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Freihet für die Bildung

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Eltern haben spezifische Rechte für die schulische Bildung ihrer Kinder. Es geht um: die Sicherung der religiösen Erziehung in den gewählten Schulen, umWahl anderer als der im öffentlichen Schulwesen angebotenen Bildungswege, und um die Errichtung und Führung privater Schulen, die vom Staat finanziell zu unterstützen und zu fördern sind.

Mit der Zielsetzung, daß in den einzelnen Staaten diese Rechte gewährleistet, möglichst umfassend durchgesetzt und in der jeweiligen schulischen Realität verwirklicht werden, wurde im Jahre 1985 eine Organisation (nicht an eine Regierung gebun-den/Non Governemental/NGO) gegründet, die inzwischen in mehr als 40 Staaten und bei den wichtigsten internationalen Organisationen tätig geworden ist (OIDEL - Organisation internationale pour le developement de la liberte d'enseignement). Der 1995 erschienene Bericht von ÖIDEL über den Stand der „Freiheit im Bildungswesen" untersucht die Problematik in 60 Ländern der fünf Kontinente und ist damit global orientiert, wenn dies auch nur an sehr signifikanten Beispielen geschehen kann.

In einer kleinen Gruppe von Staaten (Beispiele: Algerien, Irak, Iran, Kuba) beansprucht der Staat nach wie vor das absolute Bildungsmonopol und duldet nicht die Existenz privater Schulen. In einigen Staaten (Beispiel Syrien) ist zwar die Errichtung privater Schulen offiziell verboten, ihr tatsächliches Bestehen wird aber akzeptiert (Schulen für Kinder aus privilegierten Schichten). In anderen Staaten (wie China, Israel oder Nigeria) gibt es wohl gesetzliche Bestimmungen zur Errichtung und Führung privater Schulen - aber tatsächlich existieren dort solche Schulen nicht.

Hier ist anzumerken, daß sich der Bericht auf statistisches Material aus Veröffentlichungen der UNO und der OECD aus den Jahren 1990 bis 1994

In internationalen

Verträgen ist das Elternrecht auf freie Schul wahl verankert. Privatschulen sind wichtig in der pädagogischen Landschaft.

stützt und daher nicht in jedem Detail auf dem letzten Stand sein kann. Dies trifft besonders auf einzelne Staaten in Mittel- und Osteuropa zu, in denen die Bildungssysteme umfassenden Reformen unterzogen und dabei die privaten Schulen in voller Entsprechung zu den staatlichen Schulen berücksichtigt werden (als Beispiele werden Rußland, Bulgarien und Ungarn angeführt, die in ihren neuen Schulgesetzen für Privatschulen die volle Kostendeckung durch den Staat vorsehen - Lehrergehälter, Schulbau und -ausstattung, Betriebskosten; für Polen werden ähnliche Fördermaßnahmen berichtet, doch werden dort die Kosten für den Bau privater Schulen vom Staat nicht übernommen). Mit der Gewinnung von Grundrechten und Freiheiten, im besonderen mit dem Recht auf freie Religionsausübung, korrespondiert die starke Betonung der Freiheiten im Bildungsbereich.

Sehr bemerkenswert, wenn auch keineswegs überraschend, sind die Feststellungen zu Frankreich und Spanien. Die in diesen Ländern zum Teil sehr leidenschaftlich geführten Auseinandersetzungen zur Schulpolitik sowie Einschränkungen in der staatlichen Finanzierung haben eine deutliche Verringerung der Zahl der Privatschulen bewirkt.

Die größte Dichte an Privatschulen weisen Irland (85 Prozent der Gesamtheit der Schulen sind Privatschulen), die Niederlande (71 Prozent) und Belgien (62 Prozent) auf. In den Schulsystemen dieser Länder wird, da private und staatliche Schulen in finanzieller Hinsicht völlig gleichgestellt sind, für die Eltern die wirkliche Wahlmöglichkeit gesichert. Die Beurteilung ist naheliegend, daß die Lösung der Finanzierungsfrage den wesentlichsten Punkt in einem Prozeß zur Stärkung des Anteiles des nicht-staatlichen Schulsek-

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tors im Gesamtstand der Bildungseinrichtungen eines Landes darstellt. Denn die relativ starken finanziellen Belastungen, die durch die Entscheidung für Privatschulen entstehen, bedeuten, daß hier eine Beschränkung auf eine relativ kleine Minderheit gegeben bleibt. Einige Beispiele aus den Ubersichten, die der zitierte Bericht zu den Anteilen des privaten Sektors am gesamten Schulbereich eines Landes (Schulen der Sechs- bis Zwanzigjährigen) gibt, erläutern dies: Deutschland fünf Prozent, Italien sieben Prozent, Norwegen drei Prozent, Portugal sieben Prozent, Schweden ein Prozent, Schweiz vier Prozent, Österreich sechs Prozent.

