das Jugendamt der Stadt Wien plant jedoch in nächster Zeit einen Kurs einzurichten, an dem Alle Fürsorgerinnen in regelmäßigen Turnussen teilnehmen sollen. Außerdem wird an einen Kurs für die Ausbildungsfürsorgerinnen gedacht. Er soll, in Zusammenarbeit mit der Lehranstalt für gehobene Sozialberufe der Stadt Wien, die Fortbildung und Ausbildung für diese spezialisierte Tätigkeit — die Anleitung der Praktikanten und Berufsanfänger — ermöglichen.

Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung hält alle zwei Jahre mehrwöchige Schulungskurse für Fürsorgerinnen und Amtsvormünder ab, für deren Referate Dozenten der verschiedensten einschlägigen Fachgebiete nach Linz gebeten werden.

Das Bundesland Salzburg delegiert einzelne Fürsorgerinnen der Stadt und des Landes zu einer jährlich stattfindenden Tagung im Land Salzburg, bei welcher Beamte des Landes zu einschlägigen Themen sprechen.

Im Bundesland Steiermark wird vom Dienstgeber auf Weiterbildung großer Wert gelegt. Sie erfolgt durch die alljährlich stattfindenden Fortbildungstagungen in St. Martin, an denen alle Landesfürsorgerinnen teilnehmen und zu denen die Fürsorgerinnen der Stadt Graz sowie die Werksfürsorgerinnen und die der privaten Wohlfahrtspflege eingeladen werden. Die Kosten der Tagung für die Landesfürsorgerinnen trägt das Land. Außerdem werden einzelne Fürsorgerinnen immer wieder zu Fachtagungen, zum Beispiel der Tuberkulosenfürsorge, der Trinkerfürsorge, zur Erziehertagung und auch zu Tagungen in das Ausland entsendet. Abgesehen von diesen

Tagungen und Kursen steht den steirischen Fürsorgerinnen bei jeder Bezirkshauptmannschaft eine Fachbibliothek zur Verfügung.

Tagungen am See

Vom Amt der Kärntner Landesregierung wird jährlich eine mehrtägige Fürsorgerinnentagung im Schloß Heroldeck am Millstät-tersee abgehalten, deren Referate das Fachwissen in der Gesundheits-, Erziehungs- und Rechtsfürsorge erweitern sollen. Von der Kärntner Landesregierung werden fallweise eintägige Arbeitsbesprechungen im Rahmen einer Fortbildung in Klagenfurt einberufen.

Auch wird den Fürsorgerinnen die Teilnahme an den in Kärnten stattfindenden Tagungen ermöglicht, wie zum Beispiel an den von der „österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundheit“ veranstalteten internationalen Tagungen. Für diese erhalten Fürsorgerinnen Sonderurlaub, die Kosten trägt das Land. Die Fürsorgerinnen Kärntens sind auch vielfach Mitglieder der „österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Heilpädagogik, Landesgruppe Kärnten“ und nehmen an monatlich in Klagenfurt stattfindenden Vortrags- und Diskussionsabenden teil.

Das Bundesland Vorarlberg läßt die in de Spezialfürsorge tätigen Fürsorgerinnen an den

Veranstaltungen der „Arbeitsgemeinschaft für private Jugendhilfe“ und des „Arbeitskreises für prophylaktische Medizin“ teilnehmen. Zu den zwei- bis dreimal jährlich stattfindenden Tagungen werden nahezu alle Fürsorgerinnen delegiert. Vereinzelt werden Fürsorgerinnen zu Fachtagungen in das Ausland entsandt.

Die Fürsorgerinnen des Bundeslandes Tirol haben Gelegenheit zur Weiterbildung in einer Wochenendtagung, die von der Arbeitsgemeinschaft der Fürsorgerinnen im ÖGB organisiert und vom Land subventioniert wird. Außerdem nehmen einzelne Fürsorgerinnen auf Kosten des Landes an der jährlich stattfindenden „Internationalen Werktagung“, die vom Institut für Vergleichende Erziehungswissenschaft in Salzburg abgehalten wird, teil.

Das Sozialministerium lädt die Bundesländer ein, Interessenten zu „Fortbildungskursen für vertiefte Einzelfallhilfe“ zu entsenden. Diese Kurse dauern fünf bis sechs Monate und erfordern eine Dienstfreistellung. Der Mangel an Fürsorgerinnen bedingt aber für gewöhnlich eine nur geringe Teilnahme. Ebenso werden Auslandsreisen zur fachlichen Fortbildung durch das Sozialministerium ermöglicht. Es wird jedoch von dieser zeitgemäßen Methode der Fortbildung, des Vergleichens mit der Arbeit und der Problematik anderer Länder, wenig Gebrauch gemacht, da der Mangel an Personal und die Arbeitsüberlastung nicht leicht jemanden entbehren lassen.

Die Tätigkeit der Berufsverbände

Neben dem Dienstgeber haben die verschiedenen Beru/suerbände der Fürsorgerinnen, das sind die „Landesverbände“ der einzelnen Bundesländer und der „Verband der Diplom-Fürsorgerinnen Österreichs“, in ihren Statuten die Fortbildung als primäre Aufgabe vorgesehen.

