Für die erste Zeit ein Unterschlupf
Was in Südamerika seit langem funktioniert, hat das Rote Kreuz nun erstmals im oberösterreichischen Bad Leonfelden getestet: "Temporary"-Häuser für Flüchtlinge.
Was in Südamerika seit langem funktioniert, hat das Rote Kreuz nun erstmals im oberösterreichischen Bad Leonfelden getestet: "Temporary"-Häuser für Flüchtlinge.
Noch im Oktober erstreckte sich bloß ein braches Feld hinter der Dienststelle des Roten Kreuzes Oberösterreich in Bad Leonfelden. Kaum einen Monat später zeigt sich ein anderes Bild: Drei ident aussehende, schlichte Häuser mit hellgrauem Flachdach, dunkleren Außenwänden und weiß umrahmten Fenstern stehen auf dem Gelände. Halb gefüllte Müllsäcke, Fahrräder in allen Größen und vor allem der Duft nach frisch angebratenen Zwiebeln, der aus einem der geöffneten Fenster ins Freie dringt, zeugen davon, dass aus dem leeren Feld in wenigen Wochen ein bewohntes Mini-Dorf geworden ist.
Die vier Monate alte Asma ist eine dieser neuen Dorf-Bewohnerinnen: Erst im September war sie gemeinsam mit ihren Eltern Akrami Abbas und Quambari Fatema sowie den sechs Schwestern aus Afghanistan nach Österreich gekommen. Seit Mitte November teilen sie sich mit zwei weiteren afghanischen Familien eines dieser modular zusammengesetzten, 170 Quadratmeter großen Häuser. Für die nächsten drei bis zwölf Monate - so lange also, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist -haben die Flüchtlinge hier ihr neues Zuhause gefunden.
Aus Not wurde Tugend
"Ursprünglich wollten wir die Häuser dem Oberösterreichischen Roten Kreuz für die Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben in Nepal spenden", erzählt Baumeister Peter Schranz, wie das Pilotprojekt zustande kam. Seit 12 Jahren setzt die Firma "Global Housing Solutions" mit Sitz in Ried/Traunkreis diese Kunststoff-Beton-Häuser in südamerikanischen Staaten wie Brasilien, Venezuela, Peru oder Bolivien bei Wohn-, Schul- und Büroprojekten ein. Der schnelle, unkomplizierte Aufbau prädestiniert sie genauso für diese Notfälle wie die Tatsache, dass sie wieder abbaubar sind und für den nächsten Einsatz gelagert werden können. Da in Nepal aber Zelte verwendet wurden, hatte das Rote Kreuz Oberösterreich in der Heimat Bedarf an den "Temporary"-Häusern angemeldet.
Tatsächlich kann man die Gebäude angesichts der Flüchtlingsströme sehr gut gebrauchen: Rund 600 bis 1.000 Plätze pro Monat werden hierzulande voraussichtlich für Asylwerber benötigt, die von den Erstaufnahmestellen in Traiskirchen, Bad Kreuzen, Thalham oder Reichenau/Rax kommend in den Bundesländern auf einen positiven Bescheid warten. In Oberösterreich rechnet man mit einem Bedarf von monatlich 80 bis 100 Betten, die jetzt im Winter bitter nötig sind. Dass diese nicht nur in leerstehenden Häusern zu finden sein werden, weiß man beim Roten Kreuz nur zu gut: "Oft fehlt es in diesen an Infrastruktur", erklärt Gerald Roth, Bezirksgeschäftsleiter vom Roten Kreuz Urfahr-Umgebung. "In vielen alten Gebäuden gibt es keine ausreichende Wärmeisolierung oder es müsste zu viel repariert werden."
Auch die "Temporary"-Häuser mussten an die Bedürfnisse der Flüchtlingsfamilien und vor allem an den österreichischen Winter angepasst werden. Fenster sowie Türen wurden wärmeisoliert und Holzträger eingebaut, um der etwaigen Schneelast standzuhalten, die in Bad Leonfelden auf 750 Metern Höhe gang und gäbe ist. Separate Damen- wie Herren-Toiletten wurden eingeplant und die Gemeinschaftsküche so erweitert, dass pro Haus drei Familien unabhängig voneinander genug Platz zum Kochen haben. "Mit einem fixen Haus kann man die Gebäude zwar nicht vergleichen", räumt Bauherr Schranz ein, "doch im Vergleich zu einem Container haben unsere Häuser ein viel besseres Raumkonzept - sind aber gleich teuer."