Die staatlichen Finanzleistungen Österreichs für die Privatschulen werden ausschließlich mit der Bezahlung der Lehrergehälter bewertet, und diese Leistung wird allgemein für alle nicht-staatlichen Bildungseinrichtungen angenommen; eine Differenzierung zwischen voller oder nur partieller Übernahme des Personalaufwandes durch den Staat unterbleibt. Auf der anderen Seite wird aber auch nicht berücksichtigt, daß - entsprechend den Bedarfsfeststellungen aus den Schulentwicklungsplänen - beträchtliche Mittel aus den öffentlichen Budgets für Bau- und Ausstattungsmaßnahmen des privaten Sektors bereitgestellt werden. Die Antwort im Lichte der globalen Analyse würde lauten, daß es sich hiebei um punktuelle oder fallweise Subventionierungen (auch bei vertraglichen Festlegungen) und nicht um gesetzlich bestimmte Leistungen handle.

Die privaten Bildungsbereiche innerhalb des österreichischen Schulwesens sind zum überwiegenden Teil parallele Züge zu den staatlichen Einrichtungen von der Vorschule (Kindergarten) bis zur Kollegstufe und der

dem Fachhochschulniveau entsprechenden Akademiestufe (Pädagogische Akademie, Sozialakademie). Idente Strukturen und Inhalte der Bildungsgänge gewähren die Vergleichbarkeit mit staatlichen Schulen und sichern damit den Anspruch auf das Öffentlichkeitsrecht und mit diesem das Recht auf Zuerkennung von Qualifikationen und Zertifikaten.

Übereinstimmungen der äußeren Erscheinungsbilder müssen aber nicht zwangsläufig zur Auflösung des Charakterbildes führen! Im Gegenteil sollten gerade daraus die Impulse zur Suche und Trassierung des eigenen Weges führen! Es ist des weiteren vollkommen klar, daß für einen konkreten Schulorganismus die Kennzei-

chen von Autonomie (aus sich selbst heraus Grundregeln oder gar Gesetze aufzustellen und damit Gebote des Danach-Handelns zu verbinden) nur für begrenzte Teilbereiche akzeptabel und realisierbar sein können - es sei denn, daß Schritte in eine freie Trägerschaft denkbar sind und gewagt werden. Damit ist aber genau auf den Punkt hingewiesen, den eine „private" oder „nicht-staatliche" Schule bereits existentiell berührt, ja von dem sie auszugehen hätte. Es kann doch nicht sein, daß die Kraft der Gestaltung durch ökonomisch oder organisatorisch begründete Abhängigkeiten zugedeckt oder gar gelähmt wird. Ein notwendiger modus vivendi darf die ursprüngliche ars vivendi nicht verdrängen!

Nicht übersehen werden darf, daß Träger oder Erhalter von nicht-staatlichen Schulen auch quasi öffentliche Organisationen sein können und in der österreichischen Situation auch tatsächlich sind. Für sie ist die Bindung an ein oft relativ eng definiertes berufliches Bildungsziel der eigentliche Grund für Errichtung und Führung einer Schule. Das kann einerseits klare Orientierung bedeuten, andererseits aber auch auf eine merkbare Unterscheidung gegenüber dem entsprechenden staatlichen Sektor verzichten lassen.

Freie pädagogische Gruppierungen besetzen eine andere Seite, die der offenen oder alternativen Arbeitsformen, und sind - weil im formulierten Widerspruch zum staatlichen Regelsystem - in einem außergewöhnliche Maße „privat". Nicht einfach sind von da aus die Wege in die später geforderte Übereinstimmung mit allgemeinen Bedingungen (siehe Seite 16).

Mag. Leo Leitner,

Sektionschef LR., ist Kurator der Stiftung Theresianische Akademie in Wien.

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