Frauenkirchen als Fanal

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Der Streit zwischen Bund und Ländern um die Schulverwaltung hat einmal mehr die hiesige Realverfassung offenbart: Ohne Länder geht nichts -und mit ihnen fast nichts.

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Der Streit zwischen Bund und Ländern um die Schulverwaltung hat einmal mehr die hiesige Realverfassung offenbart: Ohne Länder geht nichts -und mit ihnen fast nichts.

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Ein Gespür für Theatralik kann man Erwin Pröll und Hans Niessl nicht absprechen. Mittwoch letzter Woche, zwei Tage vor der Zeugnisverteilung, verließen die Landeschefs von Niederösterreich und Burgenland die Bildungsreform-Arbeitsgruppe der Regierung. Alles deute darauf hin, dass die Reform "zu einer reinen Kosmetik" verkomme, erklärte Pröll dem Kurier. Niessl wurde noch konkreter: Die Gruppe habe sich von den Beschlüssen der Landeshauptleutekonferenz im burgenländischen Frauenkirchen aus dem Jahr 2009 "immer weiter entfernt. Jetzt kann ich inhaltlich nicht mehr mit."

Noch in der Sekunde, in der die beiden angry old men ihr vernichtendes Zeugnis ausstellten, galt die für 17. November versprochene Bildungsreform als gescheitert. Dass es vorerst nicht dazu kam, war die größte Überraschung: Schon einen Tag später wurde Niessl durch Michael Häupl ersetzt, tags darauf Pröll durch Günther Platter. "Wir konnten rasch einen versierten und innovativen Ersatz finden", ätzte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Wie innovativ es nun weitergeht, ist die andere Frage: Um die Kinder und die Bildungsinhalte, die alle Beteiligten mantraartig ins Zentrum stellen, geht es nämlich in hiesigen Bildungsdebatten seit jeher nur sekundär. Primär geht es genau um jene "Bezeichnungen der Türschilder", die offiziell niemanden zu interessieren brauchen. Man kann auch Macht dazu sagen -und man sollte es ehrlicherweise auch endlich tun.

Kostenwahrheit als Utopie

Das gilt besonders für das ewige Gezerre um die künftige Verwaltung der 76.000 Landes-und 45.000 Bundeslehrer. Stattdessen werden finanzielle Argumente vorgeschoben, die mangels Kostenwahrheit niemand nachvollziehen kann. Dass sich durch eine Verländerung ein zweistelliger Millionenbereich einsparen ließe, wie Erwin Pröll einmal behauptete, entspringt Wunschdenken, aber keiner Excel-Datei von Ökonomen. Rechnungshof und Institut für Höhere Studien befürchten eher das Gegenteil, nämlich "erhebliche Mittelverluste".

Aber echte Länderchefs ficht das nicht an -wie sie sich überhaupt seit langem ihre eigene Realverfassung zurechtzimmern: Dass sich die Landeshauptleute in Frauenkirchen einstimmig dafür aussprachen, in Zukunft für alle Lehrer zuständig sein zu wollen, ist zwar machtpolitisch verständlich -aber sicher nichts, was eine Bildungsministerin einfach so "vollziehen" müsse, wie dies Günther Platter ex cathedra gefordert hatte.

Experten aus den Ländern für die Länder

Dass sich diese föderalistische Hybris meist als realpolitisch gut begründet erweist, ist der eigentliche Skandal -vom Gezerre um die Unterbringung von Flüchtlingen bis zur Endlos-Schleife um die Bildungsreform. Wie sonst konnte es kommen, dass in der achtköpfigen "Expertengruppe" für die Schulverwaltung allein fünf Ländervertreter saßen? Dass sich das daraus entstandene Papier "Freiraum für Österreichs Schulen" nach teils revolutionären Empfehlungen am Ende doch wieder für neun Bildungsdirektionen ausspricht, die direkt den Landeschefs unterstehen sollen, kann niemanden wirklich überraschen.

Aber vielleicht kommt nun ohnehin alles anders: Vielleicht setzen die theatralischen Abgänge von Pröll und Niessl ungeahnte, kreative Kräfte frei, zumal man für die nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament auch die Opposition benötigt. Schon heißt es, dass man aus den Landesschulräten unabhängige Behörden machen könnte -mit Direktoren, die von Land und Bund gemeinsam bestellt werden. Es wäre eine typisch österreichische Lösung: weit entfernt von allen Schulträger-Modellen, die unabhängige Experten empfehlen, aber zumindest mehr, als zu hoffen war. Am Ende könnte man sich dann wieder kurz mit der Autonomie der Schulen befassen -jener kompetenten Verwaltungsebene, die interessanterweise lange Zeit niemanden interessierte. Auch nicht die Föderalismus-Fans von Frauenkirchen.

doris.helmberger@furche.at

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