Dass man bei Kosten von etwa 220.000 Euro die Ausgaben für das Flüchtlingsdorf sogar unter denen von Containersiedlungen für die gleiche Bewohneranzahl halten konnte, liegt unter anderem am Engagement von Freiwilligen. Selbst beim Bau der Häuser unterstützte die Bevölkerung die drei Bauarbeiter tatkräftig. "Zehn bis elf Ehrenamtliche hatten wir täglich bei uns", berichtet Roth, "besonders Asylwerber haben uns sehr unterstützt und Hilfsarbeiten verrichtet." Sie haben den Boden verlegt, Wände eingezogen oder die Dachschindeln aufgelegt. Der Hausbau ist nicht die einzige Gelegenheit, bei der das Rote Kreuz Oberösterreich die Bad Leonfeldner eingebunden hat und auf deren Unterstützung angewiesen war. Denn während die Asylwerber für ihre Versorgung selbst aufkommen müssen und dafür täglich pro Person 5,50 Euro aus der Grundversorgung erhalten, wurden die Häuser mit Spenden eingerichtet.
Gitterbetten rasch organisiert
So funktionell und nichtssagend die grauen Gebäude von außen aussehen, so gemütlich versuchte man dabei ihr Innenleben zu gestalten: Die kahlen Böden wurden durch bunt gemusterte Teppiche verschönert, jede Menge Geschirr und Besteck stapeln sich auf den Kästen, geblümte Pölster bedecken die Couch, ein kleiner Fernseher steht im Gemeinschaftsraum im Eck. In einem der Häuser warten gebrauchte Spielsachen auf die Kleinen und an den Wänden hängen selbstgemachte Plakate mit dem deutsche ABC. "Als wir am Freitag erfuhren, dass in den ersten Familien zwei Babys wären, haben wir mit der Hilfe von Ehrenamtlichen innerhalb von ein paar Stunden sogar Gitterbetten aufgetrieben", freut sich Amalia Rosca vom Roten Kreuz über die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.
Statt der ursprünglich kalkulierten 48 Personen betreut die Sozialarbeiterin mittlerweile 57 Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak sowie dem Gazastreifen im neuen Dorf von Bad Leonfelden und bereitet sie auf ein mögliches Weiterleben in Österreich vor. "Die Mülltrennung hat in der ersten Woche schon gut geklappt", freut sich Rosca - keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass die Verständigung vor allem in den Anfangstagen nur über die Google-Übersetzungsmaschine funktioniert hat. Inzwischen stehen der Sozialarbeiterin zwei Helfer zur Seite: Bereits anerkannte Asylwerber aus Afghanistan und dem Irak sind freiwillig in Bad Leonfelden als Dolmetscher tätig. Hoffentlich nicht mehr allzu lange, denn die Kinder der Familien gehen bereits in der Gemeinde in den Kindergarten oder in die Schulen.
Dort wurde eine eigene Lehrerin abgestellt, um den Flüchtlingen zusätzlich Deutsch beizubringen. Nachmittags kommen darüber hinaus Freiwillige aus dem Dorf, um auch den Erwachsenen die fremde Sprache näherzubringen. Es sollen nicht die einzigen Gelegenheiten sein, in denen Neu-und Alt-Bad-Leonfeldner zusammentreffen. Geht es nach dem Roten Kreuz Oberösterreich, soll das Flüchtlingsdorf ein Beispiel für gelungene Integration in Urfahr-Umgebung werden. "Nächstes Jahr werden unsere Bewohner in den Schulen ihre Geschichten erzählen, damit die Kinder die neuen Nachbarn kennen lernen können", so Rosca über die aktuellen Pläne, "außerdem wäre es gut, wenn unsere Bewohner älteren Leuten in der Gemeinde bei Alltagsarbeiten helfen dürfen. Wir arbeiten daran!"
Weihnachten im Temporary-Haus
Was beim Zusammenleben noch angestrebt wird, ist in Sachen Häuserbau bereits gelungen: In oberösterreichischen Gemeinden wie Naarn-Perg, Ried/Riedmark und Braunau hat man sich ein Beispiel am 300.000-Euro-Projekt in Bad Leonfelden genommen: Dort sind weitere Dörfer aus Temporary-Häusern für das Rote Kreuz, die Diakonie und private Auftraggeber schon im Entstehen.
Asma und ihre Familie hatten Glück: Sie werden Weihnachten in diesem Jahr zusammen mit den beiden anderen Familien in ihrem neuen, vorübergehenden Zuhause in Bad Leonfelden feiern. Im Gemeinschaftsraum ist jedenfalls genügend Platz für einen großen Weihnachtsbaum. Es wäre der allererste im Leben der muslimischen Flüchtlingsfamilien.
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