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FÜR EINE LITERATUR DER ZUKUNFT

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Um die Jahreswende wurde im Palais Wilczek in der Herrengasse zu Wien eine „Ö sterreichische Gesellschaft für Literatur“ eröffnet. Das schöne Barock-palais hat seine literarische Tradition: Hier wohnten nicht nur Grillparzer und Eichendorff, sondern im Haus der als Mäzene bekannten Familien der Grafen Szecheny und Wilczek verkehrten die meisten Persönlichkeiten des kulturellen Wiens im 19. Jahrhundert. Gründer und Vorsitzender der neuen Literaturgesellschaft ist der unseren Lesern durch zahlreiche Beiträge in. der „Furche“ bekannte Dr. Wolfgang Kraus, der neun Jahre lang als Cheflektor bei angesehenen Verlagen tätig war und seit 1956 als Kritiker und freier Schriftsteller in Wien lebt. Wir bringen nachfolgend den Text der Eröffnungsansprache. Die Redaktion der „Furche“

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Um die Jahreswende wurde im Palais Wilczek in der Herrengasse zu Wien eine „Ö sterreichische Gesellschaft für Literatur“ eröffnet. Das schöne Barock-palais hat seine literarische Tradition: Hier wohnten nicht nur Grillparzer und Eichendorff, sondern im Haus der als Mäzene bekannten Familien der Grafen Szecheny und Wilczek verkehrten die meisten Persönlichkeiten des kulturellen Wiens im 19. Jahrhundert. Gründer und Vorsitzender der neuen Literaturgesellschaft ist der unseren Lesern durch zahlreiche Beiträge in. der „Furche“ bekannte Dr. Wolfgang Kraus, der neun Jahre lang als Cheflektor bei angesehenen Verlagen tätig war und seit 1956 als Kritiker und freier Schriftsteller in Wien lebt. Wir bringen nachfolgend den Text der Eröffnungsansprache. Die Redaktion der „Furche“

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Meine Damen und Herren!

Ich werde keine Ansprache in allgemeinen Worten halten, sondern Ihnen in wenigen Sätzen eine Information geben über das Wesen und die Aufgaben der Gesellschaft, deren Wirken in diesen Räumen mit dem heutigen Tag beginnt. Ich habe die übliche Pressekonferenz mit dieser nun stattfindenden Eröffnung zusammengelegt, da wir alle, so glaube ich, weniger an Feierlichkeiten als an den Tatsachen interessiert sind.

Die „Österreichische Gesellschaft für Literatur“ wurde unter der Patronanz und mit der Hilfe des Unterrichtsministenums gegründet. Sie ist keine neue Vereinigung von Autoren, sondern eine „Gesellschaft für Literatur“, eine Einrichtung, die auf sehr reale Weise die Arbeit des österreichischen Schriftstellers erleichtern und die Resonanz seiner Werke erhöhen soll.

Es werden heute in aller Welt zum Thema „Förderung der Literatur“ schöne Worte gemacht. Ich will dieses Vokabular nicht weiter strapazieren, sondern Ihnen einige Tatsachen nennen. Sie sind die ersten Ergebnisse unserer vorbereitenden Arbeiten.

1. Die Gesellschaft hat im Unterrichtsministerium angeregt, vier österreichische Autoren der jüngeren und mittleren Generation die Gestaltung bereits bestehender Romanprojekte zu ermöglichen. Über die individuellen Probleme dieser Autoren wurde im Ministerium mit diesen Autoren selbst eingehend gesprochen. Herr Minister Dr. Drimmel hatte die Freundlichkeit, unsere Vorschläge zu akzeptieren. Ich kann Ihnen die Namen dieser Autoren nennen: Es handelt sich um Gerhard Fritsch, Fritz Habeck, Hans Lebert und Herbert Zand.

2. Auf Grund unserer Anregung wurde die Verleihung der Förderungspreise für Literatur vom Spätjahrestermin auf die Zeit vor der Buchwoche vorverlegt, so daß die Preise noch im Herbstverkauf wirksam werden können.

3. Wir konnten ausländische Universitäten, Wissenschaftler, Kritiker und Autoren, die über österreichische Themen arbeiten, aus einer dafür gewährten Subvention des Ministeriums mit der notwendigen Literatur versorgen. Diese Einzelaktionen sollen •MfiAfibUfh erw1itejtJprdetnß „b - „ U , T “MfAl Orientierunguber.-Geganwajt und Vergangenheit der ökeffifchtsehen Literatur JudrsoÖ j|iT-viB'SO.a -G?atisahoue-ments die einzige“ österreichische Literaturzeitschrift „Wort in der Zeit“ an ausländische Kritiker, Germanisten und Autoren, zum Teil nach Übersee, nach Afrika und in Ostländer. Der Inhalt der Hefte wird auf die Interessen dieser Leser Rücksicht nehmen. An Persönlichkeiten, die sich für österreichische Autoren interessieren, ohne die deutsche Sprache zu beherrschen, schicken wir ein zweimonatiges Bulletin in englischer und französischer Sprache, das unser Mitarbeiter Dr. Kurt Benesch redigiert.

