6741213-1966_42_09.jpg
Digital In Arbeit

Frankreich hält am alten Beispiel fest

Werbung
Werbung
Werbung

Frankreichs Lehrerbildung ist durch lange Zeit jener Österreichs ähnlich gewesen; ja sogar die Bezeichnung der dort „Ecoles Normales Primaires“ genannten Lehrerbildungsstätten stammt von den seinerzeitigen „Normalschulen“, an denen seit der theresianischen Schulreform bis zum Erlaß der Reichsvolksschulgesetzes die Lehrer der niederen Schulen herangebildet wurden. So sehr die französische Pädagogik seit Jahrzehnten durch die „Education nouvelle“ in Bewegung geraten ist und so tatkräftig nach dem jüngsten Plan zum Aufbau des Schulwesens aus dem Jahre 1962 neue Organisationsformen für die verschiedenen Schultypen entwickelt werden, hält man doch an der alten „Ecole Normale“ fest. In diese treten Jugendliche mit dem Abschlußzeugnis der Unterstufe der höheren Schule ein und werden in zwei Jahren zu einer Art Reifeprüfung geführt. Nach dieser erhalten sie eine zweijährige Berufsausbildung. Bei Beibehaltung der alten Organisationsform erfolgt somit eine in Österreich schon lange verlangte (Alois Höfler, Heinrich Giese, -• Richard- Meistdr, ' Willibald Kammei), aber nie klar durchgeführte, anderen modernen Regelungen ähnliche Gliederung in einen allgemein-bildenden Unterbau und ein darauf aufgesetztes, jedoch hier nicht akademisches, fachwissen- schaftlich-berufspraktisch orientiertes Studium.

Ein zweiter Weg führt in Frankreich über die Matura und einen zweijährigen Ergänzungskurs an den „Ecoles Normales Primaires“, ein Vorgang somit, der den derzeit in Österreich bestehenden Maturantenkursen an den Lehrerbildungsanstalten und ähnlichen Einrichtungen in anderen Ländern, wie erwähnt in der Schweiz, aber auch in

Belgien, den Niederlanden und Dänemark, entspricht.

Die belgische Lehrerbildung entspricht der französischen Form. Derzeit laufen Versuche, auf die zurückgelegte höhere Schule einen einjährigen Kurs zur beruflichen Ausbildung folgen zu lassen und so eine neue Gestalt zu finden. Die Niederlande haben mit einem Gesetz vom

Jahre 1963 eine Neuregelung eingeführt: Nach der sechsjährigen Elementarschule muß im Normalfall der Kandidat einen fünfjährigen allgemeinbildenden Sekundarunterricht (mit einer weitgehenden Differenzierung in Hinblick auf die Wahl eines bestimmten Berufes in der 4. und 5. Klasse) erhalten haben. Dann tritt er in ein dreijähriges Lehrerseminar ein.

Luxemburg hat sich 1960 mit der Ersetzung der früheren „Lehrernormalschule“ durch ein zwei Jahrgänge umfassendes „Institut für Lehrerbildung“, das das Abitur als Aufnahmebedingung voraussetzt, für eine Art hochschulmäßige Ausbildung entschieden. Auch die englischen (und walischen) „Teachers Training Colleges“ haben einen zweijährigen Ausbildungsgang und verlangen für die Aufnahme, bei im einzelnen voneinander abweichenden Bestimmungen, das Reifezeugnis für die Zulassung.

Der „goldene Plan“

Wir müssen uns mit diesen Staaten begnügen. Einzelne südeuropäische Länder hinken in der Entwicklung wohl noch etwas nach. Doch sind — wie in Italien im Rahmen des „Goldenen Planes“ und in Spanien — die Dinge im Fluß. In diesen Staaten ist es vor allem die Frage der recht unterschiedlichen Vorbildung der präsumtiven Lehramtskandidaten, die generelle Lösungen erschweren oder auch (noch) nicht angepaßt erscheinen lassen. In Griechenland wurde, nachdem der politische Umschwung des Jahres 1964 die Zentrumspartei an die Macht gebracht hatte, die Bildungsreform mit stärkerer Intensität vorangetrieben. Die dort bereits seit längerem eingerichteten „Pädagogi-

sehen Akademien“ wurden von zwei auf drei Jahre verlängert.