Der „Verband der Diplom-Fürsorgerinnen Österreichs“ veranstaltete jährlich eine längere Tagung mit wechselnden Tagungsorten, um so den Fürsorgerinnen in den Bundesländern die Teilnahme zu erleichtem. Tagungsthemen der beiden letzten Jahre waren „Soziologische Aspekte in der Sozialarbeit“ und „Probleme der Sozialarbeit von heute“.

Daneben veranstalten die einzeihen Landesverbände Vorträge über fachliche Themen. Der „Verband der Diplom-Fürsorgerinnen in der Steiermark“ widmet sich vor allem der kulturellen Fortbildung durch Reisen, Besichtigungen, Dichterlesungen und ähnliche Veranstaltungen. Der Landesverband der Fürsorgerinnen in Oberösterreich legt wieder das Schwergewicht seines Programmes auf die fachliche Fortbildung. Außerdem unternimmt der Verband alle zwei Jahre eine mehrtägige Studienfahrt zur Besichtigung von sozialen Einrichtungen im In- und Ausland.

Der österreichische Gewerkschaftsbund gibt zum Zwecke der Information auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge monatlich edne Broschüre mit dem Titel „Soziale Berufe“ heraus.

Die Weiterbildung, die ebenfalls unter die Aufgaben des Gewerkschaftsbundes fällt, gilt derzeit primär den Fürsorgerinnen der Gesundheitsämter, die alle zwei Jahre zu einem Internatskurs für die Dauer eiher Woche in das Bildungsheim des österreichischen Gewerkschaftsbundes in Neulengbach eingeladen werden. Für den nächsten Kurs im November dieses Jahres, der sich mit Fragen der Tuberkulosenfürsorge beschäftigen wird, sind 60 Teilnehmer aus ganz Österreich angemeldet. Die Kosten trägt für die Mitglieder der Gewerkschaftsbund, für die übrigen die Dienststelle.

Während des Jahres finden fachliche Vorträge und Kursreihen statt, welche ebenfalls Probleme der Gesundheitsfürsorge behandeln.

Der Verein der katholischen Fürsorgerinnen Österreichs hat vor allem eine persönlichkeitsbildende Aufgabe. Monatliche Vorträge, Einkehrtage und ein vierteljährlich erscheinendes Mitteilungsblatt versuchen sich mit der weltanschaulichen Ausrichtung der Fürsorgerinnen auseinanderzusetzen.

Das „österreichische Komitee für Sozial' atbeit“ hält Fachtagungen ab, die der Fortbildung und vor allem auch der Kontakt-nahme mit der „Internationalen Vereinigung für Sozialarbeit“ dienen. Zu den Tagungen werden Vertreter der Jugendämter entsendet.

Ausländische Vorbilder

Die Lehranstalten für gehobene Sozial-beru/e bieten, im Gegensatz zu den Schulen anderer Länder, keine Fortbildungsmöglichkeiten. Es hat jedoch jeder Absolvent der Lehranstalt die Möglichkeit, die dort eingerichtete Fachbibliothek zu benützen und in Gesprächen mit Lehrkräften Anregungen für seine fachliche Weiterbildung zu erhalten.

Andere Länder sind, wie in der Sozialarbeit überhaupt, so auch in der Aus- und Weiterbildung der Sozialarbeiter Österreich weit voraus.

In Holland zum Beispiel wird die „verlängerte Ausbildung“ im Ausmaß von zwei Jahren in den Sozialen Akademien seit zehn Jahren durchgeführt. Diese Weiterbildung setzt vier Jahre Ausbildung und zwei Jahre Berufspraxis voraus und kann während der Ausübung des Berufes absolviert werden. Die Vorlesungen finden am Wochenende statt. Eine schriftliche Prüfung führt zu einem Abschlußdiplom, das zur Tätigkeit als Supervisor, als Dozent an einer Sozialen Schule und als Sozialarbeiter an einer psychiatrischen Klinik berechtigt.

In der Schweiz führt die „Schule für Soziale Arbeit in Zürich“ seit 1960 „Höhere Fachkurse für Sozialarbeiter“ durch. Es handelt sich vorläufig um einjährige Weiterbildungskurse in den Methoden der sozialen Einzelhilfe, mit regelmäßiger, individueller Besprechung von Fällen aus der Praxis. Als Teilnehmer kommen Sozialarbeiter mit Diplom und mindestens zwei Jahren erfolgred eher Praxis in Frage. Für den theoretischen Teil ist volle Beurlaubung von der Dienststelle notwendig, für die Zelt der Praxisberatung ist eine teilweise Entlastung vorgesehen. Die Kosten werden vom Kursteilnehmer getragen.

In Österreich wird die Fortbildung von den einschlägigen Stellen, den Dienststellen, den Lehranstalten, den Berufsverbänden, der Gewerkschaft und vor allem von den Sozialarbeitern selbst als unbedingt notwendig erachtet. Die Anforderungen, die an die in der Sozialarbeit tätigen Kräfte gestellt werden, steigen hinsichtlich der allgemeinen Bildung, der Fachausbildung und der geistigen Beweglichkeit. Die bestehenden Formen der Fortbildung können als nicht ausreichend angesehen werden. Noch ist man auf der Suche nach einer Form, die den österreichischen Verhältnissen, der Tradition entspricht und die den Fürsorgerinnen und Fürsorgern hilft, ihre schweren Aufgaben zu erfüllen und den Menschen zu dienen, die von ihnen Hilfe erwarten.

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