5. Wir haben in genauer Bibliotheksarbeit bereits ein Verzeichnis hergestellt, das uns die Lücken in der biographischen Literatur über österreichische Autoren der Vergangenheit zeigt.

Wir werden den Universitätsprofessoren vorschlagen, Dissertationen über solche Themen auszugeben, und uns bemühen, Fachleute mit der Arbeit über bisher in der biographischen und literarhistorischen Berücksichtigung leer ausgegangene Persönlichkeiten der Dichtung zu beauftragen.

6. Wir haben außerdem ein Programm von Diskussionen, Lesungen und Vorträgen unter Mitwirkung österreichischer und ausländischer Persönlichkeiten festgelegt. Die ersten Themen sind: „Autoren, Presse und Publikum“, „Abstrakte und konkrete Literatur“, ferner eine Reihe, „Augenzeugen berichten über österreichische Dichter“, in der persönliche Bekannte von Hofmannsthal, Musil, Karl Kraus, Altenberg und anderen sprechen werden, deren Erzählungen und Berichte wir als Dokumentation auf Tonband festhalten wollen. Es sind außerdem Arbeitsgespräche angesetzt über Themen, wie: „Der Autor und das Finanzamt“ und „Spendenfreiheit für Kunst und Wissenschaft“, zu denen die maßgebenden Fachleute von den Behörden und der Wirtschaft geladen werden.

7. Aus dem Ausland wurden in Zusammenarbeit mit dem Bundespressedienst mehrere namhafte Autoren, Übersetzer und Kritiker zu Vorträgen sowie zur Kontaktnahme mit österreichischen Schriftstellern eingeladen.

8. Es gehört zu den Aufgaben der „Gesellschaft“, mit aufgeschlossenen Autoren aus dem weiteren Bereich der ehemalieen Donaumonarchie in Verbindung zu treten. So kommen im Februar zwei jugoslawische Dichter nach Wien. Einladungen für ein Symposion mit Schriftstellern aus Polen sind nach Warschau und Krakau abgegangen.

Diese Einzeleinladungen und Diskussionen mit kulturellen Persönlichkeiten aller Länder sollen dazu beitragen, die eigene Position in der europäischen Entwicklung besser und kritischer zu erkennen und ihre Möglichkeiten deutlicher werden zu lassen.

9. Durch die Verbindung mit den österreichischen Kulturinstituten im Ausland und im Austausch mit ausländischen Stellen können wir, umgekehrt, österreichischen Autoren einen

Aufenthalt nicht nur für eigene Lesungen, sondern auch für Studien im Ausland ermöglichen.

10. Und jetzt noch ein uns sehr wichtiger Punkt: In engem Kontakt mit der Universität und den Schulen wird der Versuch gemacht, das Interesse an Literatur, am literarischen Leben überhaupt zu stimulieren. Wir haben vor, in individuellen Gesprächen mit Rat und Tat junge Talente anzuregen, ihnen Wege zu zeigen, Türen zu öffnen und für sie konkrete Voraussetzungen zu schaffen. Also, soweit dies möglich ist, für eine Literatur der Zukunft Sorge zu tragen.

Meine Damen und Herren, dies nur einige Punkte. Der Aufgabenkreis enthält noch viele Einzelheiten, und er soll über die von uns bereits erkannten Punkte hinaus durch Ihre Vorschläge noch erweitert werden. Denn es soll hier ein Forum der Projekte, der Kritik, der Aktivität gebildet werden, das versuchen will, manches vom mehr oder weniger scharf definierten „Unbehagen in der Kultur“ in positive Aktion umzuwandeln. Wir haben hier ein ständiges Sekretariat, und Zeit und Räume sind vorhanden für Gespräche, deren Ergebnisse realisiert werden sollen.

Ich selbst, als Kritiker von Beruf, nehme die Tatsache der ersten Ergebnisse und die Tatsache, daß die Räume, die Sie hier sehen, gefunden, zum Teil auch aus Spenden der Industrie und des Handels, restauriert und mit ständigen Leihgaben aus den Depots des Kunsthistorischen Museums, der Österreichischen Galerie, des Volkskundemuseunis und der Bundesmobilienver-waltung eingerichtet werden konnten, als ein gutes Zeichen. Was Sie sehen, ist Zauberei: Vlämische Gobelins aus dem 16. Jahrhundert, Barockplastiken, Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Eine Zauberei mit wenig Bargeld, die, wie Sie sehen, möglich war. Ich danke Herrn Minister Drimmel und seinen Herren für das Ermöglichen eines guten Starts und bitte Sie alle, unserem Vorhaben zu helfen.

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