Ein kurzer Blick sei noch auf einzelne Staaten des Ostens geworfen. Die Sowjetunion hat 1956 eine Reorganisation ihrer Lehrerbildung durchgeführt, wodurch die bisherigen Lehrerbildungsanstalten in „Pädagogische Institute“ umgewandelt wurden. Die Ausbildung an die sen wurde auf fünf Jahre erweitert. Jugoslawien hat im Zuge seines großen Schulgesetzes vom Jahre 1958 dreijährige „Pädagogische Akademien“ geschaffen. In der Tschechoslowakei sind vor kurzem die bisherigen Institute in „Pädagogische Akademien“ umgewandelt worden. Diese sind teils, soweit in Universitätsnähe, mit der Bereichsuniversität verbunden, wie in Prag und Preßburg, teils selbständig. Beachtenswert ist hier die auch in westeuropäischen Staaten unter dem Eindruck des Lehrermangels diskutierte Teilung der Ausbildung in zwei Studienrichtungen, in eine für Lehrer der Unterstufe und in eine für Lehrer der Oberstufe der neunjährigen Grundschule. (Überdies kennt auch Dänemark eine derartige Variierung.)

Verbesserter Grundschulunterricht

Fassen wir zusammen, so darf festgehalten werden, daß in allen Staaten unseres Kulturkreises, unbeschadet vom jeweiligen Regierungssystem und den gültigen sozialen Leitvorstellungen, das Bestreben besteht, allen Kindern einen verbesserten Grundschulunterricht zu vermitteln. Dies ist begründet in der Gemeinsamkeit der kulturellen Situation, in den übereinstimmenden oder ähnlichen Wandlungen im Wissenschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsraum. Dafür wird eine gehobene Lehrerbildung verlangt. Über deren Rang brauchen heute keine Worte mehr verloren werden. Die allgemeine Tendenz dieser Anhebung verläuft in Richtung einer Akademisierung und Pädagogisie- rung. Allerorts besteht das Bemühen, eine gediegene, fruchtbare theoretisch-praktische Berufsausbildung mit einer fundierten Allgemeinbildung zu verbinden und dafür die geeigneten Organisationsformen zu schaffen. Die Ausbildung erhält zunehmend einen wissenschaftlichen Charakter, nicht im Sinne einer wissenschaftlichen Anleitung zu einer wissenschaftlichen Berufstätigkeit, sondern vielmehr im Sinne einer „Bildung durch Wissenschaft“ verstanden.

Wie gezeigt, werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten praktiziert oder stehen im Stadium der Inangriffnahme, wobei man sich einmal mehr, ein anderes Mal weniger der alten Fundamente bedient. Die Variationen reichen von Pädagogischen Fakultäten oder Instituten an Universitäten über hochschulmäßige Lehrgänge bis zur Durchgliederung und Verfeinerung traditioneller Einrichtungen. Die durchgängige Idee ist die der Höherbildung des Volksschullehrers und Volkslehrers, an den gegenüber früher höhere Ansprüche in allgemein-erziehlicher wie in didaktisch-materieller Hinsicht gestellt werden. Der Vergleich zeigt aber vor allem, daß Österreich sich anschickt, mit seinen „Pädagogi-

schen Akademien“ hier einen der vorderen Plätze unter den Staaten Europas einzunehmen. Die Sicht über die Grenzen bestätigt aber auch im grundsätzlichen die Richtigkeit der hierzulande beschlossenen legislativen Regelungen und der in ihrem Gefolge eingeleiteten Maßnahmen zur Schaffung einer zeit- und kulturgemäßen Lehrerbildung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung